Parlamentskritik und Antiparlamentarismus in Europa

Parlamentskritik und Antiparlamentarismus in Europa

Veranstalter
Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien (KGParl); European Information and Research Network on Parliamentary History (euparl.net)
Veranstaltungsort
Vertretung des Landes Rheinland-Pfalz, In den Ministergärten 6, 10117 Berlin
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Vom - Bis
07.05.2015 - 08.05.2015
Deadline
30.04.2015
Von
Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Berlin

Opposition und Kritik begleiteten die Parlamentarisierung der europäischen Nationalstaaten von Beginn an: ob Royalismus, Radikalismus oder gewaltsamer Anti-Parlamentarismus von links oder rechts – Parlamente sahen sich stets einer prinzipiellen Gegnerschaft ausgesetzt. Die Argumente und oppositionellen Praktiken der Gegenkräfte gleichen sich auf verblüffende Weise. So wurden Parlamentarier von allen Seiten mit dem Vorwurf konfrontiert, lediglich ein politisches Theater zur Verschleierung und Täuschung des Volkes über die wahren Machtverhältnisse zu inszenieren. Die parlamentarische Rhetorik sei eine Form uneigentlichen Sprechens, die in Hinterzimmern getroffene Entscheidungen nachträglich lediglich simuliere. Die Kritik der Gegner wurde auch von Parlamentariern selbst geteilt, ganz offenbar widersprach die parlamentarische Praxis ihren Idealvorstellungen von Demokratie und Parlamentarismus. Diese Grundspannung zwischen Idealparlamentarismus und Praxiserfahrung wird Thema der Tagung sein. Die Veranstalter der Tagung gehen davon aus, dass die permanente Virulenz dieses Gegensatzes die Kontinuität und gleichmäßige Resonanz antiparlamentarischer Diskurse in Europa erklärt. Semantische Verschiebungen oder neue Argumente der Kritik treten im Zuge des Verfassungswandels parlamentarischer Systeme auf, ohne dass sich das Arsenal grundsätzlich ändert. So scheidet etwa der royalistische Antiparlamentarismus aus der Front der Gegner aus, als sich das Gegenmodell der Monarchie von Gottes Gnaden historisch erledigt hat – nicht aber das Repertoire royalistischer Kritik: So bleiben die vom Standpunkt des aristokratischen Elitenparlamentarismus gegen gewählte Volksvertreter erhobenen Vorwürfe der Abhängigkeit, Bestechlichkeit und Inkompetenz in allen politischen Lagern weiterhin aktuell. Im Kontext der Massendemokratie des 20. Jahrhunderts werden diese Argumente zu einer der schärfsten Waffen des Anti-Parlamentarismus.
Anti-parlamentarische Strömungen und Parteien sind ein häufig behandeltes Thema der Parlamentarismusforschung. Die Veranstalter möchten daher andere und neue Akzente setzen, ohne die klassischen Ansätze und Methoden der Anti-Parlamentarismus-Forschung auszublenden. Die Konferenz nimmt bewusst Abstand von der üblichen Differenzierung nach politischen Lagern der Parlamentarismuskritik – nicht zuletzt deshalb, weil sie von der Konsistenz lagerübergreifender Argumente und Bilder in einem transnationalen Diskurszusammenhang ausgehen: Europa bildet von Beginn an einen weitgehend einheitlichen Resonanzraum parlamentarischer Kritik. Daher eignet sich das Thema auch besonders gut für eine vergleichende Betrachtungsweise. Durch den Abendvortrag des Bundestagspräsidenten Norbert Lammert nimmt zudem ein prominenter Politiker Stellung, der grundsätzliche, bis in die Gegenwart reichende Aspekte des Themas besonders herausheben kann.

Programm

Donnerstag, 7. Mai 2015

14.00 Uhr
Marie-Luise Recker (Frankfurt am Main): Einführung in die Tagung

14.15 Uhr Keynote
Jean Garrigues (Orléans): Criticism of Parliamentarism & Anti-parliamentarism in Europe

1. Argumente und Bilder (Moderation: Remieg Aerts, Nijmegen)

15.00 Uhr
Paul Friedland (Cornell, NY): »The Assembly that Pretends to be National«: Anti-Theatricality and Anti-Parliamentarism in Revolutionary France

15.45 Uhr
Nicolas Roussellier (Paris): The impact of a repertoire: anti-parliamentarian attitudes in the French Republican experience

16.30 Uhr Pause

17.00 Uhr
Suzanne S. Schüttemeyer (Halle/Wittenberg): Forum der Nation oder Gesetzgebungsbürokratie? Kritik am Arbeitsparlamentarismus

17.45 Uhr
Adéla Gjuríčova (Prag): Anti-politics and anti-parliamentarism: Václav Havel and the Czechoslovak parliament in the 1990s

18.30 Uhr Ende

20.00 Uhr Abendvortrag
Präsident des Deutschen Bundestages Norbert Lammert

Fr., 8. Mai 2015

2. Medien und Arenen der Kritik (Moderation: Jure Gasparic, Ljubljana)

10.00 Uhr
Theo Jung (Freiburg): Das Parlament als Bühne der Kritik

10.45 Uhr
Thomas Lindenberger (Potsdam): Die Straße als Politik-Arena im langen 20. Jahrhundert

11.30 Uhr Pause

11.45 Uhr
Barbara Wolbring (Frankfurt am Main): Massenmedien als Bühne und Tribunal. Das Parlament in der Mediendemokratie

3. Akteure und Praktiken des Anti-Parlamentarismus (Moderation: Janko Prunk, Ljublijana)

13.45 Uhr
James Retallack (Toronto): The Non-Voter: Rethinking the Category

14.30 Uhr
Andreas Biefang (Berlin): »Kiss my rump« – Zur Geschichte einer anrüchigen Bildfindung der Parlamentskritik

15.15: Pause

15.45 Uhr
Benjamin Conrad (Mainz): Opposition durch Obstruktion: Zu den Strategien von Parlamentariern der nationalen Minderheiten im Polen und Lettland der Zwischenkriegszeit

16.15 Uhr
Pasi Ihalainen (Jyväskylä): Royalists, republicans, revolutionaries: Criticism of parliamentarism in Swedish and Finnish debates and practices in comparison with Britain, Germany and Russia, 1917-19

17.00 Uhr
Andreas Schulz (Berlin): Bilanz der Tagung

Ca. 17.30: Ende der Konferenz

Eine Tagungsgebühr wird nicht erhoben. Zur besseren Planung bitten wir um Anmeldung bei info@kgparl.de .

Kontakt

Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien e.V. (KGParl)
Schiffbauerdamm 40, 10117 Berlin
Telefon: +49. (0)30. 206 33 94-0
Telefax: +49. (0)30. 206 33 94-50
E-Mail: info@kgparl.de
Internet: www.kgparl.de

http://www.kgparl.de/2015-aktuelles/info-15-03-25.html
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