Gender and Authority in Medieval Society

Gender and Authority in Medieval Society

Organisatoren
Anne Foerster / Ingrid Baumgärtner, Mittelalterliche Geschichte, Universität Kassel
Ort
Kassel
Land
Deutschland
Vom - Bis
11.02.2015 -
Url der Konferenzwebsite
Von
Anna Hollenbach, Universität Kassel

Am 11. Februar fand der gut besuchte internationale Workshop „Gender and Authority in Medieval Society“ an der Universität Kassel statt. Die Konzeption und Organisation lag bei Anne Foerster und Ingrid Baumgärtner sowie den TeilnehmerInnen des Seminars „Die Königin im Hochmittelalter“, als dessen Abschluss und Höhepunkt der Workshop fungierte. Unter Beteiligung von Susan Johns, einer ausgewiesenen Kennerin der britischen Geschlechtergeschichte, zielte die Veranstaltung darauf ab, sowohl Studierenden aus unterschiedlichen Semestern, DoktorandInnen sowie erfahrenen WissenschaftlerInnen einen Austausch über eigene Forschungsthemen und deren Einbettung in die Geschlechterforschung zu ermöglichen. Nicht zuletzt sollte die Veranstaltung die Studierenden ermutigen, ihren Horizont über die deutsche Forschungslandschaft hinaus zu erweitern und Internationalität in Forschung und Lehre kennen und schätzen zu lernen, weshalb auch Englisch die offizielle Sprache des Workshops war.

Der Veranstaltung bestand aus zwei Teilen: Der Vormittag war den Studierenden des Seminars vorbehalten, um die zentralen Ergebnisse des Seminars vorzustellen und gemeinsam mit Johns zu diskutieren. Im Mittelpunkt standen hier unter anderem Themen wie Kindheit und Erziehung der Königinnen, Heirat, Witwenschaft und vor allem Konzepte der Frauen- und Geschlechterforschung. Susan Johns ergänzte diese Ergebnisse um Informationen zur Frauen- und Geschlechtergeschichte in Großbritannien im Allgemeinen und an der Universität Bangor im Speziellen. Jenseits der inhaltlichen Ebene zeigte Anne Foerster den Studierenden die vielfältigen Möglichkeiten auf, Erfahrungen im englischsprachigen Ausland zu sammeln, beispielsweise im Rahmen des Erasmus-Programms.

Den zweiten Teil bildeten die öffentlichen Vorträge am Nachmittag und Abend. Insgesamt fünf Referentinnen präsentierten ihre Qualifikations- und Forschungsprojekte zu Vorstellungen, Praktiken und Handlungsmöglichkeiten adeliger Frauen in verschiedenen politischen und familiären Kontexten. Der Schwerpunkt lag hier auf England und dem römisch-deutschen Reich zwischen 1000 und 1500. Ziel aller Beiträge war es zu hinterfragen, welche Faktoren und Aktionen die gesellschaftlichen, herrschaftlichen und kulturellen Positionen und Praktiken der Akteurinnen bestimmten.

Nach Anne Foersters Begrüßung gab Mitorganisatorin INGRID BAUMGÄRTNER (Kassel) einen Überblick über die Frauen- und Geschlechterforschung an der Universität Kassel. Institutionen wie die Interdisziplinäre Arbeitsgruppe Frauen- und Geschlechterforschung (IAG FG) und das DFG Graduiertenkolleg 1599 „Dynamiken von Raum und Geschlecht“ ermöglichen den interdisziplinären Austausch im Bereich Genderforschung, auch über die Geistes- und Sozialwissenschaften hinaus bis in die Naturwissenschaften. Nicht zuletzt, so Baumgärtner, verdeutlichen Lehrangebote, disziplinübergreifende Forschungsprojekte sowie außeruniversitäre und internationale Kooperationen, dass die Frauen- und Geschlechterforschung als ein fester Bestandteil im Forschungsprofil der Universität Kassel verankert ist.

