Homosexualitäten revisited. Schwerpunktheft der Österreichischen Zeitschrift für Geschichtswissenschaft

Homosexualitäten revisited. Schwerpunktheft der Österreichischen Zeitschrift für Geschichtswissenschaft

Veranstalter
OeZG (Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaft) – Schwerpunktheft; hrsg. von Mag.a Elisa Heinrich, Mag. Johann Kirchknopf, MMag.a Dr.in Barbara Kraml
Veranstaltungsort
Ort
Wien
Land
Austria
Vom - Bis
30.09.2016 -
Deadline
30.09.2016
Website
Von
Elisa Heinrich

//english version below///

Call for Articles
Die Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften (OeZG) plant einen Schwerpunktband zum Thema
Homosexualitäten revisited (Arbeitstitel)

Vor knapp 20 Jahren hat die ÖZG bereits einmal ein Heft dem Schwerpunkt „Homosexualitäten“ gewidmet (Jahrgang 9, Heft 3, 1998). Im Editorial begründete Franz X. Eder, einer der Mitherausgeber, die Verwendung des Plurals damit, dass sich eine Komplexität und Vielfalt in der Geschichte der Homosexualität(en) abzeichnete, die nicht mit einem Begriff im Singular erfasst werden könne. Die Themen, theoretischen und methodischen Ansätze und Perspektivierungen gewannen seither an Komplexität und Vielfalt, die großen Topoi, unter denen Studien firmieren, scheinen jedoch dieselben geblieben zu sein: Identitätskonstruktionen, die zwischen Selbst- und Fremdzuschreibungen oszillieren, genderspezifische Fragestellungen, Handlungsräume von Akteur_innen, und nach wie vor sind auch Diskriminierung und Verfolgung von zentraler Bedeutung. Aus diesem Grund wird sich erneut ein Band der Geschichte der Homosexualität(en) widmen, unter zwar unter dem Arbeitstitel: Homosexualitäten revisited.

Vor dem Hintergrund von stark veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen – enthielten vor 20 Jahren manche europäischen Strafrechtskodifikationen noch diskriminierende Regelungen, so sind gleichgeschlechtliche Paare heute in einzelnen Ländern sogar im Eherecht gleichgestellt – wird die Frage aufgeworfen, wie sich die Forschungslandschaft seither entwickelt hat. Welche Fragen traten in den Hintergrund, welche kamen hinzu? Wo liegen die Schwerpunkte heute? Ist eine Geschichtsschreibung der Homosexualität(en) obsolet geworden, nachdem viele politische Ziele – Entkriminalisierung, Antidiskriminierung, zivilrechtliche Absicherung – mittlerweile erreicht sind? Ganz bewusst wird auch danach gefragt, inwieweit historische Forschung identitätspolitischen Vorgaben unterliegt, diesen vielleicht sogar verpflichtet ist, oder ob sie sich davon emanzipieren kann/soll/darf. Bereits vor 20 Jahren konstatierte Franz X. Eder eine „massive Politisierung“ der Geschichte der Homosexualität durch schwule und lesbische Emanzipationsbewegungen seit den 1970er-Jahren, die vor allem im Konflikt zwischen essentialistischen und konstruktivistischen Positionen zum Ausdruck kam.
Welche Verhältnissetzungen lassen sich zwischen Forschung und Bewegungspolitiken heute auffinden? Wie positionieren sich Forscher_innen und Aktivist_innen zueinander, insbesondere dann, wenn sich beide Eigenschaften in derselben Person wiederfinden? Inwieweit intervenieren die Geschichtswissenschaften in gegenwärtige identitäts- und gesellschaftspolitische Auseinandersetzungen, welche Fragen stellt sie? Und schließlich: Ist Homosexualität angesichts sich zunehmend diversifizierender Sexualitätskonzepte denn überhaupt noch eine brauchbare epistemische Kategorie?

