'I Will Sing and Make Music': Jewish Music and Musicians Throughout the Ages

'I Will Sing and Make Music': Jewish Music and Musicians Throughout the Ages

Organisatoren
The Nineteenth Annual Klutznick-Harris Symposium
Ort
Omaha/Nebraska
Land
United States
Vom - Bis
29.10.2006 - 30.10.2006
Url der Konferenzwebsite
Von
Robert Jütte, Institut für Geschichte d. Medizin d. Robert Bosch Stiftung

An der Creighton University in Omaha/Nebraska fand Ende Oktober 2006 zum neunzehnten Mal das Klutznick-Harris Symposium statt. Diesmal lautete das Thema „’I Will Sing and Make Music’: Jewish Music and Musicians Throughout the Ages“. Die überwiegende Anzahl der Referenten kam – wie üblich – aus den USA. Und wie immer war diese akademische Veranstaltung offen für ein breites Publikum. Am ersten Tag war die jüdische Gemeinde in Omaha, die über 6000 Mitglieder zählt, Gastgeber. Das beeindruckende Jewish Community Center verfügt neben Konferenzräumen auch über ein großes Auditorium, das sich für Theater- und Musikveranstaltungen eignet. Und so geriet das Symposium über jüdische Musik auch zu keiner „Trockenübung“. Es wurde nicht nur gesungen (es traten u. a. ein jüdischer Chor und Kantoren der Gemeinde auf und trugen liturgische Gesänge vor), es wurden auch Musikbeispiele von den Referenten „zitiert“ (mit modernster Multimedia-Technik sowie mittels eher traditionellem, aber nicht weniger beeindruckendem Vorspiel am Klavier).

Doch was ist überhaupt „jüdische Musik“? Diese „Gretchenfrage“ stand im Mittelpunkt des Abendvortrages, den Joshua Jacobson von der Northeastern University, gleichzeitig Dirigent des bekannten Zamir-Chors in Boston, vor einem von der Rhetorik und Präsentation des Redners verzauberten Publikum im gut gefüllten Auditorium hielt. Seine sehr pragmatische Definition jüdischer Musik lautet: Es handelt sich um Musik, die von Juden häufiger gespielt wird als von anderen und die Juden mehr sagt als Nicht-Juden. Das Jüdische in der Musik liegt, so Jacobson, „in the eye of the beholder“, ein bekanntes Shakespeare-Zitat abwandelnd. Die jüdische Abstammung des Komponisten sei jedenfalls kein geeignetes Kriterium, ansonsten müsste „White Christmas“ von Irving Berlin auch als jüdische Musik gelten, wie Jacobson unter dem Lachen seiner Zuhörer ausführte und mit weiteren Beispielen belegte. Gleichwohl habe es immer wieder, auch von jüdischer Seite, Versuche gegeben, jüdische Musik ethnisch zu bestimmen. Er nannte in diesem Zusammenhang den Komponisten Ernest Bloch, der Anfang des 20. Jahrhunderts in einem musikalischen Werk auch so etwas wie „soul of race“ entdecken zu können glaubte. Und selbst Arthur Schönberg verstieg sich angesichts der Ausgrenzung seiner Musik durch die Nationalsozialisten 1933 zu dem Satz „We are Asians“, ohne vermutlich wirklich daran zu glauben, dass seine Zwölftonmusik, der Thomas Mann in „Dr. Faustus“ ein literarisches Denkmal gesetzt hat, ohne die westliche Tradition überhaupt zustande gekommen wäre.