Inhalt und Ziel der ersten Sektion Performing Gender and Authority war es, das Zusammenwirken von Geschlecht und Herrschaft am Beispiel der Königinnen des Heiligen Römischen Reich sowie der hessischen Landgräfinnen zu diskutieren. Im ersten Projektvortrag zeigte STEFANIE DICK (Kassel) auf, dass die spätmittelalterliche Königin immer in Verbindung mit strukturellen Aspekten der spätmittelalterlichen Herrschaft gesehen werden muss. Das Herrscherpaar und dessen Beziehung zueinander standen im Mittelpunkt ihrer Untersuchung. Dick ging der Frage nach, inwieweit sich die bisherige Forschung zu Königinnen im Spätmittelalter immer zwischen zwei Extremen bewegt: So findet man zum einen das Bild der Königin, die ihre machtpolitische Funktion völlig verloren hat, während die Forschung ihr zum anderen ganz klare Herrschaftsfunktionen zugeschrieben hat. Die Referentin erläuterte, dass sich sowohl für als auch gegen diese beiden Positionen einige Argumente finden lassen. Unterstützt werden die beiden Positionen der Forschung durch die unterschiedlichen Quellen, die, von Historiographie bis hin zu Rechtstexten, auch immer ein anderes Bild der Königin zeichnen. Daher sei es wichtig, verschiedene Quellenarten zu betrachten, um die Darstellung der Königin und des Königs, ihre Beziehung zueinander und deren Rolle für die spätmittelalterliche Gesellschaft und Verfassung zu analysieren. Dick betonte zuletzt, dass Königin und König in der Forschung nicht isoliert voneinander, sondern in ihrer Paarbeziehung betrachtet werden müssen.

Nach den Handlungsspielräumen der hessischen Landgräfinnen und den Faktoren, welche diese beeinflussen, fragte NADINE RUDOLPH (Kassel) am Beispiel von Mechthild von Württemberg. Da die Geschichtswissenschaft die Landgräfinnen bisher vor allem als Regentinnen wahrgenommen hat, stehen für die Referentin besonders deren Handlungsmöglichkeiten außerhalb der Regentschaft im Fokus ihres Dissertationsprojektes. In ihrem Vortrag gab sie zunächst einen kurzen Überblick über die Ehepolitik im Haus Hessen, die von unterschiedlichen Faktoren beeinflusst wurde, wie zum Beispiel sozialer Stellung, verwandtschaftlichen Netzwerken oder finanziellen Ressourcen. Rudolph betonte, dass vor diesem Hintergrund Geschlecht immer in Wechselwirkung mit anderen Kategorien untersucht werden muss und verwies auf das Konzept von Geschlecht als mehrfach relationale Kategorie. Mithilfe verschiedener Raumtheorien zeigte sie zudem auf, wie, am Bespiel des Wittums Rottenburg, auch der räumliche Aspekt das Handeln der Landgräfin maßgeblich bestimmte.

Die zweite Sektion Gender and Authority in Historiography fragte insbesondere nach der Darstellung und dem Zusammenwirken von Herrschaft und Geschlecht in der englischsprachigen Geschichtsschreibung. ANNE FOERSTER (Kassel) präsentierte einen Ausschnitt ihres Dissertationsprojekts über die Witwen der englischen und römisch-deutschen Herrscher des Hochmittelalters. Am Beispiel der Chronisten Wilhelm von Malmesbury und Matthäus Parisiensis untersuchte sie verschiedene Lebensentwürfe verwitweter Königinnen. Dabei zeigte sie auf, dass die Vorstellungen der Geschichtsschreiber von deren Rollen geschlechtlich markiert waren. Frauen, die selbstständig in Herrschaft und Rat agierten, wurde durch sprachliche Wendungen eine zusätzlich männliche Geschlechtsidentität zugesprochen. Die Besetzung weiblich konnotierter Rollen, so Foerster, bedurfte dagegen keiner Begründung oder Kommentierung. Während mehrere weibliche Funktionen, etwa als Mutter und Witwe, gleichzeitig eingenommen werden könnten und als gleichberechtigt verstanden wurden, traten diese in der Darstellung einer männlich markierten Funktion, wie der Ausübung von Herrschaft, in den Hintergrund. Kritik, die aus konkurrierenden Rollenerwartungen erwuchs, habe deshalb meist eindeutig weiblich agierende Herrscherwitwen getroffen, während Herrschaft ausübende, und daher vermännlichte Witwen nach Förster in einem positiven Licht portraitiert wurden.

Aus einer kurz vor dem Abschluss stehenden Masterarbeit stellte CARINA NOLTE (Kassel) Überlegungen zu den beiden Frauen dar, die die Geschichte des englischen Bürgerkriegs von 1138-1141 maßgeblich geprägt haben: „Kaiserin“ Mathilde und Mathilde von Boulogne, Gattin König Stephans. Letztere sei neben der den englischen Thron beanspruchenden Tochter Heinrichs I. oft in ihrer Bedeutung für den Thronstreit und Bürgerkrieg unterschätzt worden und müsse stärker berücksichtigt werden. Anhand dreier Chronisten, die die Ereignisse zeitgenössisch und aus der Perspektive der verschiedenen politischen Positionen niederschrieben, zeigte Nolte, welchen Einfluss das Geschlecht der Protagonistinnen auf deren Darstellung in den Quellen hatte. Denn die vorgestellten Beschreibungen weisen Formulierungen auf, welche die beiden Frauen männlich erscheinen lassen sollten. Weiterhin präsentierte die Referentin verschiedene zeitgenössische Ansichten zur Thronfolge von Töchtern und unehelichen Söhnen.

