Cover
Titel
EUropäische Bildpolitiken. Politische Bildanalyse am Beispiel der EU-Politik


Autor(en)
Hadji-Abdou, Leila; Liebhart, Karin; Pribersky, Andreas; Bernhardt, Petra
Reihe
UTB L (Large-Format) 8379
Erschienen
Stuttgart 2009: UTB
Anzahl Seiten
184 S.
Preis
€ 18,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Tobias Doll, Mainz

Die Europäische Union (EU) als supranationales Staatengebilde nimmt einen immer wichtigeren Platz im täglichen Leben der Bürgerinnen und Bürger Europas ein, ein Vorgang der sich nicht nur in Gesetzen, sondern auch ganz konkret im Erscheinungsbild unserer Umwelt äußert. Im Bereich der visuellen Kommunikation der Institution EU und des übergreifenden Themas Europa entstehen formal und inhaltlich neue Bildformen, deren Untersuchung in der Forschung bisher noch ein Schattendasein fristet, was sicherlich auch an der schwierigen Verortung des Themas im Niemandsland zwischen Politik- und Bildwissenschaften liegt. Dabei ist das Konzept des Nation- bzw. in diesem Fall Supranation-Branding sowie allgemeiner die ikonographische Analyse politischer Kommunikation durchaus seit längerer Zeit Betätigungsfeld der Politik- und Geschichtswissenschaften, nur wurden diese Erkenntnisse bisher auf den visuellen Output der Europäischen Union nicht angewandt. Mit dem vorliegenden Buch versuchen die Autorinnen und Autoren erstmalig ein Kompendium zum Thema vorzulegen.1

Die Visualisierung EU-europäischer Institutionen und Vorgänge in einer eigenen Symbolik geht bereits auf die Anfänge der Europäischen Union zurück, hielt sich aber mit wenigen bekannten Beispielen wie der Flagge, Pass, den typischen EU-Farben usw., in Grenzen. Erst in den 1990er-Jahren gab es, ausgelöst durch sinkende Popularität in Umfragen bei gleichzeitig steigender Bedeutung der Europäischen Union, erste größere Initiativen zur Schaffung politischer Kampagnen.2 Ein bekanntes Beispiel ist die vom niederländischen Think Tank „Office for Metropolitan Architecture“ (OMA) unter der Leitung von Rem Koolhaas entwickelte Barcode-Kampagne, die vorschlug, die einzelnen Flaggen der unterschiedlichen Nationalstaaten in einem Strichcode zusammenzufassen.

Das Buch ist in zwei Teile gegliedert. Im ersten Teil (S. 11-61) legen die Autorinnen und Autoren theoretische Grundlagen. Sie bieten eine Zusammenfassung der Theorien des Iconic Turn in den Politikwissenschaften sowie eine grundlegende Übersicht über Konzepte der politischen Kommunikation. Abgeschlossen wird dieses Kapitel mit einer Übersicht über bisherige bekannte EU-Imagekampagnen. Den zweiten und größeren Abschnitt des Buches (S. 63-152) machen die Bildanalysen verschiedener beispielhafter Bereiche visueller Repräsentationen aus. Die einzelnen behandelten Topoi sind Landschaft, Architektur, Bürger und Bürgerinnen, Porträt, Familie, Alltag sowie Symbolisieren. Da alle diese Bereiche an dieser Stelle en detail wiederzugeben den Rahmen der Rezension sprengen würde, sollen im folgenden nur die wichtigsten Ergebnisse referiert werden.

Charakteristisch ist etwa die Übertragung von bis dato nationalstaatlich konnotierten Ikonographien und Metaphern auf die europäische Ebene. Beispielsweise beruhten die Visualisierungsstrategien der EU-Beitrittskampagnen Ungarns und der Slowakei auf Darstellungen jeweils „typischer“ nationaler Landschaften. Ebenso wird die etablierte Metapher der „nationalen Familie“ auf die „europäische Familie“ übertragen, etwa bei den „Familienfotos“ aus Anlass von Treffen der Staats- und Regierungschefs. Dies wird als Ambivalenz interpretiert, die sich auch in anderen Bereichen zeigt. So lassen sich Alltagsbilder vor allem national konnotierten Inhalten zuweisen, was die Autorinnen und Autoren allerdings positiv als „Domestizierung“ eines politischen Ideals deuten.

