Resignification of borders: Eurasianism and the ‘Russian World’

Resignification of borders: Eurasianism and the ‘Russian World’

Organisatoren
Konstantin Kaminskij / Jurij Murašov, Universität Konstanz
Ort
Konstanz
Land
Deutschland
Vom - Bis
14.04.2016 - 16.04.2016
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Von
Nina Frieß, Institut für Slavistik, Universität Potsdam

In dem vom 14. bis 16. April 2016 stattfindenden Workshop „Resignification of borders: Eurasianism and the ‘Russian World’“ kamen internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedenster Disziplinen in Konstanz zusammen, um über die Integrationskonzepte des Eurasismus und der ‚Russischen Welt‘ und ihre identitätspolitischen Verflechtungen im postsowjetischen Raum zu diskutieren.

Das Konzept des Eurasianismus, das in intellektuellen Kreisen russischer Emigranten in den 1920er-Jahren formuliert wurde, durchlebte im 20. Jahrhundert mehrere Rekonfigurationen, bevor es zu Beginn der 2000er-Jahre als zentrale Integrationsstrategie und geopolitische Doktrin im Rahmen der Bemühungen um die Schaffung der Eurasischen Wirtschaftsunion vereinnahmt wurde. Bei dem Konzept der ‚Russischen Welt‘ und ihrer institutionellen Ausformung in Gestalt der gleichnamigen kulturdiplomatischen Stiftung, handelt es sich hingegen um eine biopolitische Doktrin, die eine transterritoriale imagined community von russischsprechenden Menschen in den Blick nimmt und für diese einen Vertretungs- und Schutzanspruch formuliert. Die beiden diffusen integrationsstrategischen Konzepte der russländischen Soft Power scheinen auf den ersten Blick somit widersprüchliche Zielsetzungen zu verfolgen – internationale Vernetzung mit zentralasiatischen Nationen auf der einen Seite und nationale bzw. nationalistische Abschottung (inklusive der russischsprachigen Diaspora) auf der anderen. Dieser Verzahnung von Inklusion und Exklusion, Konkurrenz und Konvergenz, Integrationsstrategien und Identitätspolitik, die dem Zusammenspiel beider Konzepte zu Grunde liegt, widmete sich der Konstanzer Workshop. Dabei legten die Veranstalter großen Wert darauf, die Interaktion von Eurasianismus und der ‚Russischen Welt‘ nicht nur in politischen, intellektuellen und medialen Diskursen Russlands zu analysieren, sondern die Rezeption und Tragfähigkeit beider Konzepte in den zentralasiatischen Ländern ebenfalls in den Blick zu nehmen.

Bei der Auftaktveranstaltung zeichnete der amerikanische Historiker ALFRED J. RIEBER (Budapest) die Entwicklung der eurasischen Imperien und shatter zones mit ihren sich beständig wandelnden Grenzverläufen von der frühen Neuzeit bis zum Ende des Ersten Weltkriegs nach. In der anschließenden Diskussion wurden die aktuellen politischen Bezüge dieser historischen Entwicklung aufgezeigt.

Das Workshop-Programm am nächsten Tag wurde in zwei Panels unterteilt. Im ersten Panel „Challenges and Conflicts of Eurasian Integration Strategies“ wurde die Aufnahme und Verbreitung des Eurasianismus-Konzepts in den Partnerländern der Eurasischen Wirtschaftsunion beleuchtet. Der kasachische Sprachwissenschaftler GAZINUR GIZDATOV (Almaty) gab einen Einblick in die gesellschaftspolitischen Diskussionen Kasachstans, wo sich Anhänger verschiedener Konzepte unversöhnlich gegenüberstehen: Neben eurasischen – und das heißt in diesem Fall prorussischen – Tendenzen ließen sich auch national-patriotische und westlich-liberal orientierte Strömungen ausmachen. Der folgende Auftritt des usbekischen Literaturwissenschaftlers, Herausgebers und Künstlers RIFAT GUMEROV (Taschkent) glich in weiten Teilen eher einer Performance als einem Vortrag, was dem Gegenstand indes keinen Abbruch tat und einen gewissen Unterhaltungswert hatte. Gumerov setzte sich mit dem nach wie vor bestehenden Einfluss der russischen Literatur in Zentralasien auseinander und berichtete über sein Editionsprojekt, in dem er non-konformistische russische Literatur des 20. Jahrhunderts zu veröffentlichen plant. Die tschechische Literaturwissenschaftlerin, Übersetzerin und Mitarbeiterin der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) RADKA RUBILINA (Jerewan) befasste sich mit den in der armenischen Kultur dominanten Opfernarrativen und der armenischen Version des Eurasianismus, in dem sich Armenien als Vorposten gegen den Islam und Verteidiger europäischer Werte in der Region verorte. Die belarussische Politikwissenschaftlerin ALEXANDRA YATSYK (Kazan) verdeutlichte in ihrem Vortrag, wie trotz angespannter politischer Beziehungen zwischen Russland und Georgien, die russisch-orthodoxe Kirche eigene kulturdiplomatische Zielsetzungen verfolgt und damit einen Export konservativer Werthaltungen in den orthodoxen Ländern anstrebt.