Den Abschluss des Workshops bildete der Abendvortrag der Gastreferentin SUSAN JOHNS (Bangor). Sie zeigte eindrücklich auf, wie die Rolle von Frauen in der mittelalterlichen Gesellschaft durch die hauptsächlich an der Verfassungs- und Institutionengeschichte interessierte englischsprachige Geschichtsforschung des 19. und frühen 20. Jahrhunderts oft gänzlich missachtet wurden. Anhand von Rechts- und Urkundentexten aus dem mittelalterlichen Wales schilderte sie, wie der weibliche Part durch den Blick auf männliche Herrschaft übersehen wurde. Darstellungen normannischer Herzoginnen und anderer adliger Frauen zeigen, dass ihr guter Einfluss auf den Mann ebenso wie familiäre Harmonie für eine erfolgreiche Regierung und eine herrschaftliche Stabilität als wichtig erachtet wurden. Johns veranschaulichte insbesondere am Beispiel der walisischen Königstochter Nest von Deheubarth, wie Geschlecht als Ausdruck und Symbol von Herrschaft und Beherrscht-Sein, von Dominanz und Unterwerfung genutzt wurde. Die Entführung der Prinzessin durch ihren Vetter Owain ap Cadwgang, nach einer Quelle des 14. Jahrhunderts, wurde von der späteren walisisch-national orientierten Historiographie als Symbol der normannischen Herrschaft über Wales instrumentalisiert. An weiteren ausgewählten Quellen führte Johns aus, inwieweit Geschichtsschreibung und Siegel als politische Akte gesehen werden müssen, um das Beziehungsgeflecht am Hof zu erfassen.

Die Schlussdiskussion zeigte nochmals, dass Handlungsspielräume adeliger Frauen je nach Autor, Kontext und Quellengattung unterschiedlich abgebildet werden. Bei den diversen Rollen, ob Königin, Landgräfin, Ehefrau oder Witwe, handelt es sich immer auch um Konstruktionen der meist männlichen Geschichtsschreiber. In deren Wahrnehmung waren das Geschlecht der Handelnden, aber auch die Vorstellungen von Geschlechterrollen von besonderer Bedeutung. Diese wirkten sich sowohl auf die Darstellung der Ereignisse und Akteure wie auch auf das Verständnis durch spätere Generationen aus. Nicht zuletzt wurde deutlich, wie wichtig theoretische Konzepte und methodologische Zugriffe aus der Frauen- und Geschlechterforschung für die Erforschung der Vormoderne sind. Besonders erfreulich war der rege und intensive Meinungsaustausch unter allen Beteiligten. Sowohl die Studierenden im Bachelor- und Lehramtsstudiengang, als auch fortgeschrittene Masterstudierende wirkten mit Sektionsleitungen und fundierten Diskussionsbeiträgen aktiv an der Veranstaltung mit und konnten zudem erste Erfahrungen in der Organisation und Durchführung einer wissenschaftlichen Tagung sammeln. Letztlich waren alle Teilnehmenden vom großen Erfolg der gut besuchten Veranstaltung überwältigt.

Konferenzübersicht

Students‘ Workshop

Introduction
Anne Foerster (Kassel), Welcome address

Ingrid Baumgärtner (Kassel), Medieval History and Gender Studies at the University of Kassel

Sektion I: Performing Gender and Authority

Moderation: Jana Löwer (Kassel)

Stefanie Dick (Kassel), Representation and Performing. Royal Couples in the Holy Roman Empire

Nadine Rudolph (Kassel), Agency and Gendered Spaces. The Hessian Landgravine Mechthild of Württemberg

Sektion II: Gender and Authority in Historiography

Moderation: Mirijam Dettling (Kassel)

Anne Foerster (Kassel), The King’s Widow. Gendered Roles in English Chronicles

Carina Nolte (Kassel), Gendering the Mathildas. Women and Power in the English Anarchy

Key Lecture

Susan Johns (Bangor), Studying Women and Power in the Middle Ages and in Historiography

Closing Discussion


Redaktion
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