Dieses Spannungsfeld zwischen national und europäisch konnotierten Bildern scheint insgesamt prägend. Das zeigt sich auch, wenn im Kapitel „Symbolisieren“ die Uneinheitlichkeit der europäischen Symbolpolitik aufgezeigt wird. Auf der einen Seite finden sich national geprägte Ratspräsidentschaftslogos, auf der anderen Seite die möglichst pathos-freien paneuropäischen Symbole, wie zum Beispiel die Euro-Banknoten. Die Autorinnen und Autoren kommen dabei zu folgendem Schluss: „Symbolpolitik bzw. der Gebrauch politischer Symbole auf EU-Ebene stellt den Versuch dar, nationalstaatliche und supranationale symbolische Verweise zu verbinden“ (S. 150). Dies ließe sich als Fazit für die EU-europäische Bildpolitik im allgemeinen ziehen.

Mit diesem Band ist es gelungen, eine erste Ordnung in die Vielfalt der unterschiedlichen EU-Bildpolitiken zu bringen. Dabei sollte man keine Publikation endgültigen Charakters erwarten, sondern eine erste fundierte Sammlung. Die genannten Beispiele sind jeweils in einen breiteren historischen wie auch kunsthistorischen Zusammenhang gesetzt, weswegen das Buch sowohl im engeren Bereich der Geschichts- und Politikwissenschaften wie auch für breiter interessierte Leserinnen und Leser seinen Wert besitzt. Besonders das umfangreiche Literaturverzeichnis erleichtert dabei eine weitere und tiefere Beschäftigung mit dem bisher noch nicht zusammenfassend behandelten Thema.

Schließlich bleibt als Kritikpunkt nur ein methodisches Problem anzusprechen. In der Einleitung wird explizit auf die Europäische Union als Topos der besprochenen Bilder verwiesen. Allerdings sind größtenteils Bilder Ausgangspunkt der Besprechungen, die nicht von EU-Institutionen in Auftrag gegeben wurden. Zu Fragen wäre hier in diesem Zusammenhang nach der Direktive zur Konzeption bestimmter Bildmotive, genauso wie nationale und supranationale Urheber sauber getrennt werden müssten, wobei ein solches Unternehmen den Umfang des vorliegenden Buches sicher sprengen würde.

Anmerkungen:
1 Die Autorinnen und Autoren sind alle am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien beschäftigt. Aus diesem Kreis entstammen die bisher umfassendsten Publikationen zum Thema: z.B. der Sammelband einer Ringvorlesung an der Universität Wien im Sommersemester 2005, siehe Vrääth Öhner / Andreas Pibersky / Wolfgang Schmale / Heidemarie Uhl, Europa-Bilder, Innsbruck 2005, darin bes. Heidemarie Uhl, Europa kommunizieren – Europa visualisieren, S. 141-166. Ebenfalls unter der Leitung von Heidemarie Uhl beschäftigte sich das Projekt „Iconclash. Kollektive Bilder und Democratic Governance in Europa“ mit Genese und Verwendung europäischer Icons. Der Abschlussbericht des Projekts ist online einsehbar unter: <http://www.demokratiezentrum.org/fileadmin/media/pdf/iconclash_bericht.pdf> (08.06.2010). Als Einführung in die Thematik kann auch das Online-Modul „Ikonographie EU-Europas“ von P. Mayerhofer dienen, siehe <http://www.demokratiezentrum.org/themen/europa/europaeisches-bildgedaechtnis/eu-europa.html> (08.06.2010).
2 Siehe für einen Abriss der Geschichte Europäischer Symbolik H. Kaelble, European Symbols, 1945-2000: Concept, Meaning and Historical Change, in: Luisa Passerini (Hrsg.), Figures d'Europe. Images and Myths of Europe, Brüssel 2003, S. 47-65, bes. auch die Literaturangaben S. 48, Anm. 2; vgl. die Rezension von Wolfgang Schmale, in: H-Soz-u-Kult, 15.01.2004, <http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2004-1-024> (02.07.2010).

Redaktion
Veröffentlicht am
Autor(en)
Beiträger
Redaktionell betreut durch
Klassifikation
Region(en)
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit
Weitere Informationen
Sprache der Publikation
Sprache der Rezension