Späthumanismus - reformierte Konfessionalisierung - politische Formierung. Kulturelle, religiöse und politische Beziehungen zwischen Schlesien und dem deutschen Südwesten um 1600

Späthumanismus - reformierte Konfessionalisierung - politische Formierung. Kulturelle, religiöse und politische Beziehungen zwischen Schlesien und dem deutschen Südwesten um 1600

Organisatoren
Prof. Dr. Joachim Bahlcke; Prof. Dr. Hans-Peter Becht; Dr. Albrecht Ernst; Lehrstuhl für Geschichte der Frühen Neuzeit am Historischen Institut der Universität Stuttgart; Stadtarchiv Pforzheim; Hauptstaatsarchiv Stuttgart
Ort
Pforzheim
Land
Deutschland
Vom - Bis
21.09.2011 - 23.09.2011
Url der Konferenzwebsite
Von
Elzbieta Hajizadeh-Armaki, Historisches Institut, Universität Stuttgart

Im Mittelpunkt der vom 21. bis 23. September 2011 im Reuchlinhaus Pforzheim organisierten Tagung „Späthumanismus – reformierte Konfessionalisierung – politische Formierung“ standen die Auswirkungen des religiösen Wandels 1560-1650 auf Gesellschaft, Politik und Kultur in Schlesien und Südwestdeutschland. Die interdisziplinär angelegte Konferenz, an der Theologen, Literaturwissenschaftler, Historiker und Kirchenhistoriker, darunter Spezialisten für Bildungs-, Migrations- und Landesgeschichte aus Deutschland, Polen und Tschechien teilnahmen, wurde von Joachim Bahlcke (Universität Stuttgart) und Albrecht Ernst (Hauptstaatsarchiv Stuttgart) konzipiert und in Kooperation mit Hans-Peter Becht (Stadtarchiv Pforzheim) durchgeführt. Ziel der Tagung war die Untersuchung der Transferbewegungen sowie der politischen und religiösen Kommunikationswege zwischen Schlesien und dem südwestdeutschen Kulturraum, insbesondere der Kurpfalz. Im Zentrum des Pforzheimer Kolloquiums standen vor allem schlesische Theologen, Universitätsprofessoren, Studenten und Pfarrer. Diese Tagung leistete einen wichtigen Beitrag zur Kultur-, Bildungs- und Kirchengeschichte: Wechselwirkungen auf literarischer Ebene wurden in den Referaten anhand von Fallbeispielen aufgezeigt, die Kontakte, Verbindungen und Einflüsse schlesischer intellektueller Kreise zum deutschen Südwesten bilanziert.

In der thematischen Einführung verglich JOACHIM BAHLCKE (Stuttgart) das Europa um 1500, in dem der deutsche Humanist Johannes Reuchlin in Pforzheim lebte und wirkte, mit Rahmenbedingungen und Strukturen um 1600. Vergleichbare Prozesse, Veränderungen und Neuerungen hätten sich territorial gesehen mit unterschiedlicher Dynamik und Intensität vollzogen. Der optimistischen Einstellung der Humanisten stand ein Jahrhundert später „das Bewusstsein einer tiefen politischen und religiösen Krise“ gegenüber, als die „Konfessionsfrage“ zur „Machtfrage“ wurde, aber auch erste irenische Bemühungen umgesetzt werden konnten. Im Überblick über den bisherigen Forschungsstand wurde auf „Ungleichgewichte“ und „Umbrüche“ in der Historiographie verwiesen, darauf, dass viele Kirchenarchivalien und Quellen zur Adelsgeschichte sowie große Bestände der öffentlichen Bibliotheken und privaten Büchersammlungen im östlichen Europa im Zweiten Weltkrieg verlorengingen. Auch nach 1945 sei die Vermittlung historischer Erkenntnisse lückenhaft gewesen. Aus diesen Gründen müsse vieles in der Transfergeschichte „eine Spurensuche“ bleiben.

