Umsiedlung, Deportation, Vertreibung. Ethnische „Säuberungen“ im 20. Jahrhundert ― neue Bedrohung für Europa?
Europa ist 2015 – 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges – wieder mit Gewaltpolitik konfrontiert. Umsiedlung, Deportation und Vertreibung waren bereits im 20. Jahrhundert für Menschenrechtsverletzungen größten Ausmaßes verantwortlich. Anlass für die Stiftungen Flucht, Vertreibung, Versöhnung und Topographie des Terrors in einer gemeinsamen Veranstaltungsreihe die Dimension damaliger ethnischer „Säuberungen“ aufzuzeigen sowie aktuelle Gefahren zu diskutieren.
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„Ethnische Säuberungen“ im Europa des 20. Jahrhunderts. Ursachen und Folgen
Ethnische „Säuberungen“ sind die dunkle Kehrseite unserer modernen Nationalstaatsbildung. Bereits im 19. Jahrhundert entwickelten sich der Balkan und die außereuropäischen Kolonien zu Lernorten dieser Gewaltpolitik. Ab 1914 kam es zu Massendeportationen im Russischen und im Osmanischen Reich, in letzterem sogar zu einem Völkermord (Armenier). Der griechisch-türkische „Bevölkerungstransfer“ von Lausanne 1923 wurde zum Politikmodell, das im Zweiten Weltkrieg die Vertreibung der Deutschen legitimierte ― und die Alternativen Vielvölkerstaat oder Minderheitenschutz zeitweilig zurückdrängte. Der NS-Genozid an sechs Millionen Juden ist der bisher schlimmste Fall der völkermörderischen Variante; die Zwangsmigration von über zwölf Millionen Deutschen der bisher schlimmste Fall der Vertreibungs-Variante. Seither prägt diese Gewaltpolitik unsere Welt ― von Palästina, Indien/Pakistan bis zu Jugoslawien und Ruanda.