Monarchs and Religious Confraternities

Monarchs and Religious Confraternities

Organisatoren
Wolfram Drews, Exzellenzcluster „Religion und Politik“, Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Ort
Münster
Land
Deutschland
Vom - Bis
06.11.2014 - 08.11.2014
Url der Konferenzwebsite
Von
Tobias Hoffmann/Nadeem Khan, Exzellenzcluster „Religion und Politik“, Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Vom 6. bis 8. November 2014 fand in Münster unter der Leitung von Wolfram Drews im Rahmen des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ ein internationaler Workshop zum Thema „Monarchs and Religious Confraternities“ statt. Vertreter verschiedener Fachrichtungen diskutierten auf einer breiten chronologischen wie räumlichen Grundlage über Formen und Funktionen religiöser Vergemeinschaftung und fragten etwa, welche religiösen Traditionen und Potentiale in bestimmten historischen Kontexten nutzbar gemacht wurden. Dabei gingen sie den Fragen nach, welche symbolischen Formen und institutionellen Mechanismen Herrscher für ihre Zwecke instrumentalisierten, aber auch welche Interessen Amtsträger und Untertanen dazu veranlassten, sich mit einem Herrscher in einer engeren, vornehmlich religiös definierten Gemeinschaft zu verbinden.

BRIGITTE LE GUEN (Paris) widmete sich in ihrem Vortrag den technitai – Dionysos kultisch verehrenden Künstlergemeinschaften, die sich ab dem 4. Jahrhundert v. Chr. im hellenistischen Raum ausbreiteten. Sie bestanden ausschließlich aus freien Männern mit beruflicher Expertise im Bereich der Musik bzw. des Theaters. Le Guen machte anhand des Beispiels Ägypten auf enge Verflechtungen zwischen den Ptolemäern und den dortigen Gemeinschaften aufmerksam, die einerseits der Sicherung der ptolemäischen Herrschaft dienten, andererseits aber auch den technitai Vorteile (Privilegien, Schutz, Auftrittmöglichkeiten usw.) einbrachten. Die Ptolemäer leiteten ihre eigene Abstammung von Dionysos her, behaupteten außerdem eine Kontinuität zu Alexander dem Großen und sahen sich als Verkörperung des Dionysos, womit die technitai zu Trägern des Herrscherkultes avancierten.

CLAUDIA RAPP (Wien) blickte in ihrem Vortrag „von unten“ auf das Phänomen der rituellen Verbrüderung (adelphopoiesis) in Byzanz. Diese sei als dritte außerfamiliäre Bindung neben Ehe und Taufpatenschaft zu sehen, wobei nur Ehe und Taufpatenschaft rechtlich anerkannt waren, rituell von der Kirche vollzogen wurden und erbrechtliche Konsequenzen sowie – im Fall der Patenschaft – Eheverbote nach sich zogen. Rapp wandte sich gegen die Deutung der Verbrüderung als einer geduldeten institutionalisierten Form gleichgeschlechtlicher Beziehungen und vermutete den Ursprung der adelphopoiesis in mönchischen Bußritualen, untermauert dadurch, dass die rituelle Verbrüderung ursprünglich nur unter Mönchen üblich war und sich erst im Laufe der Zeit auch unter Laien verbreitete. Aus der Verbrüderung unter Laien entwickelten sich wiederum unterschiedliche Arten von religiösen Bruderschaften, die sich etwa dem gemeinsamen Beten und Büßen oder dem Totengedächtnis für verstorbene Brüder verschrieben.

Mit dem Thema ritueller Verbrüderung im byzantinischen Kulturkreis beschäftigte sich im folgenden Vortrag auch GEORGES SIDÉRIS (Paris), wobei dieser seine Aufmerksamkeit insbesondere auf weltliche und religiöse Eliten richtete. Hochrangige Personen strebten nach ritueller Verbrüderung mit als heilig geltenden Männern, um sich ihrer Vermittlung bei Gott zu versichern. Welche Konflikte dies für den Heiligen, aber auch für dessen Hagiographen mit sich bringen konnte, legte Sidéris am Beispiel verschiedener Heiligenviten des Johannes Eleemosynarius dar. Zudem sprach Sidéris rituelle Verbindungen von Frauen an, die grundsätzlich derselben Logik folgten, welche bei rituellen Verbrüderungen galt. Rituelle Verbrüderungen und Verschwesterungen, betonte Sidéris, konnte es nur unter Gleichen geben.

