Monotheistische Denkfiguren bei den Kirchenvätern. Jahrestagung des AK Patristik 2012

Monotheistische Denkfiguren bei den Kirchenvätern. Jahrestagung des AK Patristik 2012

Organisatoren
Luise Ahmed, Christian Gers-Uphaus, Stefan Klug, Markus Kreye; Seminar für Alte Kirchengeschichte, Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Ort
Münster
Land
Deutschland
Vom - Bis
20.04.2012 - 22.04.2012
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Von
Luise Ahmed, Seminar für Alte Kirchengeschichte, Katholisch-Theologische Fakultät, Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Die Auffassung, dass der größte Vorzug und die Neuheit des Christentums in erster Linie sein monotheistisches Gottesbild ist, gehört elementar zum Selbstverständnis der frühen Christen und spricht aus vielen patristischen Texten. Gleichzeitig ist zu beachten, dass die christliche ‚Ein-Gott-Vorstellung‘ immer auch in Interaktion mit einer nichtchristlichen und zum Teil ebenfalls monotheistisch denkenden Umwelt steht, also kein in sich geschlossenes und abgegrenztes System darstellt. Der antike Monotheismus muss dagegen als ein Diskussionsfeld verstanden werden, innerhalb dessen sich verschiedene Zentren ausmachen lassen. Darauf wies CHRISTIAN GERS-UPHAUS zu Beginn der Tagung hin. Jüdischer, paganer und christlicher Monotheismus, Monolatrie und Henotheismus, antike Kultpraxis und intellektueller Diskurs seien Begriffe bzw. Gegebenheiten, die in diesem Feld zu beachten seien.

Im Eröffnungsvortrag problematisierte ALFONS FÜRST (Münster) den Begriff Monotheismus als allzu sehr klassifizierend, den Blick auf die Lebenswirklichkeit der Antike eher verstellend. Als Alternative schlug er vor, stattdessen über die Rhetorik des Monotheismus zu reden, monotheistische Denkfiguren also als Argumente zu betrachten, die je eine bestimmte Position plausibel machen sollen. Dies demonstrierte er an Fallstudien bei Minucius Felix, Cicero und Plutarch: Alle drei Autoren schrieben eine Philosophiegeschichte auf der Grundlage (nahezu) derselben Autoritäten, ihr Grundanliegen sei aber je ein anderes, nämlich der christliche Monotheismus, die akademische Skepsis bzw. der weltanschauliche Dualismus.

Das Thema des paganen Monotheismus wurde von den beiden ersten Referentinnen aufgegriffen. SARA STÖCKLIN-KALDEWEY (Basel) vertrat die These, dass monotheistische Denkfiguren bei Kaiser Julian nicht – wie oft behauptet – zentral gewesen seien, sondern ihm im Gegenteil der Erhalt der traditionellen polytheistischen Formen, auch in Abgrenzung zum Christentum, ein Anliegen war. In seinem dreistufigen Göttermodell spielten insbesondere die noerischen, subjekthaften Götter eine zentrale Rolle, deren Verschiedenheit untereinander Julian durch die Behauptung ihrer Individualität, Hierarchie und Aufgabenteilung sichere. NICOLA HÖMKE (Berlin) warnte davor, von theologischen Aussagen in den Schriften des Ausonius auf dessen persönliche Religiosität schließen zu wollen. Dass man bei ihm polytheistische, unbestimmt monotheistische und dezidiert christliche Elemente finde, hänge ganz vom jeweiligen Sprechkontext und der Textgattung ab.

