Macht-Räume in der DDR

Macht-Räume in der DDR

Veranstalter
Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung (IRS)
Veranstaltungsort
Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung (IRS), Erkner
Ort
Erkner
Land
Deutschland
Vom - Bis
24.09.2015 - 25.09.2015
Deadline
15.04.2015
Von
Oliver Werner

In neueren Forschungsdebatten zur DDR-Geschichte erhalten Analysen der spannungsvollen Aushandlungsprozesse zwischen staatlichem Machtanspruch und alltagskulturell verankertem „eigensinnigen“ Handeln der Bevölkerung besondere Aufmerksamkeit. Arbeiten etwa von Jan Palmowski, Andrew Port und Mary Fulbrook haben in Abgrenzung zu älteren, vielfach totalitarismustheoretisch gefärbten Ansätzen aufgezeigt, dass die DDR als ein überaus komplexes, keineswegs monolithisches oder strikt zentralistisch gesteuertes Herrschaftssystem zu verstehen ist, dessen Stabilität sich nicht allein mit Verweis auf den Partei- und Staatsapparat erklären lässt. Bezeichnungen wie „participatory dictatorship“, „Fürsorge“- oder „Konsensdiktatur“ fassten die Dualismen und Interaktionen zwischen staatlichen Herrschaftsträgern und der Gesellschaft in neue Konzepte und stellten die vielfältigen Formen der Teilhabe der Bevölkerung und deren Einbindung in das sozialistische System in den Fokus.

Als Folge der auf gesellschafts- und alltagsgeschichtliche Fragen konzentrierten neueren Forschungen, die auf wichtige Legitimationsmechanismen des DDR-Herrschaftssystems aufmerksam gemacht haben, sind inzwischen die Rolle der top-down agierenden staatlichen Apparate und die zentralistisch organisierte Parteiherrschaft der SED teilweise in den Hintergrund getreten. Die Integration beider Forschungsstränge von eher alltagsgeschichtlich ausgerichteten und von primär auf die Staats- und Parteiapparate orientierten Untersuchungen bleibt nach unserer Auffassung eine wichtige Aufgabe der DDR-Forschung. Der Blick auf die räumliche Dimension von Macht und Herrschaft und damit auf „Macht-Räume“ in der DDR ergänzt nicht nur die Forschung substanziell, sondern bietet vielversprechende Ansätze dafür, die verschiedenen Perspektiven miteinander zu verbinden.

Forschungen zum DDR-System haben zwar auch bisher die räumlichen Dimensionen nicht durchweg ausgeblendet. Doch untersuchten sie entweder grundsätzliche Fragen der Herrschaftsausübung auf regionaler oder lokaler Ebene oder konzentrierten sich auf stadtgeschichtliche Fallstudien. Sozialräumliche Disparitäten und politische bzw. Macht-Asymmetrien, die eine wichtige Rolle bei der Erosion sozialistischer Legitimation und Ideologie spielten, wurden bisher selten untersucht und rücken erst in jüngster Zeit verstärkt ins Blickfeld der Forschung.

Eine Perspektive, die die „räumliche Reichweite der Macht“ und deren Grenzen in den Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses stellt, kann die Mechanismen staatssozialistischer Herrschaft sowohl aus alltags- als auch aus der Sicht des zentralistischen Staates und damit die Verschränkung von top-down und bottom-up gesteuerten Vorgängen in politischen Aushandlungsprozessen erfassen. Dabei geraten sowohl Strategien der Delegierung von Macht im zentralistischen Staatsaufbau an nachgeordnete Akteure als auch die Durchsetzung des staatlichen Gestaltungsanspruchs von Lebensräumen in den Blick. Die Delegierung von Aufgaben an regionale Machtträger – etwa an Territorialplaner und Exekutivorgane in den Bezirken und Kreisen – schuf auf diesen Ebenen Handlungsspielräume, die bei der Ausführung zentraler Vorgaben relativ frei gestaltet werden konnten. Umgekehrt war die Aneignung von Räumen – etwa im städtischen Kontext durch Jugendliche, oder im ländlichen Bereich durch LPG-Aktivisten – immer nur begrenzt steuer- oder kontrollierbar. Ebenso konnte das Verlangen der Bevölkerung nach „sozialistischer“ Urbanität von der politischen Führung weder vollständig antizipiert noch gar gelenkt werden. In raumbezogenen, potenziell immer konflikthaften Interaktionen manifestierten sich so auf spezifische Weise die Praktiken und Grenzen der Diktatur und wurden täglich neu ausgehandelt.

Die Konferenz „Macht-Räume in der DDR“ diskutiert – entsprechend diesem Ansatz einer Verschränkung der Perspektiven – Wirkungsweisen von Herrschaftspraktiken in institutionell, sozial, territorial und symbolisch geformten Räumen. Geplant sind folgende thematische Sektionen:
- Methodisch-theoretische Grundlagen raumbezogener Analysen sozialistischer Herrschaft
- Planung als Usurpation der Zukunft
- Machtraum Kulturpolitik
- Konfigurationen sozialistischer Herrschaft im lokalen Kontexten und im Alltag
- Urbanisierung zwischen Herrschaft und Delegierung
- Kontraktionen der Macht: die 1980er Jahre
- Jenseits der DDR: Entwicklungslinien und Bezugspunkte im europäischen Kontext des 20. Jahrhunderts

Die Veranstaltung bildet die Abschlusskonferenz des DFG-Projekts „Die DDR-Bezirke – Akteure zwischen Macht und Ohnmacht“, das seit Mai 2012 am Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung durchgeführt wird (http://www.irs-net.de/forschung/forschungsabteilung-5/DDR-Bezirke/).
Wir freuen uns über Vorschläge für Referate von auf diesem Feld arbeitenden Forscherinnen und Forschern und laden insbesondere Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler zur Bewerbung ein. Die Reisekosten der Referentinnen und Referenten werden übernommen.
Bitte senden Sie Ihren Vorschlag für einen zwanzigminütigen Vortrag (Exposé bis 400 Wörter) sowie eine Kurzbiografie bis zum 15. April 2015 als Worddokument an Oliver Werner (wernero@irs-net.de).

Christoph Bernhardt
Lena Kuhl
Oliver Werner

Programm

Kontakt

Oliver Werner

Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung (IRS)
Flakenstraße 28-31, 15537 Erkner
03362/793-285

wernero@irs-net.de

http://www.irs-net.de/forschung/forschungsabteilung-5/DDR-Bezirke/index.php
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Land Veranstaltung
Sprach(en) der Veranstaltung
Deutsch
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