Die erste Sektion der Tagung zu Kommunikation zwischen Schlesien und dem deutschen Südwesten begann mit einem Vortrag von KLAUS GARBER (Osnabrück), der auf die Bedeutung von Luthertum und Calvinismus für den Späthumanismus aufmerksam machte. Die Periode um 1600 deutete er als „eine unterschätzte Zeit“ in der europäischen Literaturgeschichte. In seinen Ausführungen ging er der Frage nach, ob Schlesien und die Pfalz eine Sonderstellung im deutschen Sprachraum einnehmen sollten. Beide Territorien seien „Hochburgen“ des Späthumanismus, im Vergleich zu Nachbarregionen stünden sie singulär da. Die weite Streuung der intellektuellen Kreise in Schlesien, mit ihren Gymnasien in Liegnitz, Brieg, Breslau und Beuthen/Oder an der Spitze wurde mit der Zentralisierung der Bildungslandschaften in der Pfalz durch die Universität Heidelberg verglichen. GABRIELA WĄS (Breslau/Wrocław) wandte sich kulturellen Verbindungen schlesischer emigrierter Hochschullehrer, Hofprediger, Pfarrer und Studenten zu den pfälzischen intellektuellen Kreisen zu, mit dem Ziel sie innerhalb der europäischen Bildungszentren einzuordnen. Unter den Motiven der Übersiedlung der Schlesier in die Pfalz wurden finanzielle Gründe und Karrieregründe genannt. Über deren Tätigkeitsfelder lässt sich sagen, dass sie Beschäftigung als Professoren an der Universität Heidelberg fanden oder als Lehrer an den mittleren Schulen arbeiteten, als Hofprediger sowie Prinzenerzieher Hofämter bekleideten oder als Pfarrer tätig waren.

Mit der Beschreibung des Herzogtums Schlesien durch den Ulmer Schriftsteller Martin Zeiller setzte sich SABINE HOLTZ (Tübingen) auseinander. In der Publikation „Topographia Bohemiae, Moraviae et Silesiae“ finden sich etymologische Herleitungen der Ortsnamen, Informationen über die Gründung und die geografische Lage. Angaben zu kirchlichen und weltlichen Gebäuden wurden gemacht und kulturelle Errungenschaften wie Schulen und Bibliotheken hervorgehoben. Zu den Städten, die einen ausführlichen Eingang in das Werk gefunden hätten, zähle mit 7,5 Seiten Breslau. Der Autor habe Literaturangaben angefügt und Aktualität angestrebt. Die „Peregrinatio academica“ war seit der Mitte des 16. Jahrhunderts ein fester Bestandteil schlesischer Ausbildung, wie WOJCIECH MROZOWICZ (Breslau/Wrocław) im Anschluss feststellte. Anhand von zwei Reiseberichten thematisierte er die Wahrnehmung des deutschen Südwestens durch schlesische Adlige und Bürger. Der aus Oels gebürtige württembergische Kanzler Johann Hubrig unternahm eine zweijährige Reise durch Europa. In seinem Reisebericht fänden sich Angaben zu Stadtwappen, Informationen über besuchte Gaststätten und „eigenartige“ Gebäude. Auch der Breslauer Physicus Philipp Jakob Sachs von Löwenheim verfasste einen Reisebericht über seine vier Jahre dauernde Bildungsreise durch Europa. Das Reisetagebuch enthalte allerdings nur wenige Informationen über bereiste südwestdeutsche Städte.

