Einladung zum Wissenschaftshistorischen Seminar
Formen des „Life Writing“ als alternative Wissensproduktion zwischen Autobiographie und Biomedizin
Prof. Dr. Mita Banerjee, Mainz
Über Jahrhunderte hinweg war es gängige museale Praxis, menschliche Überreste (Schädel, Knochen, Skelette) der Angehörigen indigener Gruppen (Aboriginals, Native Americans, Inuits) in Museen der westlichen Welt auszustellen. Der (verstorbene) Mensch konnte hier deshalb zum Museumsobjekt werden, weil er – als Mitglied einer indigenen Gruppe die, wie man annahm, im Aussterben begriffen war – nicht als Mensch, sondern als Anschauungsobjekt verstanden wurde. Diese Politik und wissenschaftliche Praxis der „Musealisierung“ indigener Körper entfachte seit den 1970er Jahren eine Debatte, die zu Beginn des neuen Jahrtausends zu einer veränderten Recht-sprechung führte: Verankert durch Maßnahmen wie die Australian Government Indigenous Repatriation Policy (2013) und den Native American Graves Protection and Repatriation Act (NAGPA, 1990) mussten die bis dahin in Museen ausgestellten indigenen Körper ihren Angehörigen zurückgegeben werden.
Der Vortrag untersucht den Stellenwert dieser „Repatriation“ für das Verhältnis zwischen Mehrheitsgesellschaften und indigenen Gruppen in einer globalisierten Welt zu Beginn des 21. Jahrhunderts, das als das „Zeitalter der Versöhnung“ (age of apology) beschrieben worden ist. Angesiedelt zwischen Wissenschaftsgeschichte und einer Politik der Wiedergutmachung kann die Repatriation als eine Form des „Life Writing“ verstanden werden: Das Nachhausebringen und die zeremonielle Beerdigung macht das ehemalige „Museumsobjekt“ zum Menschen, dessen Lebensgeschichte erstmals als solche Anerkennung findet.
Es laden Sie herzlich ein:
Prof. Dr. Rainer Godel, Prof. Dr. Dieter Hoffmann (Mitglied der Leopoldina) und Prof. Dr. Florian Steger
Das Seminar findet statt
am: 12. Januar 2016
um: 18.00 Uhr
Ort: Lesesaal, Emil-Abderhalden-Straße 36, 06108 Halle (Saale)