2. Werkstatt im Rahmen des Netzwerks VAS. Vor-Augen-Stellen: Rahmung und Spiegelung. Wiederholungsfiguren in Text, Bild und illustrierten Texten

2. Werkstatt im Rahmen des Netzwerks VAS. Vor-Augen-Stellen: Rahmung und Spiegelung. Wiederholungsfiguren in Text, Bild und illustrierten Texten

Veranstalter
DFG-Netzwerk: VAS - Vor-Augen-Stellen
Veranstaltungsort
ZEMAK, Universität Köln
Ort
Köln
Land
Deutschland
Vom - Bis
24.11.2017 - 25.11.2017
Deadline
30.04.2017
Von
Pia Selmayr

2. Werkstatt im Rahmen des Netzwerks VAS. Vor-Augen-Stellen: Rahmung und Spiegelung. Wiederholungsfiguren in Text, Bild und illustrierten Texten (24/25. November 2017, ZEMAK, Universität zu Köln)

Aus mittelalterlicher Zeit sind literaturtheoretische Überlegungen in Bezug auf die volkssprachliche Literatur nicht überliefert, obgleich die Sprache der epischen und religiösen Texte als anschaulich bezeichnet werden kann. Eine Nähe zur Evidenz der Bilder kann nicht übersehen werden (Hoeps, Handbuch der Bildtheologie). In literarischen Texten und in Bildern sind allerdings zunehmend Formen
von Selbstreflexivität im Sinne einer mise en abyme auszumachen. Diese in Bildwerken vorfindlichen
Strategien sind den Exkursen und den metapoietischen Aussagen literarischer Werke vergleichbar,
insofern diese Kernaussagen der Handlung, Ideen des Autors und damit auch Aspekte einer literaturtheoretischen
Konzeption verdichten. Auch die kommunikativen Bedingungen der Rede können auf
diese Weise metadiegetisch gespiegelt und innerliterarisch zur Schau gestellt werden. Es sind medial
komplexe Passagen, die das Wiederholte und das Wiederholende zugleich vor Augen stellen. Als
Wiederholungsfiguren sind sie selbstreflexiv.

Für Bild und Illustration lassen sich vergleichbare Momente beschreiben. Es ist ein auf Platon zurückgehender
Gedanke, dass der Spiegel als Schlüsselmetapher für das Malen verstanden werden
kann, so wie Alberti im Narziss den mythischen Begründer der Bildkunst sieht. So stehen Bild und
Illustration zu einem Vorausliegenden (‚Wirklichkeit’ bzw. ‚Text’) in einem mimetischen, einem abbildenden
Verhältnis. Das bildtheoretische Konzept des gemalten Spiegels und des Bildes im Bild wird
von der christlichen Malerei bis in die Moderne tradiert. Sicher wandelt sich die Art und Weise der
Selbstreflexivität im Zuge der erkenntnistheoretischen Verschiebungen zwischen Mittelalter, Früher
Neuzeit und 18. Jahrhundert fundamental, doch die intramediale Verdoppelung des Mediums bleibt
erhalten. Und über diese Wiederholungsfigur sind die Verfahren des Vor Augen Stellens erschließbar,
weil Referiertes und Referierendes simultan gezeigt und zugleich in ihrem Verhältnis deiktisch evident
werden.

Da alle Formen medialer Wiederholung im Medium selbst dem rhetorischen Verfahren der mise en
abyme verwandt sind, rücken gerahmte ‚Spiegelungen’ unterhalb der Ebene des dargestellten Ganzen
in den Blick. Auf dieser nachgeordneten Ebene ist es möglich, Auskunft zu erhalten über die formale
und über die interaktive Relation von vor Augen Gestelltem und unmittelbarem Kotext und Kontext.
Solche intramedial-selbstreflexiven Formen zeigen die eigenen medialen Bedingungen, weil diese
selbst in den Text bzw. ins Bild eingebettet sind und zur Schau gestellt werden. Heuristisch können
für intramediale und intermediale Wiederholungen abbildende, narrative, repräsentierende und kommentierende
Relationen zum Wiederholten unterschieden werden. Doch gleichermaßen ist an Formen
der Auratisierung, Paradoxierung und der rhetorischen Verdunklung zu denken, die der selbstreflexiven
Idee und der Identifizierungsleistung der Wiederholungsfigur nicht zu entsprechen scheinen, wenn
man an die Metapher des blinden, dunklen, unebenen Spiegels denkt oder aber an religiöse Lichtmetaphoriken,
an metaphorisch aufgeladene Exkurse oder Metaphern in Metaphern, die der Dechiffrierung
des eigentlich Gemeinten entgegenzuarbeiten scheinen.

