Die deutschen Dominikaner und Dominikanerinnen 1221-1515

Die deutschen Dominikaner und Dominikanerinnen 1221-1515

Organisatoren
Prof. Dr. Sabine von Heusinger, Mittelalterliche Geschichte, Universität zu Köln; Elias H. Füllenbach OP / PD Dr. Klaus-Bernward Springer, Institut zur Erforschung der Geschichte des Dominikanerordens im deutschen Sprachraum (Köln); Prof. Dr. Walter Senner OP, Institutum S. Thomae / Pontificia Universitas S. Thomae de Aquino in Urbe (Roma)
Ort
Köln
Land
Deutschland
Vom - Bis
06.11.2014 - 08.11.2014
Url der Konferenzwebsite
Von
Andrea Osten, Institut für Kirchengeschichte, Abteilung für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte, Arbeitsstelle für Theologische Genderforschung, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

In Vorbereitung auf das 800-jährige Ordensjubiläum des Dominikaner-Ordens 2016 fand im November 2014 die interdisziplinäre Konferenz zu den deutschen Dominikanern und Dominikanerinnen 1221-1515 in Köln statt. 1216 wurde der Orden der Predigerbrüder päpstlich bestätigt. Dominikus, in der Tradition der regulierten Kanoniker des 12. und 13. Jahrhunderts stehend, prägte die Entwicklung, Ausbreitung sowie die spirituelle Ausrichtung des Ordens maßgeblich. Ferner gründete er noch vor der eigentlichen Ordensgründung Schwesterngemeinschaften. Diese wurden später in den Dominikanerorden inkorporiert.

Der Konferenz war ein Workshop für Nachwuchswissenschaftler/innen vorgeschaltet. Die Tagung war in vier Sektionen wie folgt unterteilt: Sektion I behandelte das Themenspektrum von Innovation und Tradition im Blick auf die Gründung und Ausbreitung des Ordens. Sektion II widmete sich dem Fragenkomplex von ‚Wissen ist Macht‘ in Hinsicht auf das dominikanische Studiensystem. Sektion III richtete den Fokus auf die kunsthistorische Perspektive von Hören und Sehen, liturgische Ausstattung und der Glaubensverkündigung in Dominikanerkirchen. Sektion IV ging der Fragestellung nach dem Eigenen und Fremden innerhalb und außerhalb des Ordens nach.

CHRISTINE ANDRÄ (Regensburg) stellte in ihrem Vortrag das Lektionar der Regensburger Dominikanerinnen vor, das 1270/76 für die dortigen Dominikanerinnen hergestellt worden war. Neben den liturgischen Texten findet sich ein reich illuminiertes Bildmaterial, das einen Bildzyklus von 60 historisierten Initialen und Miniaturen beinhaltet. Andrä machte darauf aufmerksam, dass die Miniaturen von 49 Stifterdarstellungen begleitet werden, die überwiegend Frauen, darunter zahlreiche Dominikanerinnen, zeigen. Die Referentin schloss daraus, dass die Regensburger Dominikanerinnen zum einen maßgeblich an der Produktion sowie an der Finanzierung des Lektionars beteiligt waren. Zum anderen machte Andrä darauf aufmerksam, dass die Schwestern über ein gut ausgeprägtes soziales wie auch geographisches Netzwerk verfügten. Ausgesprochen erkenntnisreich war die Beschreibung des Bildprogramms im Blick auf das spirituelle Profil der Schwestern als Bräute Christi.