MATTHIAS ASCHE (Tübingen) richtete das Augenmerk auf diejenigen schlesischen Professoren und Studenten, die an den südwestdeutschen Universitäten oder Akademien gewirkt hatten. Die Bildungslage in Schlesien zwang schlesische Adlige und wohlhabende Breslauer Bürgersöhne zu „exponierten Protagonisten und Multiplikatoren eines Kultur- und Wissenstransferprozesses“ zu werden. Zahlreiche schlesische Studenten in Heidelberg und Straßburg sowie viele gebürtige Schlesier unter den Heidelberger Professoren hätten zuerst in Wittenberg oder Leipzig Theologie studiert. Hauptgründe für die Wahl eines Studienorts in Südwestdeutschland seien „Säuberungswellen“ innerhalb der sächsischen Pastorenschaft sowie familiäre Bindungen gewesen. Politische Verknüpfungen und dynastische Beziehungen zwischen den frühneuzeitlichen Piasten und dem württembergischen sowie pfälzischen Hof skizzierte im Anschluss MAXIMILIAN EIDEN (Görlitz). Der Vortrag konzentrierte sich auf die Liegnitz-Brieger Linie der schlesischen Piasten mit Johann Christian von Brieg, der 1619 die böhmische Konföderationsakte unterschrieb und nach der Absetzung Ferdinands II. die Wahl des Calvinisten Friedrich V. von der Pfalz zum böhmischen König unterstützte. Am Beispiel des calvinistischen Hofs in Brieg und Liegnitz konnte überdies die Struktur eines führenden Hofs in Schlesien beleuchtet werden.

Auf Kulturtransferprozesse zwischen Schlesien und der Kurpfalz ging AXEL E. WALTER (Osnabrück-Memel/Klaipeda) ein, der Georg Michael Lingelsheim vorstellte. Die kulturgeschichtliche Bedeutung Lingelsheims liege weder in seiner „politischen Amtstätigkeit“ noch in seinen Schriften, sondern im Briefwechsel mit evangelischen europäischen Gelehrten. Die Korrespondenz, in der er häufig eine „antikatholische Haltung“ einnehme, enthalte auch persönliche Mitteilungen. Die Schwerpunkte seines Korrespondentennetzwerks lagen in Basel, Paris und Leiden, mit schlesischen Intellektuellen wie Kaspar Dornau stand er nur im sporadischen Briefkontakt. Durch die schriftliche Kommunikation zwischen Lingelsheim und dem Barockdichter Martin Opitz, von der 16 Briefe erhalten seien, wurde auf das nächste Thema verwiesen: Opitz‘ Biographie beleuchtete WOLFGANG KESSLER (Herne). Der schlesische Dichter verdiente sich seinen Lebensunterhalt als Hauslehrer bei adligen Familien: Kaspar Dornau sei wohl derjenige, der ihn in die Heidelberger Kreise einführte, wo er 1619 eine Stellung als Erzieher im Haus Lingelsheims übernahm. In der pfälzischen Residenzstadt habe er zwar „literarischen Erfolg“ erfahren, aber keine Anstellung am Hof gefunden, die seine finanzielle Lage sichern konnte. Über Heidelberger Verbindungen baute er dennoch Kontakte zum Gelehrtenkreis in Straßburg, Leiden und Paris auf.

Ausgewählte literarische Zeugnisse schlesisch-kurpfälzischer Familie Pareus standen im Mittelpunkt des Vortrags von ROBERT SEIDEL (Frankfurt am Main). Die Lyriksammlung „Musae Fugitivae“ umfasst lateinische Gedichte des Herausgebers Johann Philipp Pareus und seines Vaters David. Im Eröffnungstext, einem Reisegedicht, beschreibt David Pareus seine vierwöchige Reise von Schlesien in die Kurpfalz. Die Darstellung weist eine antikatholische Tendenz auf: Während der Verfasser Prag recht positiv charakterisiert, findet er an katholischen Bräuchen in Pilsen keinen Gefallen. Die Wahrnehmung der schlesischen Heimat des Dichters mit den winterlichen Hindernissen wie die ausführliche Unwetterschilderung in Pilsen erwecke beim Leser den Eindruck, als sei jene Zone durch den Katholizismus „beeinflusst“ worden. Am Zielort jedoch, im „konfessionell sicheren Gebiet“ Amberg, gab es keine Reisebeschwerlichkeiten mehr. Diese lyrische Beschreibung David Pareus’ wurde im Anschluss mit den Angaben im biographischen Prosatext seines Sohnes Johann Philipp verglichen.