Im weiteren Verlauf der Tagung wurde klar, dass ein anderes Bonmot aus dem Munde Ernest Blochs („Jewish music can be felt but not analysed“) für die anwesenden Musikwissenschaftler keine Gültigkeit besaß. Sie bemühten sich redlich darum, das Tagungsthema von allen Seiten zu beleuchten und die unterschiedlichsten Aspekte jüdischer Musik – von biblischen Zeiten bis in die Gegenwart – zu analysieren. So sprach Charles Isbell (Louisana State University) über „Musical Notations in the Biblical Book of Psalms“. Er machte darauf aufmerksam, dass es keine religiöse oder weltliche Musik im eigentlichen Sinne gebe, sondern, dass es auf den Kontext ankomme, in dem Musik zur Aufführung gebracht werde. Diese These belegte er anhand von Beispielen aus den Psalmen, wo konkrete Hinweise auf die Aufführungspraxis zu finden sind. Diese seien allerdings mit Vorsicht zu interpretieren. In diesem Zusammenhang war auch der Vortrag von Jonathon Gross, einem der Kantoren der jüdischen Gemeinde in Omaha, von Interesse. Er demonstrierte mit Gesangsbeispielen und Bibelstellen insbesondere den Laien im Publikum die Rolle der jüdischen Kantillation (ta'amei ha-mikra) bei der Sinngebung von Texten. Ergänzt wurden seine Ausführungen durch seine Kollegin Wendy Shermet, die über die Tradition der Kantor-Ausbildung (mit Fokus auf den Vereinigten Staaten) sprach und noch einmal verdeutlichte, dass es einer langjährigen Ausbildung in Judaistik und Gesang bedarf, um die Kantillation perfekt zu beherrschen und zu verstehen.

Der zeitliche Schwerpunkt der Tagung lag jedoch nicht auf der biblischen Frühzeit, sondern in der Moderne. Dass es bereits in der Renaissance eine nicht geringe Zahl jüdischer Musiker in oberitalienischen Städten gab, machte das Referat von Daniel Jütte (Universität Heidelberg) deutlich. Auf der Grundlage von Archivstudien lässt sich der Nachweis führen, dass die meisten, uns meist nur mit Namen (wenn überhaupt) bekannten jüdischer Musiker Instrumentalisten waren, die für ein nicht-jüdisches Publikum spielten. Das wurde aber mit der Errichtung von Ghettos seit dem 16. Jahrhundert immer schwieriger, so dass ein neuer „public space“ für diese Berufsgruppe geschaffen werden mußte. Salamone Rossi ist der wohl bekannteste Vertreter einer Musik, die im Ghetto liturgische Verwendung fand. Und so durfte sein Stück „Halleluyah“ auch nicht im musikalischen Beiprogramm der Tagung fehlen. Den Sprung ins 19. Jahrhundert unternahm Theodore Albrecht (Kent State University), der von seiner Detektivarbeit in Wiener Archiven berichtete. Ihm geht es um den stichhaltigen (aber nicht leicht zu führenden Nachweis), dass Beethovens sechster Satz in seinem Streichquartett op. 131 (1826) durch das Kol Nidrei beeinflusst wurde. Es kann jedenfalls nach Albrechts Forschungen kein Zweifel bestehen, dass Beethoven Kontakt zu führenden Vertretern der israelitischen Kultusgemeinde Wien hatte, die von ihm ein Auftragswerk, das dann nicht zustande kam, haben wollten. Von einer anderen Beziehung zwischen einer jüdischen Gemeinde und einem bedeutenden Komponisten berichtete Charles Juergensmeier (Creighton University). Im Mittelpunkt seines Vortrags stand die Zusammenarbeit zwischen Solomon Sulzer und Franz Schuber bei der Vertonung von Psalm 92 (tov lehodos). Emily A. Bell (University of Florida) sprach über eine weitere Zusammenarbeit zwischen jüdischen Gemeinden und bekannten Komponisten. Als Beispiel hatte sie die vom amerikanischen Kantor David Putterman begründete Konzertreihe („Annual Service of New Music“) in der New Yorker Park Avenue Synagoge gewählt. An dieser Konzertreihe, die kurz nach dem Zweiten Weltkrieg ins Leben gerufen wurde, wirkten 73 zeitgenössische Komponisten mit, darunter auch Leonard Bernstein und William Grant Still.