W. MARK ORMROD (York) behandelte in seinem Beitrag die Frühphase des vom englischen König Edward III. gegründeten Hosenbandordens. In vier Schritten stellte er die grundlegenden Charakteristika des Ordens dar (foundation, membership, rituals/institutions, performance), wobei er die Bedeutung des religiösen Charakters der Stiftung herausstrich, was sie von dem letztlich nicht weiter verfolgten Vorhaben der Gründung einer ritterlichen Gemeinschaft nach dem literarischen Vorbild der Artussage unterschied. Der religiöse Charakter des Hosenbandordens zeige sich durch die Schaffung dem Orden zugeordneter religiöser Institutionen sowie der zentralen Bedeutung religiöser Rituale und nicht zuletzt einer Reihe religiöser Stiftungen. Auch bei der Gründung des Ordens selbst, so Ormrod, waren neben machtpolitischen Absichten religiöse Motive maßgeblich: Der Ausbruch der Großen Pest im Sommer 1348, als göttliche Strafe verstanden, verlangte verstärkt nach Buße.

JESÚS RODRÍGUEZ-VELASCO (New York) nahm verschiedene Aspekte des Rittertums auf der Iberischen Halbinsel in den Blick. Durch die erstmalig erfolgte rechtliche Fixierung des Rittertums in den Siete Partidas des kastilischen Königs Alfonso X. schuf dieser Anreize für die urbane Ritterschaft (ricos omes), als Gegengewicht zum baronalen Adel zu fungieren. Sein späterer Nachfolger Alfonso XI. gründete 1330 mit dem Orden de la Banda den ersten höfischen Ritterorden, der eher als Instrumentarium für Zugriff und Kontrolle des Herrschers denn als eine Maßnahme zur Förderung ritterlicher Tugenden – wie es die Gründungsstatuten betonten – zu sehen ist, und der zugleich Vorbild für weitere Ordensgründungen wurde.

Einen Blick in das gemeinschaftliche Leben des Ordens vom Goldenen Vlies machte SONJA DÜNNEBEIL (Wien) in einem Beitrag möglich, der sich, nachdem er eingangs über den Gründungszusammenhang und die weitere Entwicklung des Ordens referierte, auf die Bedeutung der religiösen Aspekte des Ordens fokussierte. Religiöse Rituale waren, so Dünnebeil, im Ordensleben stets mit repräsentativen Absichten verknüpft und daher immer zugleich politisch. So gab sich die Rangordnung etwa während religiöser Prozessionen oder durch die Sitzordnung in der Kirche symbolisch zu erkennen. Darüber hinaus übernahm der Orden Fürsorgefunktionen, die dem religiösen Bereich zugeordnet waren.

NADEEM KHAN (Münster) referierte zu dem Zengidenherrscher Nūr ad-Dīn, wobei er zum einen dessen Rolle als Vorkämpfer der Sunniten gegen die Teilnehmer des Zweiten Kreuzzugs sowie gegen die schiitische Vorherrschaft in der Levante und zum anderen sein Agieren als freigiebiger Stifter und Förderer sunnitischer Einrichtungen in den Blick nahm. Khan zeigte auf, dass Nūr ad-Dīns gegen Kreuzfahrer und Schiiten gerichtete, religiös legitimierte Politik insbesondere im Konflikt mit anderen sunnitischen Herrschern einen realpolitischen Nutzen für den Zengiden darstellte. Auch im Bereich der Stiftungspolitik – insbesondere unter der Fragestellung, welche sunnitischen Gruppierungen unterstützt wurden – seien realpolitische Motive zu vermuten. Am Beispiel Ibn ʿAsākirs verdeutlichte Khan, dass von Nūr ad-Dīn unterstützte Gelehrte in ihren Schriften die Politik des Herrschers mit religiösen Argumenten unterstützten. Gleichwohl sei Nūr ad-Dīn neben politischen Intentionen auch eine fromme Absicht zu unterstellen.

