Historical Dimensions of Religious Violence

Historical Dimensions of Religious Violence

Organizer
Prof. Dr. Dorothea Weltecke, Goethe-Universität Frankfurt (Senior Fellow am Historischen Kolleg 2019/2020)
Venue
Historisches Kolleg, Kaulbachstr. 15, 80539 München
Location
München
Country
Germany
From - Until
31.12.2019 -
Website
By
Dorothea Weltecke

Am Historischen Kolleg München findet vom 29.-31. Januar eine internationale Tagung zum Thema „Historical Dimensions of Religious Violence“ statt.

Diese Tagung soll Perspektiven der Historisierung von religiöser Gewalt erproben. Viele Beiträge konzentrieren sich auf die Zeit von 650 bis 1450, doch sind auch Perspektiven auf die Zeit davor und die Zeit danach willkommen. Sie sollen durch den Vergleich Hinweise auf den Wandel von religiöser Gewalt ermöglichen.

Die Ergebnisse der Tagung im Rahmen meines Fellowships am Historischen Kolleg werden als Sammelband publiziert. Diese Publikation hat für mich hohe Priorität. Um die begrenzten finanziellen und zeitlichen Möglichkeiten der Tagung zu erweitern, wird sie mit einem offenen Call-for-Articles verbunden: Zum Einreichen von Vorschlägen sind historisch forschende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eingeladen, die sich mit dem Konzept des wissenschaftlichen Vorhabens befassen möchten und verbindlich bis 1. Dezember 2020 einen Beitrag von 20-25 Seiten (Times, 12 Punkt, 1½ zeilig/Fußnoten 10 Punkt) einreichen können.

Interessenten werden gebeten, bis zum 31. Dezember 2019 ein Exposé von 3 Seiten einzureichen.

Ihre Vorschläge werden nach den unten erläuterten Kriterien ausgewählt und dann verbindlich zur Publikation eingeladen.

An welchem Beispiel oder mit welcher speziellen Fragestellung sich Teilnehmer*innen der Tagung und des Sammelbandes konkret dem Thema nähern, soll ihnen überlassen bleiben.

Gleichwohl sollen sich alle Beiträge auf ein gemeinsames methodisches Tertium beziehen, meinen konzeptionellen Beitrag zur Geschichte der religiösen Gewalt: Dorothea Weltecke, „Bemerkungen zur Geschichte der religiösen Gewalt im Mittelalter“, in: Historische Zeitschrift 305 (2017), S. 621–56. Alle Tagungsteilnehmer*innen und Beitragende zum Sammelband werden gebeten, die methodischen Forderungen und Hypothesen im Hinblick auf ihr eigenes Material offen zu erörtern, zu kritisieren und zu erweitern.

Dazu einige zusammenfassende Bemerkungen:

In den Handbüchern zur religiösen Gewalt fehlt bisher eine genuin historische Perspektive auf das Problem. Kann es eine solche geben und wie könnte sie aussehen? Im ersten Teil des Aufsatzes habe ich das Verhältnis von religionswissenschaftlichen Theorien, soziologischer Gewaltforschung und historischer Forschung im Hinblick auf religiöse Gewalt ausgelotet. Daraus habe ich Forderungen für eine historische Beschäftigung abgeleitet: Eine Geschichte der religiösen Gewalt muss die eklatanten Widersprüche zwischen den Gewalttheorien aufgreifen, erörtern und eigene Positionen entwickeln. Die historische Forschung hat meines Erachtens überdies die Aufgabe, im wissenschaftlichen Diskurs Zeitlichkeit, Emergenz und Wandel zu vertreten und diese Perspektive in die sozial- und religionswissenschaftliche Diskussion einzubringen. In einem zweiten Teil habe ich eine Geschichte der religiösen Gewalt vorgeschlagen, die Gewaltereignisse auf soziale Konstellationen und auf die sozialen Funktionen der Gewalt befragt.

Auf der Basis der sozialwissenschaftlichen Gewaltforschung habe ich als Gegenstand solche Formen physischer Verletzung und Vernichtung definiert, die religiös (als Verteidigung des Glaubens oder der eigenen Gruppe, als Kulthandlung, als Selbstopfer) gerahmt werden. Für diese Definition soll genügen, dass die Rahmung entweder in der aktiven Gewalthandlung oder im Erleiden auftritt – unabhängig von der Frage nach der Ursache von Gewalt. Auf dieser Grundlage habe ich mich der These angeschlossen, dass religiöse Gewalt nicht allein aus theologischen Entscheidungen (vulgo: aus DEM Christentum oder DEM Islam z.B.) erklärt werden kann. Für eine Deessentialisierung ist es vielmehr unerlässlich, die unterschiedlichen theologischen Lehrtraditionen innerhalb der großen Religionen zu differenzieren. Sie sind methodisch als Teil des historischen Problems zu betrachten, nicht als dessen Erklärung. Die normativen Bestimmungen, die Ideale der verschiedenen theologischen Strömungen, wurden historisch unterschiedlich formuliert und unterschiedliche Praktiken wurden gelebt. Warum und wie das eine oder das andere geschah, ist je spezifisch beschreib- und erklärungsbedürftig.

Insgesamt und auch für die mittelalterlichen Jahrhunderte habe ich behauptet, dass religiöse Unterschiede weder eine notwendige noch eine hinreichende Bedingung für das Aufkommen religiöser Gewalt sind. Als Begründung habe ich aufgeführt, dass es christliche und islamische Strömungen gibt, die spät oder nie Gewalttheologien ausgebildet haben. Außerdem zwingt die Tatsache, dass Gewalt bei anscheinend gleichen religiösen Konstellationen nicht stattfindet, dazu, alternative Bedingungen für ihre Entstehung zu erforschen. Dagegen habe ich Mechanismen von Machtlegitimation sowie den sozialen Wirkungen von Kategorien der Ungleichheit großes Gewicht zugemessen. Für das Ausbrechen von Gewalt habe ich statt des vermeintlichen Exklusivismus der sogenannten monotheistischen Religionen vor allem Machtkonkurrenzen und den Kampf um Legitimation und Herrschaft innerhalb derselben religiösen Strömung verantwortlich gemacht. Schließlich habe ich behauptet, dass die performativen Formen religiöser Gewalt (Skripte) eigene historische Verlaufsfiguren bilden, die über Gesellschaften Auskunft geben können, in denen sie auftreten.

Was fehlt methodisch? Was ist unsauber argumentiert? Was ist empirisch unplausibel? Ich freue mich auf Kommentare und Anregungen für eine Historisierung der religiösen Gewalt in einer Zeit der eskalierenden Essentialisierung.

Programm

Contact (announcement)

Dorothea Weltecke

Historisches Kolleg, Kaulbachstr. 15, 80539 München

dorothea.weltecke@historischeskolleg.de


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