JUDITH VENJAKOB (Erlangen) gab in ihrem Beitrag einen Einblick in die Bildgestaltung eines Formicarius Exempels, das ursprünglich aus dem Formicarius des Dominikaners Johannes Nider (gestorben 1483) stammt. Dies tat sie am Beispiel des Titelholzschnittes zu Geilers Predigt ‚Am Mittwoch nach Reminiscere. Von den Unholden oder von den Hexen‘ (1516). Venjakob formulierte die These, dass der Holzschnitt einen Hexenflug thematisiert, obwohl er nicht explizit dargestellt wird. Die dargestellten Bildelemente der Ofengabel, des Schemels sowie des am Stock befestigten Tuchs symbolisieren nach Venjakob die typische Darstellung eines Hexenfluges. Ferner identifizierte sie den dargestellten nackten Mann, nicht wie oft angenommen als Beobachter oder als Opfer, sondern als Teufel. Mit seiner ausgestreckten Hand greife er sogar aktiv in das Geschehen ein. Sie machte deutlich, dass die verwendeten Bilder am Motivvokabular ihrer Zeit orientiert seien bzw. tradierte Ikonographien aufgreifen.

PAUL HELLMEIER (München) eröffnete die erste Sektion der Tagung mit einem grundlegenden Überblicksvortrag über die Gründung des Dominikanerordens aus der Chorherrentradition. Er machte deutlich, dass das Neue am Dominikanerorden die Inklusion von Lernen und Lehre bei Verkündigung und Seelsorge sei. Weiterführend ging SIGRID HIRBODIAN (Tübingen) auf die Entstehung und Entwicklung der Dominikanerinnen in der Ordensprovinz der Teutonia ein. Ihr Vortrag hat gezeigt, wie wichtig der Blick auf die Lebenswirklichkeiten und Möglichkeiten eines weiblichen Religiosentums im Mittelalter immer noch ist. Die Gesamtentwicklung im Dominikanerorden unterteilte sie in drei zeitliche Etappen: ausgehend vom 13. Jahrhundert mit all den Schwierigkeiten der Inkorporation in den Orden der Dominikaner über das 14. Jahrhundert, die Blütezeit der Mystik, eine Phase der literarischen Produktion von geistlicher Literatur durch geistliche Frauen, bis hinein ins 15. Jahrhundert – eine Zeit, die durch veränderte Frömmigkeitsvorstellungen und die daraus resultierende Observanzbewegung (Rückbesinnung zu den Wurzeln des Ordens) geprägt war. SABINE VON HEUSINGER (Köln) ging in ihrem Vortag auf die prägende Bedeutung der Dominikaner auf die Städte ein, beispielhaft gezeigt an Basel und Köln. Durch die ihnen übertragene Seelsorge wirkten sie durch die Einrichtung von Bildungseinrichtungen sowie durch die Verwendung der Volkssprache maßgeblich auf die Entwicklung der Stadt ein.

Die zweite Sektion beschäftigte sich mit der zentralen Frage nach dem dominikanischen Studiensystem und der Predigt. SUSANA BULLIDO DEL BARRIO (Bonn) behandelte in ihrem Vortrag Albertus Magnus und die Bibelstudien des Dominikanerordens. In den Ältesten-Konstitutionen des Predigerordens werde im Abschnitt zum Konventslehrer für die biblische Exegese der Psalmen und Propheten besonders der Literalsinn als Auslegungsmethode bestimmt. In dem Beitrag von Bullido del Barrio wurde sowohl der Charakter des Literalsinns im 13. Jahrhundert anhand der Schriftauslegung des Hugo von St. Cher, Albertus Magnus und Thomas von Aquin herausgearbeitet als auch die Bedeutung der Psalmen und Propheten für den Predigerorden von ihr vertiefend aufgezeigt.

MAXIME MAURIÈGE (Köln) befasste sich in seinem Vortrag mit der mystischen Textgattung der Kompilationen, explizit mit der sogenannten Compilatio mystica. Er machte deutlich, dass diese Kompilation starke dominikanische Prägung aufweise und somit von einem dominikanischen Kompositeur ausgegangen werden könne. Die Frage und Überlegung aus dem Plenum, ob auch eine Dominikanerin als Verfasserin in Frage käme, wurde von ihm verneint.