Die Sektion Religion eröffnete TOBIAS SARX (Marburg), der die schlesische Bildungselite am fürstlichen Hof und im Kirchenrat der Kurpfalz unter dem Aspekt ihres Einflusses auf die reformierte Bekenntnisbildung betrachtete. Prozentual gesehen sei der Anteil der Schlesier bis Ende des 16. Jahrhunderts nicht hoch gewesen, allerdings wurden sie in „Schlüsselpositionen“ eingesetzt. Wären schlesische reformierte Führungspersonen wie etwa der Professor für Theologie und Vorsteher des Heidelberger Sapienzkollegs Zacharias Ursinus keine Mitglieder des Kirchenrats gewesen, hätten sie wenig Einfluss auf die Umsetzung der reformierten Glaubensnormen gehabt. Indem gebürtige Schlesier wie der Rektor des Pädagogiums in Amberg und anschließend in Heidelberg, Christoph Schilling, neue Lehrkräfte aussuchten, konnten sie Anteil an der reformierten Konfessionalisierung nehmen. Am Beispiel des Theologen Quirin Reuter nahm im Anschluss ALBRECHT ERNST (Stuttgart) die zwischen 1580 und 1620 im kurpfälzischen Kirchendienst tätigen Schlesier in den Blick. Bekanntlich hätten Schlesier eine wichtige Rolle in der kurpfälzischen Landeskirche gespielt: Aus ihren Reihen seien Rektoren pfälzischer Lateinschulen, Hofkapläne und -prediger, theologische Kirchenräte und -ratsassessoren hervorgegangen. Die schlesische Pfarrerschaft vertrat „eine bewusste reformierte Frömmigkeit“ und unterhielt ein gut funktionierendes Netzwerk mit Verbindungen in die Heimat. Der gebürtige Mosbacher Theologe Quirin Reuter habe als Erzieher im Hause des Humanisten Andreas Dudith zwei „prägende“ Jahre in Breslau verbracht. Als Editor brachte er Dudiths Konzilreden und theologische Werke des Zacharias Ursinus heraus.

Mit wenig erforschten und vermutlich auch geringen reformierten Einflüssen aus Südwestdeutschland auf die schlesische Bildungslandschaft setzte sich ULRICH SCHMILEWSKI (Würzburg) auseinander. Im 16. Jahrhundert gab es in Schlesien neben den gehobenen Lateinschulen mit dem bildungspolitischen Zusammenwirken von Pfarrer, Rektor und Stadtrat auch zwei fürstliche Schulgründungen in Brieg und Oels. Das 1602 in Beuthen/Oder gegründete Schönaichianum, dessen Leitung 1606 Adam Liebig aus Goldberg übernahm, habe sich zu einer Stätte reformierter Bildungsbestrebungen entwickelt. Auffällig sei die Professur für Sitte, bei deren Inhaber die Verantwortung für die „Sozialisation“ der Schüler aus niederen Ständen lag. Den dogmatischen Grundlagen der Lehre Kaspar von Schwenckfelds und ihrem Einfluss auf Südwestdeutschland ging PAUL WARMBRUNN (Speyer) nach. Dieser niederschlesische Reformator war eine treibende Kraft bei der Einführung der Reformation in Schlesien, dessen neues Abendmahlsverständnis aber zuerst mit Missbilligung zur Kenntnis genommen wurde. Die schwenckfeldische Lehre gründe sich auf ältere Mystik und lehne die Kindstaufe ab. Speyrer Schwenckfeldianer, die unter bischöflicher Protektion Marquard von Hattsteins standen, trafen sich seit 1534 in Konventikeln. Nach Schwenckfelds Tod bildeten seine Anhänger in weiteren Reichsstädten Südwestdeutschlands Lesegemeinschaften.