Das Nachmittags-Panel „Religious Identitites and Diversity Management on the Cultural Margins“ verlagerte den Fokus auf die Persistenz und Evolution von Eurasianismus und der Russischen Welt in der russländischen Republik Tatarstan. MONIKA WINGENDER (Gießen) stellte die Ergebnisse ihres am Gießener Zentrum Osteuropa durchgeführten Projekts zu Sprachminderheiten und Sprachpolitik in Tatarstan und Kasachstan vor. GULNAZ SIBGATULLINA (Leiden) gab einen Einblick in ihr im Kontext des Leidener Forschungsverbunds „The Russian Language of Islam“ verortetes Dissertationsprojekt und analysierte die rivalisierenden Strömungen des Eurasianismus im russischen (tatarischen) Islam. Die Vorstellung des Promotionsvorhabens der Literaturwissenschaftlerin VIKTORIA ABAKUMOVSKIKH (Konstanz), das die tatarisch-arabischen ökonomischen Beziehungen in den Blick nahm, schloss das Panel ab.

Eine Roundtable-Diskussion fasste die Ergebnisse des Workshops zusammen. Wie die Organisatoren des Workshops KONSTANTIN KAMINSKIJ und JURIJ MURAŠOV (beide Konstanz) die Diskussionsergebnisse subsumierten, zielt der Widerstreit der beiden Integrationskonzepte Eurasianismus und Russische Welt darauf ab, identitätspolitisches Spannungspotential vermittels diskursiver Strategien zu kanalisieren. Der authentische Eurasianismus der 1920er-Jahre als argumentative Urgestalt postkolonialer und eurokritischer Diskurse erweist sich als Programm kultureller Integration für den zentralasiatischen Raum als in höchstem Masse lebensfähig und für das Verständnis der politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Prozesse in Russland und Zentralasien instruktiv.

Konferenzübersicht:

Abendvortrag

Alfred J. Rieber (Budapest, Central European University): The Struggle for the Eurasian Borderlands. From the Rise of Early Modern Empires to the End of the First World War

Challenges and Conflicts of Eurasian Integration Strategies

Gazinur Gizdatov (Almaty, Kazakh Ablai Khan Universität für Internationale Beziehungen und Weltsprachen): Kazakhstan between Eurasianism and Panturanism

Rifat Gumerov (Taschkent): Russian Literature in Central Asia

Radka Rubilina (Jerewan, Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa): Narrative of Genocide and Security: the Armenian Vision of Eurasia

Religious Identities and Diversity Management on the Cultural Margins

Alexandra Yatsyk (Kazan, Föderale Universität Kazan): Religious Diplomacy, Soft Power and Exported Conservatism: the case of Russia-Georgia Relations

Monika Wingender (Gießen, Justus-Liebig-Universität): Language Policy and Identity Building in Russian-Turkic Speech Communities

Gulnaz Sibgatullina (Leiden, Universität Leiden): Russia’s Islam and Eurasianism

Viktoria Abakumovskikh (Konstanz, Universität Konstanz): The Development of the Islamic Economic Politics in the Republic of Tatarstan. Combining Religious Ethics with a Geopolitical Strategy

Round Table
Eurasianism and Russian World in Twenty Years


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Deutsch
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