Einen spannenden Einblick gewährte JULIA BURKHARDT (Heidelberg) in die Thematik von dominikanischen Identität(en). Sie ging in ihrem Vortrag auf eine Darstellung des Bienenstocks des Herrn im Werk des Thomas von Cantimpré ein. Burkhardt zeigte überzeugend, dass in diesem Werk ein Panorama religiöser Vielfalt des 13. Jahrhunderts aufgezeigt wird, das deutlich mendikantisch geprägt, jedoch nicht genuin dominikanisch ist.

PETER SEGL (Bayreuth) referierte im öffentlichen Abendvortrag über deutsche Dominikaner im Kampf gegen Dämonen, Ketzer und Hexen.

Die sich anschließenden Vorträge der dritten Sektion beleuchteten aus kunsthistorischer Perspektive die Dimensionen von dominikanischer Spiritualität. VERA HENKELMANN (Aachen) zeigte an drei ausgewählten Objekten der Dortmunder Dominikanerkirche St. Johann die dortige spätmittelalterliche Marienverehrung und Glaubensverkündigung. Sie machte deutlich, dass die ausgewählten Objekte des Laienraumes im Kontext des Kirchenraumes, seiner Ausstattung und liturgischen wie auch außerliturgischen Nutzung zu verstehen seien. Dabei wurden sie in ein „vielfältiges multimediales Sinnerlebnis“ eingebunden.

Eingeleitet wurde die vierte Sektion von STEFANIE NEIDHARDT (Tübingen). Sie ging in ihrem Vortag vertiefend auf die Kirchheimer Chronik der Magdalena Kremerin ein. Neidhardts Fokus lag auf dem Umgang der Kremerin mit mystischen Erfahrungen, hier im Speziellen auf der Deutung von Träumen im Zeitalter der Observanzbewegung des 15. Jahrhunderts. KLAUS-BERNWARD SPRINGER (Köln) zeigte eine andere spirituelle Dimension auf. Sein Vortrag behandelte den Themenkomplex der Patrozinien und die Bedeutung häufig verehrter Heiliger für Kontemplation und Apostolat – eine Form der Spiritualität des Predigerordens. ELIAS H. FÜLLENBACH (Bonn) führte anregend in den Pfefferkorn-Reuchlin-Streit zu Beginn des 16. Jahrhunderts ein. Er zeigte den Umgang auf dominikanischer Seite sowie den daraus resultierenden Konflikt zwischen Scholastik und Humanismus auf. Abschließend ging WALTER SENNER (Rom) essentiell auf die gesetzliche Verfasstheit des Dominikanerordens am Beispiel von Generalkapitelsbeschlüssen zur Zeit Ludwigs des Bayern ein.

Die Abschlussdiskussion zeigte unter anderem folgende Forschungslücken: Der wenig erforschte Teil der Ordensprovinz Saxonia bedarf einer vertiefenden Betrachtung. Die Rolle der Dominikaner im Blick auf die Inquisition wäre nähergehend zu bearbeiten. Eine wesentliche Fragestellung könnte dabei sein, welche Rolle und Funktionen Dominikaner bei den frühen Hexenprozessen hatten. Das Feld der Liturgiegeschichte ist noch nicht in Gänze erforscht, der Antijudaismus bedarf ebenfalls weiterer Forschung. Allgemein gesprochen fehlt es an einem „Kompendium der dominikanischen Geschichte in der Teutonia“. Resümierend sei gesagt, dass die Zielsetzung der Veranstalter, eine Konferenz einzuberufen, die aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Richtungen die Geschichte und Besonderheit des Dominikanerordens aufzeigt, gelungen ist. Der interdisziplinäre Austausch war äußerst fruchtbar. Die Tagung hat gezeigt, dass der Predigerorden ein viel bunteres und vielschichtigeres Bild aufweist als gedacht.