JOACHIM BAHLCKE (Stuttgart) widmete sich politischen Aspekten der Biographie und des Wirkens des Theologen Abraham Scultetus, der zwei Jahrzehnte lang im kurpfälzischen Dienst tätig gewesen war und einen großen Anteil an der „Festigung und Mobilisierung des reformierten Lagers“ Mitteleuropas hatte. Scultetus konnte durch seine Hofpredigertätigkeit in Heidelberg und die daraus resultierende Nähe zum Fürstenhaus politischen Einfluss erlangen und an weltlichen Entscheidungen mitwirken. In der zeitgenössischen Publizistik und in der Forschung herrsche jedoch keine Einigkeit über seine Rolle zum Ausbruch des Dreißigjährigen Kriegs. Besonders hervorzuheben sei die „Reisediplomatie“ des gebürtigen Schlesiers: Die große Mobilität der Reformierten sei als Folge der Verfolgungen anzusehen. Als Beispiel für die „kulturelle Dimension im vorpolitischen Raum“ wurde auf das Stipendienwesen verwiesen. Diplomatische Beziehungen zwischen der Oberpfalz und Südböhmen während des Zwists unter den Habsburgern Rudolf II. und Matthias thematisierte VÁCLAV BŮŽEK (Budweis/České Budĕjovice). Im Spannungsfeld von Kommunikation und Mobilisierung skizzierte er Verbindungen zwischen dem in Amberg residierenden Statthalter des Kurfürsten von der Pfalz, Christian I. von Anhalt-Bernburg, und dem südböhmischen Magnaten Peter Wok von Rosenberg, der in Wittingau seinen Sitz hatte. An den Verhandlungen und Treffen auf dem Schloss Wittingau, die dem Austausch von Informationen über politische Entwicklungen dienten, nahmen auch andere Diplomaten und Politiker teil. Eine Verbindungsperson zur Pfalz war der Sekretär Peter Woks, Theobald Hock, der von Christian I. den Auftrag erhielt, die antihabsburgische Opposition für die Gründung einer protestantischen Union zu gewinnen. Die Figur Christians I. von Anhalt-Bernburg und seine Rolle bei den Unionsbildungen stellte anschließend ROLAND GEHRKE (Stuttgart) vor. Als Form „eines grassierenden Realitätsverlusts“ sei in der Forschung Christians Bestreben interpretiert worden, für Friedrich V. von der Pfalz die böhmische Krone zu erringen. Im Mittelpunkt des 1595 in pfälzische Dienste eingetretenen Christians habe nicht das Oderland gestanden, sondern die reformierten Reichsstände. Der Unionsvertrag von 1608 stellte jedoch nur einen ersten Schritt in der protestantischen Allianzbildung dar, da er weitere Reichsstände anzuschließen und ein Gesandtschaftswesen aufzubauen gedachte.

Anhand von Breslauer Kleinschriften untersuchte ARMIN SCHLECHTER (Speyer) die zeitgenössische schlesische Wahrnehmung des „böhmischen Abenteuers“ Friedrichs V. von der Pfalz. Zahlreiche Panegyriken der Jahre 1619-1621 thematisierten die Königswahl Friedrichs V. sowie seine Regentschaft in Böhmen und wurden in Breslau hergestellt. Gelehrte wie Thomas Sagittarius sowie Lehrer wie David Ficherus verfassten Dichtungen auf den „Friedensfürsten“. Aus der Sicht des Pfarrers Zacharias Heermann sei der böhmische König als von Gott gegebener Herrscher anzusehen. Der „populärste und nachgefragteste“ Druck war eine 1619 anonym in Breslau in zwei Ausgaben publizierte Sammlung der Prophezeiungen. Neben dem üblichen Topos des Herrscherlobs wurde vermutlich Ende 1620 ein Spottblatt gedruckt, was einen „Umschwung“ in der zeitgenössischen Wahrnehmung darstelle.

In der Gesamtschau zeichnete die Pforzheimer Tagung, deren Beiträge im fünften Band der Reihe „Pforzheimer Gespräche“ erscheinen werden, ein facettenreiches Bild der schlesisch-südwestdeutschen Beziehungen zur Zeit der Konfessionalisierung und politischen Formierung um 1600. Den Veranstaltern und Teilnehmern gelang es, ein breites Spektrum an aktuellen Forschungen zu den Kulturtransferprozessen, sozialen Netzwerken und politischen Verbindungen zwischen Schlesien und dem deutschen Südwesten aus interdisziplinärer Perspektive zu präsentieren. Die Rolle der schlesischen Bildungselite bei der reformierten Bekenntnisbildung in der Pfalz einerseits und die Einflüsse aus Südwestdeutschland auf die schlesische Kultur- und Bildungslandschaft andererseits wurden besonders hervorgehoben. Anhand von literarischen Zeugnissen konnten die Wahrnehmung des deutschen Südwestens sowie die Rezeption bedeutender politischer Ereignisse durch schlesische Autoren und die Darstellung Schlesiens durch südwestdeutsche Literaten aufgezeigt werden.