Dezidiert christlichen Texten wandten sich die vier darauf folgenden Referenten zu. CHRISTIAN MÜLLER (Erlangen) machte sich auf die Suche nach monotheistischen Denkfiguren in den Märtyrerakten. Unter anderem stellte er fest, dass Monotheismus nicht immer ein Thema sei und entweder dann zur Sprache komme, wenn Gott explizit als einer benannt oder durch die Abgrenzung von mehreren Göttern die Existenz eines einzigen impliziert werde. In dem Grundschema der dialogischen Akten (Frage: „Bist du Christ?“ – Antwort: „Ja.“) spiele das Thema Monotheismus jedenfalls keine Rolle. ANDREA VILLANI (Göttingen) stellte bei der Untersuchung einiger Argumentationsgänge Tertullians fest, dass der Kirchenvater im Hinblick auf dieses Thema zwar grundsätzlich an den Vorgaben des Glaubensbekenntnisses festhalte, seine Denkfiguren dazu aber immer an die jeweiligen Adressaten anpasse. So lege er in der Diskussion mit paganen Gegnern Wert auf das Zeugnis der Seele für den einen Gott, im Streit mit Markion und Hermogenes auf die Einheit des einen Gottes und in der Auseinandersetzung mit Praxeas auf die Vereinbarkeit von trinitarischem und monotheistischem Denken. CHRISTOPH BRUNS (Freiburg im Breisgau) beschäftigte sich mit dem Kernproblem des christlichen Monotheismus und seiner Lösung bei Origenes. Unter Rekurs auf Contra Celsum, den Johanneskommentar und das Gespräch mit Bischof Herakleides vertrat er die These, Origenes nehme zur Beschreibung des göttlichen Vater-Sohn-Verhältnisses das platonische ontologische Stufenmodell zur Hilfe, um die Eigenständigkeit beider zu sichern, begreife ihre Einheit aber biblisch inspiriert – der Sache nach ganz nizänisch – als wesenhaft. Der Grund dieser Wesenseinheit sowie der Göttlichkeit des Sohnes liege in der ersten Hypostase, der des Vaters. MARTIN MAYERHOFER (Wien) machte sich auf die Suche nach monotheistisch geprägten Themen bei Basilius von Caesarea. Dabei berichtete er von Auseinandersetzungen mit paganer Frömmigkeit innerhalb und außerhalb der Gemeinde sowie von innerchristlichen, trinitarischen Streitigkeiten. Schließlich stellte er dar, wie Basilius die ethische Forderung nach einem einfachen Leben über den Gedanken der Gottesebenbildlichkeit von der Vorstellung eines einfachen Gottes ableite.

Zentrale, übergeordnete Fragen kamen in der Abschlussdiskussion zur Sprache: Ist die Unterscheidung zwischen Polytheismus und Monotheismus angemessen? Was für Alternativen gibt es? Wie verhalten sich Rhetorik und Logik bzw. Wahrheit des Monotheismus zueinander? Inwiefern sind monotheistische Denkfiguren interessiert an der Theodizee? Bedeutet Christ sein in der Antike vor allem, ein Monotheist zu sein? Inwiefern gibt es einen Zusammenhang zwischen monotheistischen Denkfiguren und der Ethik bzw. sozialen Strukturen? Diese Fragen wurden gestellt und besprochen, aber (selbstverständlich) nicht abschließend beantwortet.

Konferenzübersicht:

Begrüßung und Einführung: Christian Gers-Uphaus (Münster)

Alfons Fürst (Münster): Die Rhetorik des Monotheismus im Römischen Reich

Sara Stöcklin-Kaldewey (Basel): Göttliche Hierarchie und Aufgabenteilung bei Kaiser Julian

Nicola Hömke (Berlin): Ianus, Annus und Sol oder aeternus omnium genitor? Vorstellungen vom Göttlichen in den Precationes variae und der Gratiarum actio des Ausonius

Christian Müller (Erlangen): Aggressiver Polytheismus? – Monotheismus als (k)ein Thema in christlichen Märtyrerakten

Andrea Villani (Göttingen): Tertullianische Variationen zum Thema Monotheismus

Christoph Bruns (Freiburg im Breisgau): Überlegungen zum Subordinatianismus in der Trinitätslehre des Origenes ausgehend von seiner Deutung der Einheit von Vater und Sohn

Martin Mayerhofer (Wien): Vom christlichen Monotheismus zum monotropen Christen. Monotheistisch geprägte Denkfiguren bei Basilius von Cäsarea

Diskussionsleitung: Luise Ahmed (Münster), Christian Gers-Uphaus


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Deutsch
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