Konferenzübersicht:

Workshop
Sektionsleitung: Julia Bruch (Köln)

Begrüßung: Klaus-Bernward Springer (Köln)

Ursula Overhage (Bremen), Konflikt und Konsens. Der Streit um das Dortmunder Dominikanerkloster (1309-1330)

Matthias Standke (Dresden), Vom Stiften des Gemeinsinns und Gründen der Gemeinschaft. Legendarisches Erzählen vom Heiligen Dominikus als Ordensgründer

Nedim Rabić (Sarajevo), Im blinden Winkel der Geschichte: Johannes von Wildeshausen als Bischof von Bosnien 1233/34-1237

Sektionsleitung: Klaus-Bernward Springer (Köln)

Christine Andrä (Regensburg), Ein Konvent im Spiegel seines Chorbuchs. Das Lektionar der Regensburger Dominikanerinnen

Judith Venjakob (Erlangen), Zur bildlichen Darstellung eines Formicarius-Exempels: Der illusionistische Hexenflug im Titelholzschnitt zu Geilers Predigt „Am mitwoch nach Reminiscere. Von den Unholden oder von den Hexen“ 1516

Konferenz: Begrüßung
Sektion I: Innovation und Tradition
Sektionsleitung: Gisela Muschiol (Bonn)

Paul Hellmeier (München), Schule oder Seelsorge? – Die Gründung des Predigerordens aus der Chorherrentradition

Sigrid Hirbodian (Tübingen), Die Dominikanerinnen: Ein Überblick

Sabine von Heusinger (Köln), Dominikaner in der Stadt

Andreas Rüther (Bochum), Mönche der Märkte und Messen. Zur Wahrnehmung und Deutung von Predigern und Städten im späteren Mittelalter

Öffentlicher Abendvortrag
Peter Segl (Bayreuth), Deutsche Dominikaner im Kampf gegen Dämonen, Ketzer und Hexen

Sektion II: Wissen ist Macht – Das dominikanische Studiensystem und die Predigt
Sektionsleitung: Andreas Speer (Köln)

Susana Bullido del Barrio (Bonn), Intellectus sacrae scripturae – Albertus Magnus und die Bibelstudien des Dominikanerordens

Fiorella Retucci (Lecce), Die deutschen Dominikaner und Eckharts Verurteilung: der Fall Heinrich Seuse

Maxime Mauriège (Köln), Die dominikanische Prägung des Lehrsystems der deutschen Mystik

Julia Burkhardt (Heidelberg), Predigerbrüder im Bienenstock des Herrn. Dominikanische Identität(en) im Werk des Thomas von Cantimpré

Sektion III: Hören und Sehen
Sektionsleitung: Susanne Wittekind (Köln)

Livia Cárdenas (Basel), Genealogie und Charismatik. Imaginationen dominikanischer Verwandtschaften im Spätmittelalter

Vera Henkelmann (Aachen), Die Ausstattung von St. Johann in Dortmund – multimediale Glaubensverkündigung und Marienverehrung der Dominikaner im Spätmittelalter

Christine Kratzke (Kiel), Identitätsstiftung und Repräsentation bei den Lübecker Dominikanern: Neue Studien zum Burgkloster in der Hansestadt

Xenia Stolzenburg (Marburg), Nochmal von vorn. Die spätmittelalterliche Neuausstattung der Dominikanerkirche in Frankfurt am Main

Sektion IV: Das Eigene und das Fremde
Sektionsleitung: Sabine von Heusinger (Köln)

Stefanie Neidhardt (Tübingen), Magdalena Kremerin und ihr Umgang mit der Mystik in Zeiten der Observanz

Klaus-Bernward Springer (Köln), Paulus, Maria, Johannes, Maria Magdalena und Katharina von Alexandrien: Vorbilder der Predigerbrüder und „Predigerschwestern“ für Kontemplation und apostolische Aktion

Elias H. Füllenbach (Bonn), Der Pfefferkorn-Reuchlin-Streit und die Dominikaner. Antijudaismus zwischen Scholastik und Humanismus

Walter Senner (Rom), Innovation, Konsens, Konflikt in Konstitutionen und auf Generalkapiteln

Abschlussdiskussion