COLIN MITCHELL (Halifax) befasste sich in seinem Vortrag mit Beziehungen zwischen osmanischen Herrschern und sufistischen Bruderschaften im 15. Jahrhundert. Nach einem einführenden Teil zum Sufismus und dessen gesellschaftlichem Aufstieg ab Mitte des 13. Jahrhunderts verwies er auf die besondere Rolle der Stadt Amasya, die er als Fallstudie für sein Thema verwendete. In Amasya hatten sich Herrschersöhne als Statthalter zu beweisen. Im 15. Jahrhundert gingen alle vier späteren Sultane durch diese Schule. Die Gunst der Prinzen – die Einfluss am Hof und Protektion in Form von Stiftungen bedeutete – war in der Stadt zwischen mehreren Bruderschaften umstritten. Ein besonderes Verhältnis konnte Mitchell zwischen Bāyazīd II. und dem Halvetī-Orden belegen. Abschließend stellte er anhand einer Quelle – den auf Persisch formulierten Ratschlägen eines unbekannten Anhängers des Kubravī-Ordens an Aḥmad, Sohn Bāyazīds – überzeugend dar, dass Amasya auch heterodoxen, fremden Orden als Zugang zum osmanischen Hof diente.

ANDREW J. NEWMAN (Edinburgh) thematisierte das von Schwankungen geprägte Verhältnis zwischen der Safawidendynastie und sufistischen Gemeinschaften. Die Safawiden, so Newman, seien von großem Interesse, da sie in vielerlei Hinsicht als Vorläufer des heutigen Iran gelten können: Persisch wurde von ihnen zur Staatssprache und die Schia zur Staatsreligion erhoben. Newman wandte sich vehement gegen die Theorie des stetigen Niedergangs der Dynastie im Kontext einer zunehmend rigorosen Religionspolitik. Er verwies auf die messianischen Wurzeln der Safawiden, bei denen es sich ursprünglich um einen Sufiorden handelte, dessen Anführer zum ersten Šāh der Dynastie, Ismāʿīl I., avancierte. Die Dynastie habe sich anschließend städtischer, arabischer Religionsgelehrter bedient, um die meist tribalen Sufiorden in Schach zu halten, diese aber gleichwohl auch im Kampf gegen die sunnitischen Osmanen instrumentalisiert. Generell sei aber eine Politik der religiösen Toleranz gegenüber Andersgläubigen festzustellen.

Die Selbstverortung im Machtgefüge des indischen Subkontinents und das Bestreben, diese zu kommunizieren und zu festigen, spiegelte sich, wie GEORG BERKEMER (Berlin) am Beispiel des Königreiches Orissa zeigte, in der Beziehung des Herrschers zur Priesterschaft und zu den Göttern auf mannigfache Weise wider. Mit einer Verschiebung der Machtverhältnisse ordnete sich zugleich das Verhältnis zwischen Herrscher, Gott und Priesterschaft neu. Hatte Coḍagaṅga Anantavarmans seine imperialen Ansprüche durch den Neubau des Jagannāth-Tempels und die Förderung der Priesterschaft des Gottes zum Ausdruck gebracht, womit er zugleich Macht über sie ausübte, erklärte sich Anaṅkabhīma III. zum Stellvertreter des Gottes Jagannāth. Auf diese Weise wurde Widerstand gegen den Herrscher als Angriff gegen Jagannāth selbst verstanden, gleichzeitig verlor der Herrscher jedoch Möglichkeiten des Zugriffs auf die Priesterschaft. Der spätere Versuch, diese Rollenverteilung wieder umzukehren, scheiterte.

Die von Spannungen geprägte Koexistenz zwischen buddhistischem Mönchtum und politischen Herrschern im ostasiatischen Kulturraum war das Thema der beiden abschließenden Vorträge des Workshops. In einer Zeit der Krise des chinesischen Kaisertums zu Beginn des 6. Jahrhunderts, so führte zunächst ANDREAS JANOUSCH (Madrid) aus, kam dem Buddhismus und den buddhistischen Institutionen, die den universalen Anspruch des Kaisers zunächst bedrohten, bei der Propagierung kaiserlicher Herrschaft dann doch eine große Bedeutung zu. So nutzte Kaiser Wu aus der Liang-Dynastie das symbolische Kapital, welches die noch junge Religion bereithielt, als Instrument der Herrschaftsstabilisierung und -legitimierung, indem er eine Umgestaltung buddhistischer Rituale vornahm und seine Stellung mit dem buddhistischen Kosmos verknüpfte. Aus der buddhistischen Tradition gespeiste „imperial rituals“ bewirkten dergestalt die Sichtbarmachung und zugleich Perpetuierung kaiserlicher Herrschaft.