Damit ist schon der Bogen in das zwanzigste Jahrhundert geschlagen, dem sich mehrere Vorträge widmeten. Paul Eisenstein Baker (University of St. Thomas, Houston) referierte über das Werk des russisch-jüdischen Komponisten Leo Zeitlin (1884-1930), der zu Beginn des 20. Jahrhunderts zusammen mit Kollegen jüdische Volksmusik in St. Petersburg sammelte und sich davon bei seinen eigenen Werken (z. B. Eli Zion) inspirieren ließ. Marsha Bryan Edelmann (Gratz College), Verfasserin eines englischsprachigen Werkes über jüdische Musik, führte unter anderem aus, wie traditionelle jüdische Weisen, die aus der „Alten Welt“ herübergerettet wurden, der ersten Generation der Einwandererwelle um 1900 als emotionaler und kultureller Rückhalt dienten, während die zweite Generation sich diese musikalische Tradition recht ungezwungen und frei zu eigen machte und sich dann dem Vorwurf ausgesetzt sah, dass diese Musik, oft auch im Konzertsaal aufgeführt, nicht „jüdisch“ klinge. Vertieft wurden diese Überlegungen im Vortrag von Joel E. Rubin (University of Virginia), der Adaptionsprozessen in der New Yorker Klezmer-Szene in der Zwischenkriegszeit nachging. Zu dem neuen Publikum, das neben der traditionellen Zuhörerschaft (darunter viele nicht-jüdische, aus Griechenland stammende Immigranten!) von dieser Art Musik begeistert war, gehörten seit den 1940er Jahren auch Überlebende des Holocausts. Einen weiteren interessanten Schauplatz beleuchtete Susan M. Filler (Chicago, Illinois) in ihrem Beitrag über den Einfluss der in jiddischem Theater gespielten Musik auf Broadway-Musicals. Aus der Fülle der Beispiele, die von ihr angeführt wurden, ragt sicherlich Abraham Goldfaden heraus, dessen jiddische Songs für die Bühne auch auf Gershwin nicht ohne Wirkung geblieben sind. Die Klezmer-Renaissance, die inzwischen zu einem Kult in Deutschland geworden ist, der seltsame Blüten treibt, war das Thema von Rita Ottens (City University of London). Sie vermochte überzeugend nachzuweisen, dass der Klezmer-Boom Mitte der 1980er einsetzte, und zwar als eine Folge einer Theateraufführung (Joshua Sobols „Ghetto“ in der Inszenierung von Peter Zadek, 1984 in Berlin). Szenenwechsel. Dass in der klassischen Musikszene im Nachkriegsdeutschland jüdische Musiker ebenfalls große Erfolge feierten, aber die betreffenden Künstler oft in Gewissenskonflikte angesichts des Holocaust-Traumas stürzte, machte der Beitrag von Anat Feinberg (Hochschule für jüdische Studien, Heidelberg) deutlich. An ausgewählten Beispielen demonstrierte sie, welche unterschiedlichen jüdischen Identitäten sich in Musikerkarrieren wie der von Michael Gielen, Hellmut Stern, Kurt Sanderling und anderen spiegeln. Ganz aktuell war (und entsprechend gut von Studenten besucht) der Beitrag von Daniel W. Clanton Jr. (Englewood, Colorado). Am Beispiel von jüdischen Hip Hop-Musikern (Matisyahu, So Called) demonstrierte er, welche kulturelle Grenzen Musik überwinden und zu welchen Amalgamierungsprozessen es dabei kommen kann.

Die Frage nach dem Wesen einer „jüdischen Musik“ zog sich wie ein roter Faden durch alle Beiträge. Die unterschiedlichsten Aspekte musikalischer Tradition und Moderne wurden auf dieser bemerkenswerten Tagung von Experten skizziert und ausgiebig diskutiert. Zur Tradition des Klutznick-Harris-Symposiums, das immer unter einem Generalthema steht, gehört es auch, dass die Beiträge in einem Aufsatzband veröffentlicht werden. Diese Publikation kann man nach dem Gehörten nur mit Spannung erwarten, bekommt dadurch doch ein breiteres Publikum die Gelegenheit, sich mit der Phänomen jüdische Musik, das oft als Chimäre erscheint, auseinander zu setzen, vielleicht sogar mit einer CD im Anhang, auf der die entsprechenden Musikbeispiele zu hören sind.


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