Mögliche Gegenstände, Themen und Fragestellungen
Das geplante Themenheft soll sich den historischen – juristischen, gesellschafts- und rechtspolitischen – Aspekten der Strafverfolgung und Reformen in verschiedenen Rechtsbereichen ebenso widmen wie den Lebenswelten und Handlungsräumen der historischen Subjekte. In Frage kommen insbesondere Arbeiten zur Begriffs-, Diskurs-, Sozial-, Rechts-, Kultur- und Wissenschaftsgeschichte. Ebenso erwünscht sind Untersuchungen zur Bewegungsgeschichte wie auch individuell-biographische Studien.
In zeitlicher Perspektive liegt der Fokus auf dem 20. Jahrhundert, ist jedoch nicht beschränkt darauf. Ausdrücklich eingeladen sind Beiträge, die Kontinuitäten und Brüche in einer längerfristigen Perspektive thematisieren, sowie solche, die gesellschaftspolitische und rechtliche Entwicklungen nach 1945 in den Blick nehmen. In räumlicher Hinsicht gibt es keine Beschränkungen, Studien zu einzelnen Ländern/Regionen sind ebenso willkommen wie transnationale Vergleichsstudien. Die thematischen bzw. zeitlichen Querschnitte sollen an übergeordnete Fragen nach Kontinuitäten und Brüchen im Umgang mit Homosexualitäten, nach den Möglichkeiten und Grenzen gesellschaftlicher Intervention und nach der Rolle sozialer Bewegungen anschließen.
Beiträge können etwa zu rechtspolitischen Aushandlungsprozessen im Vorfeld von Gesetzesänderungen und den darin beobachtbaren Argumentationsfiguren verfasst werden. Auch Fragen nach Einflussfaktoren auf eine variierende Verfolgungsintensität sowie nach internationalen Kontexten und Entwicklungen, die nationale (Rechts-)Politiken und Aktivismen beeinflussen, können bearbeitet werden. In diesem Zusammenhang sind vor allem, aber nicht ausschließlich, Arbeiten zur Zeit nach dem Nationalsozialismus erwünscht. Darüber hinaus können die Rolle pathologisierender Homosexualitätskonzepte einerseits, etwa aus den Bereichen Medizin/Psychiatrie, Sexualwissenschaften oder Psychoanalyse, und der Strafverfolgung andererseits für zivilgesellschaftliches Engagement sowie für die sich verändernden Fremd- und Selbstbilder von Gruppen und einzelnen Akteur_innen in den Blick genommen werden. Für die Frage nach Gedenkpolitiken können die Konsequenzen der jahrzehntelangen Tabuisierung von homosexuellen NS-Opfern in wissenschaftlicher Forschung und in der Vergangenheitspolitik nach 1945 untersucht werden. Denkbar sind auch Auseinandersetzungen mit gesundheitspolitischen Debatten im Zusammenhang mit der AIDS-Krise der 1980er-Jahre, wie etwa mit der Renaissance von Sittlichkeitsdiskursen im Gefolge dieser Krise, die einer medizinisch-wissenschaftlichen Reaktion entgegenstanden.
Über die Bearbeitung dieser exemplarisch angeführten thematischen Aspekte hinaus sollen auch theoretisch-konzeptuelle und methodologische Fragestellungen in den Blick genommen werden. Und auch auf dieser Ebene regen wir an, die Frage nach dem Einfluss von Politiken auf die Entwicklung von Theorien und Methoden gegebenenfalls aufzugreifen. Gerade im Bereich queer-theoretischer Ansätze haben Auseinandersetzungen über In- und Exklusionsmechanismen Theoriedebatte in den letzten Jahren vorangetrieben und die akademische Welt zur Produktivität geradezu herausgefordert.

Prozedere
Die Beiträge können in deutscher und englischer Sprache eingereicht werden. Wir erbitten Abstracts von ein bis zwei Seiten, die eine Beschreibung des Untersuchungsgegenstands, der Fragestellung, der Methode und Quellen, auf die im Artikel zurückgegriffen werden soll, beinhalten, sowie einen kurzen CV inkl. themenspezifischer Publikationen.
Neben umfangreichen wissenschaftlichen Artikeln im Umfang von bis zu 60.000 Zeichen (inklusive Fußnoten und Leerzeichen) werden auch themenspezifische Forumbeiträge – Berichte über Forschungsprojekte, Tagungen und Ausstellungen sowie Essays zu aktuellen gesellschaftspolitischen Fragen aus historischer Sicht mit bis zu 20.000 Zeichen (inkl. Fußnoten und Leerzeichen) – sowie Review Essays/Sammelrezensionen veröffentlicht. Auch für diese Rubrik können Beitragsvorschläge eingereicht werden.
Alle wissenschaftlichen Aufsätze unterliegen einem anonymen internationalen Begutachtungsverfahren. Über die Veröffentlichung von Manuskripten entscheiden die Herausgeber_innen der ÖZG auf Grundlage der Gutachten.

Zeitplan
- Ende September 2016: Ende Einreichungsfrist
- Oktober 2016: Bekanntgabe der ausgewählten Artikel
- März 2017: Abgabe Artikel

Ihre Einreichung senden Sie bitte an:
homosexualitaeten.wiso@univie.ac.at

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The Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften (ÖZG) (Austrian Journal of Historical Studies) is preparing an issue with the working title:
Homosexualities revisited

Almost 20 years ago, an issue of the Austrian Journal of Historical Studies already addressed the topic of homosexualities (ÖZG, Homosexualitäten, volume 9, number 3, 1998). Franz X. Eder, one of the editors, argued in its preface that the term “homosexuality” in singular cannot live up to the complexity and diversity which historical research on homosexuality had brought forth. The topics, theoretical perspectives, and methodological approaches gained even more complexity and diversity since then. The main themes of studies in this field, however, remained the same: identities oscillating between ascriptions and self-denominations, gender-related questions, changing scope of action, and discrimination and persecution, which by no means have become obsolete. For that reason, the Austrian Journal of Historical Studies takes up the topic of homosexualities again, hence the title: Homosexualities revisited.