Konferenzübersicht:

Gert Hager (Oberbürgermeister von Pforzheim): Begrüßung der Teilnehmer
Joachim Bahlcke (Stuttgart): Thematische Einführung

Sektion 1: Raum und Kommunikation

Klaus Garber (Osnabrück): Schlesisch-pfälzischer Brückenschlag um 1600 im Zeichen von Späthumanismus und Konfessionalismus

Gabriela Wąs (Breslau/Wrocław): Die Beziehungen von Schlesiern zu südwestdeutschen Territorien im Vergleich mit anderen geographisch-kulturellen Richtungen schlesischer intellektueller Kreise in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts

Sabine Holtz (Tübingen): Die Beschreibung des Herzogtums Schlesien durch Martin Zeiller (1650)

Wojciech Mrozowicz (Breslau/Wrocław): Der deutsche Südwesten in Reiseberichten schlesischer Adeliger und Bürger zwischen Reformation und Dreißigjährigem Krieg

Sektion 2: Kulturelle Dimension

Matthias Asche (Tübingen): Schlesische Studenten und Professoren an südwestdeutschen Universitäten im Konfessionellen Zeitalter (1550-1620)

Maximilian Eiden (Görlitz): Dynastische und kulturelle Verbindungen der schlesischer Piastenhöfe zum deutschen Südwesten um 1600

Axel E. Walter (Osnabrück-Memel/Klaipeda): Georg Michael Lingelsheim – eine Zentralgestalt des Heidelberger Späthumanismus im Kräftefeld kurpfälzisch-schlesischer Kulturtransferprozesse

Wolfgang Kessler (Herne): Schlesisch-pfälzische Wechselbeziehungen an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert am Beispiel von Martin Opitz

Robert Seidel (Frankfurt am Main): Die schlesisch-kurpfälzische Gelehrtendynastie der Parei (David Pareus, Johann Philipp Pareus, Daniel Pareus) und ihre Kontakte in das reformierte Schlesien. Literaturwissenschaftliche Perspektiven auf ein Thema der frühneuzeitlichen Kulturgeschichte

Sektion 3: Religiöse Dimension

Tobias Sarx (Marburg): Der Anteil von Schlesiern an der reformierten Bekenntnisbildung in der Kurpfalz (1560-1620)

Albrecht Ernst (Stuttgart): Schlesier im Kirchendienst südwestdeutscher Territorien – das Beispiel des kurpfälzischen Theologen Quirin Reuter (1558-1613)

Ulrich Schmilewski (Würzburg): Reformierte Einflüsse aus Südwestdeutschland auf das schlesische Bildungswesen – eine Spurensuche

Paul Warmbrunn (Speyer): Der schlesische Reformator Kaspar von Schwenckfeld und der Einfluss seiner Lehre auf die Territorien des deutschen Südwestens

Sektion 4: Politische Dimension

Joachim Bahlcke (Stuttgart): Religiöse Kommunikation und politische Lagerbildung. Die Bedeutung von Abraham Scultetus für die Beziehungen zwischen Schlesien und der Kurpfalz um 1600

Václav Bůžek (Budweis/České Budějovice): Zwischen Amberg und Wittingau. Politische Außenbeziehungen Böhmens zur Zeit des Bruderzwistes im Hause Habsburg

Roland Gehrke (Stuttgart): Politische Allianz und religiöse Gruppenbildung: Christian I. von Anhalt-Bernburg

Armin Schlechter (Heidelberg): Das „böhmische Abenteuer“ Kurfürst Friedrichs V. von der Pfalz in zeitgenössischen Breslauer Drucken