Die Werkstatt lädt ein über die hier skizzierten Formen von Rahmung und Spiegelung in Text und
Bild nachzudenken, um anhand des sichtbaren bzw. greifbaren Umgangs mit referentiellem Wissen
das Bedingungsgefüge des Vor-Augen-Stellens genauer zu bestimmen. Selbstreflexion innerhalb des
Bild- und Textmaterials, aber auch anhand von in den Text inserierten Illuminationen ist immer zugleich
Medienreflexion. Es soll darum gehen, heterogene Figuren der Wiederholung zwischen Repräsentation/
Vergegenwärtigung und Evidenz/ Präsenz zu beschreiben. Einerseits verweist das Wiederholte
auf seinen Referenten, dem es damit hierarchisch nachgeordnet zu sein scheint. Andererseits
intensiviert, potenziert und pluralisiert die Wiederholung und schiebt das Gezeigte auf diese Weise in
den Raum der Präsenz. Doch lassen sich neben solchen Formen der Steigerung, Bekräftigung und
Explikation auch Formen der Inversion und der Abwertung greifen, wenn sich ein Bedeutungsgefälle
beobachten lässt, wenn das Wiederholte als Alternative des Wiederholten vor Augen gestellt wird. Die
zentrale Frage ist also, wie die eigentliche Bedeutung des Gezeigten (das vor Augen Gestellte an
sich) jeweils mit dem semantischen Gehalt des Verweisens verbunden ist. Ausgangspunkt für die
Referate können Binnenerzählungen und das Bild im Bild selbst sein, Motive der Selbstreflexivität
(Narziss, Spiegel, Vanitas, Portrait usf.) oder aber auch systematische Überlegungen zum Phänomen
der mise en abyme in den Künsten.

Forschungsansätze, die das Interesse der Werkstatt flankieren, lassen sich mit den Schlagwörtern
Interpiktoralität, Metaisierung, Mimesis, Potenzierung, Selbstdarstellung bzw. Selbstreflexivität erfassen.
Die literatur- und bildtheoretischen Überlegungen zum Gegenstandsbereich der Wiederholung
gehen dabei entweder von den Wiederholungsfiguren selbst aus, wenn sie ihre Beiträge etwa unter
dem Stichwort der Metaisierung bündeln und schließen von dort auf das Allgemeine (Belting, Spiegel;
Hauthal, Metaisierung; Stoichita, selbstbewußtes Bild; Wolf, Illusionsdurchbrechung u.a.), oder sie
schlagen den umgekehrten Weg ein unter dem Stichwort der Selbstreflexivität (etwa: Böhn, Vollendete
Mimesis; Buch, Selbstreflexivität; Anton, Selbstreflexivität, Mann, Erscheinen, Nöth, Mediale Selbstreferenz,
Scheffel, Formen selbstreflexiven Erzählens).

Das zu bearbeitende Gegenstandsfeld im Zeitraum zwischen 1100 und 1700 umfasst erstens das
mimetische Verhältnis von Text und Bild und es reicht zweitens von in den Text inkludierten Figuren
bis zu Erzählungen in Erzählungen und drittens von bildinternen Wiederholungen, Rahmungen und
Spiegelungen aller Couleur bis hin zum Bild im Bild. Wiederholungsfiguren als Ausdruck des Vor-
Augen-Stellens sollen damit auf unterschiedliche Weise perspektiviert und konturiert werden. Das
Themenspektrum ist breit gefächert. Möglich sind Beiträge zu:

1. Identität und Differenz von Repräsentierendem und Repräsentiertem
2. Raumkonzeption im Blick auf das Verhältnis von Repräsentierendem und Repräsentiertem
3. Simultaneität und Ungleichzeitigkeit
4. Bedeutungsbildung (mögliche Stichworte wären hier einerseits intramediale bzw. intermediale Bedeutungspluralisierung,
-verdichtung, -zirkulation und andererseits intramediale bzw. intermediale
Abwertung, Bedeutungsreduktion bzw. -verdunklung)
5. Evidenzerzeugung durch Verdopplung, Verdichtung usf. (etwa bei vanitas-Darstellungen und Pleonasmen)
6. Verrätselung und/oder Paradoxierung (etwa Wiederholung als Irritation semiotischer Relationen)
7. Wiederholung und Spiegelung als Annäherung an das Undarstellbare im religiösen Kontext
8. Iteration als Mittel der Potenzierung des vor Augen Stellens bzw. des vor Augen Gestellten

Wir möchten Kunst- und Literaturhistoriker gleichermaßen auffordern, sich mit passenden Problemstellungen
aus ihrem Fach oder interdisziplinären Fragestellungen an der 2. VAS-Werkstatt zu beteiligen.
Bitte schicken Sie Ihre Vorschläge als einseitiges Exposé nach Möglichkeit bis zum 30.04.2017
an: fwenzel2@uni-koeln.de

Programm

Kontakt

Franziska Wenzel

Universität zu Köln, Ältere Deutsche Sprache, Albertus Magnus Platz, 50923 Köln

fwenzel2@uni-koeln.de

http://idsl1.phil-fak.uni-koeln.de/dfg-netzwerk.html