In view of the fact that the social parameters have changed a lot since then – whereas many European Criminal Codes still contained discriminating regulations 20 years ago, some states are even granting same-sex marriage nowadays – we like to focus on how the field of research has developed hitherto. Which questions faded into the background, which questions came up? What are the top priorities? Has the history of homosexualities become obsolete, now that many political goals – decriminalization, antidiscrimination, legal recognition of same-sex partnerships – have been achieved? This leads to the question: to what extent is historical research subjected to identity politics, or should/ought/may academia emancipate from the political agenda of LGBTIQ-movements? 20 years ago, Franz X. Eder stated a “massive politicization” of the history of homosexuality by gay and lesbian emancipation movements since the 1970ies which was predominantly expressed through conflicting essentialist and constructivist positions.
What relations between historical research and political agenda can be detected today? How do researchers and activists position themselves to one another, especially when both positions incarnate in the same person? To what extent does historical research intervene into current disputes on identity and social politics? What questions are raised in the academic field? Finally, is homosexuality – in view of ever more diversifying concepts of sexuality – still a useful category of historical research?

Possible topics and questions of research
The upcoming issue of the Austrian Journal of Historical Studies aims to present recent research on legal, historical, social, and political aspects of the persecution and the recognition of homosexuality, as well as studies on lived experiences and changing scope of action of historical subjects. We especially welcome contributions regarding legal, social, cultural, and conceptual history, history of science and history of discourse. We also look forward to historical studies on LGBTIQ movements as well as individual biographical studies.
We would like to focus on the 20th century, but we are open for proposals with a different periodical focus. We are particularly interested in contributions analysing long-term developments, especially social and legal developments after 1945. There is no exclusive geographical focus. Regional and national studies as well as transnational comparative studies are likewise welcome. Thematic and periodical cross-sections should align with leading questions of continuities and ruptures in dealing with homosexualities, possibilities and limitations of societal intervention, and the role of social and political movements.
Possible contributions may, for example, concentrate on discourses and arguments in legal policy debates in the run-up to legal reforms, or may analyse fluctuations in the intensity of persecution of homosexuality. They may also focus on international contexts and developments which influenced national (legal) policies or forms of activisms. In this regard, we are especially – but not exclusively – interested in studies focusing on the period after National Socialism. Proposals may likewise examine the role of pathological concepts of homosexuality stemming from disciplines such as medicine, psychiatry, sexual science or psychoanalysis. The influence of criminal prosecution on the emancipation movement as well as on changing ascriptions and self-denominations of groups or individuals might also be studied. With regards to politics of commemoration, the consequences of the long lasting refusal to grant former inmates of Nazi Concentration Camps confined for homosexuality the status of victims could be explored, as well as the very late interest of academia in this topic. Studies of debates on healthcare policies in the wake of the AIDS-crises in the 1980ies, could focus, for example, on the renaissance of discourses of morality which threatened to thwart a medical reaction on the crises.
We also encourage contributors to discuss theoretical, conceptual and methodological aspects of historical research on homosexualities. Furthermore, we suggest to reflect the influence of emancipation policies on the development of theoretical perspectives and methodological approaches. Debates on inclusion and exclusion have, after all, been very productive for the area of queer theory in recent years, challenging the world of academia.

Editorial procedures
We accept articles in German and in English. An abstract of the article (one to two pages) and a short CV including relevant publications must be sent by the end of September 2016. The abstract should outline the topic of the article, the problem(s) discussed, the research question(s), the methods which will be applied and the sources which will be studied.
Besides comprehensive scholarly articles which may contain up to 60.000 characters, smaller contributions to the Forum – such as reports on ongoing research projects, conferences and exhibitions, and essays on current issues from a historical perspective (up to 20.000 characters) – as well as review essays can be submitted.
All scholarly articles will be peer-reviewed according to international standards. The editors of the issue decide on the publication of the articles based on the reviews.

Timeline
End of September 2016: Application deadline
October 2016: Applicants will be informed whether they are invited to contribute to the issue
March 2017: Submittal of the articles for peer-review

Please send your proposal to:
homosexualitaeten.wiso@univie.ac.at

Programm

Kontakt

Mag.a Elisa Heinrich

Institut für Zeitgeschichte
Altes AKH
Spitalgasse 2–4/Hof 1
A-1090 Wien

elisa.heinrich@univie.ac.at