Einer vergleichbaren Thematik näherte sich im abschließenden Vortrag des Workshops MAX DEEG (Cardiff) an. Er untersuchte anhand zweier Fallstudien – bezogen auf Indien im 3. Jahrhundert v. Chr. und auf das frühe japanische Kaiserreich – unterschiedliche Strategien von Herrschern, Kontrolle über oder zumindest Einfluss auf die buddhistische Lehre bzw. das Gesetz (dharma) und das buddhistische Mönchtum auszuüben, um die herrscherliche Position zu festigen. Die Frage, ob sich der Herrscher „within or without the borders“ des Gefüges befand, führte zu Konflikten mit den buddhistischen Gelehrten sowie zu unterschiedlichen historischen Wahrnehmungen, wobei dem Diskurs des „decline of the dharma“ für die Argumentation des buddhistischen Mönchtums eine wichtige Rolle zukam.

In der Abschlussdiskussion wurde die Aktualität des Themas, Religion in der Gesellschaft zu verorten, im Kontext aktueller Ereignisse hervorgehoben. Religion habe Herrschern über Zeit- und Raumgrenzen hinweg als Medium zur Integration der Gesellschaft dienen können. In verschiedenen Fällen traten Monarchen entweder als Gründer einer religiösen Gemeinschaft auf oder instrumentalisieren eine solche für ihre Zwecke. In entgegengesetzter Richtung konnten aber auch Beispiele von religiösen Gemeinschaften, die einen Monarchen beeinflussten, aufgezeigt werden. Die Frage, ob die Bedeutung von Religion während krisenhafter Ereignisse tatsächlich zunehme oder aber ob dies eher als Narrativ zu verstehen sei, wurde kontrovers diskutiert. Es wurde überdies deutlich, dass im transkulturellen Vergleich differenter Kulturräume große Unterschiede bezüglich Konzepten von Brüderlichkeit zu erkennen sind. Angeführt wurden abrahamitische Religionen, in denen alle Angehörigen untereinander als Brüder verstanden werden können, während im Kontrast dazu in einigen dravidischen Sprachen noch nicht einmal ein Wort für das Konzept der Brüderlichkeit existiert.

Konferenzübersicht:

Wolfram Drews (Münster), Welcome/Inauguration

Brigitte Le Guen (Paris), Artists’ Associations and Hellenistic Rulers

Claudia Rapp (Vienna), Towards a Typology of Confraternities in Byzantium

Georges Sidéris (Paris), John the Almsgiver and the Patrician Nicetas: Brotherhood in Question

W. Mark Ormrod (York), The Foundation and Early Development of the Order of the Garter in England, 1348-1399

Jesús Rodríguez-Velasco (New York), The Order of the Sash (Orden de la Banda)

Sonja Dünnebeil (Vienna), Religiöse Aspekte des Ordens vom Goldenen Vlies

Nadeem Khan (Münster), Sulṭān Nūr ad-Dīn – Ğihād and Ṣadaqa. Piety or Politics?

Colin Mitchell (Halifax), Political Patronage and Spiritual Sponsorship in 15th/16th-Century Amasya

Andrew J. Newman (Edinburgh), Changing Relations between the Safavid Court and the Evolving Sufi Discourse – Popular and ‘Academic’

Georg Berkemer (Berlin), Stellvertreter Gottes oder Herr der Welt? – Das Dilemma eines indischen Herrscherhauses. Konflikte und Kooperation zwischen Königen und Priestern im Reich der Gaṅgas von Orissa 1113-1568

Andreas Janousch (Madrid), Emperorship in China and the Buddhist Community (sańgha) in the 6th Century: Religious Communities (Confraternities) and Resistance

Max Deeg (Cardiff), The Order of the dharma and the Order of Rulership – On the Relationship between Monastic Community and Worldly Power in the History of Buddhism