Medialität und Materialität „großer Narrative“: Religiöse (Re-)Formationen

Medialität und Materialität „großer Narrative“: Religiöse (Re-)Formationen

Veranstalter
Interdisziplinäres Zentrum für Mittelalter und Frühneuzeit der Univ. Salzburg / Institut für Realienkunde des Mittelalters und der frühen Neuzeit, Krems (Univ. Salzburg)
Veranstaltungsort
Ort
Krems an der Donau
Land
Austria
Vom - Bis
27.09.2017 - 29.09.2017
Deadline
15.03.2017
Von
Interdisziplinäres Zentrum für Mittelalter und Frühneuzeit der Univ. Salzburg / Institut für Realienkunde des Mittelalters und der frühen Neuzeit, Krems (Univ. Salzburg)

Zielsetzung der Tagung

Das Interdisziplinäre Zentrum für Mittelalter und Frühneuzeit (IZMF) an der Universität Salzburg widmet sich seit 2016 in Zusammenarbeit mit dem Institut für Realienkunde des Mittelalters und der frühen Neuzeit (IMAREAL) dem Forschungsschwerpunkt „Materia narrata – Materia narrandi. Medialität, Materialität und Dynamik ‚großer‘ Narrative“. Narrative sind grundlegende Konstituenten sozialer Identitäten: Innerhalb von Gemeinschaften wirken sie traditionsbildend und somit stabilisierend, in kulturellen Kontexten sind sie aber ebenso Ergebnis wie Medium des soziokulturellen Wandels, bisweilen auch Katalysatoren dieser transformativen Prozesse. Da Narrative durch aktive Vermittlung bzw. die damit verbundenen Perzeptionskontexte medialisiert werden, sind für das Verständnis der jeweiligen Bedeutung eines Narrativs auch seine performativen Settings einschließlich seiner Akteure mit zu bedenken. Performanzen der Vermittlung bieten das Potenzial der Neuinterpretation traditioneller Narrative, sodass nicht nur neue Narrative Wandel auslösen können, sondern auch die Neu- und Umdeutung althergebrachter Inhalte und Vermittlungsformen. Involviert sind hier nicht nur menschliche Akteure, sondern auch jene materiellen Objekte, die als Informationsträger dienen. Materialien und Formate „rahmen“ nicht nur narrative Settings, sondern formen Narrative formal wie inhaltlich durch ihre spezifischen Eigenschaften im Sinne von medialen Potenzialen und Limitierungen: Diese Übersetzungsleistungen von Narrativen, die die Grenzen thematischer, formaler und medialer Kategorien transzendieren, stellen somit ein wesentliches Forschungsfeld dar.

Im Rahmen dieser Tagung soll der Fokus auf den rezeptionsstarken religiösen Narrativen, sowohl im biblischen Kontext als auch in der hagiographischen Überlieferung liegen. Beispiele aus dem Alten Testament sind u.a. Schöpfung, Sündenfall, Sintflut, Turmbau zu Babel, Patriarchenerzählungen, Exodus, die Jona-Erzählung, die Narrative „Tempel“ und „Exil“; aus dem Neuen Testament u.a. die Kindheitserzählungen des Matthäus- und Lukasevangeliums, die Passionserzählungen einschließlich der Abendmahlsberichte, die Osterberichte, daneben aber auch die Narrative „Pfingsten“ oder „Himmlisches Jerusalem“. Die Toratexte bieten überdies die Möglichkeit, jüdische und christliche Überlieferungs- und Medialisierungsprozesse zu vergleichen. Es soll außerdem auch explizit die Einbindung islamischer Narrative als komparativer Ansatz auf dieser Tagung möglich sein.

Ziel der Tagung ist es, aus kulturwissenschaftlicher Perspektive aktuelle Zugänge zum Forschungsfeld zur Diskussion zu stellen, um damit einerseits Impulse für die weitere interdisziplinäre Arbeit im Zentrum, aber auch in größeren Forschungsnetzwerken zu gewinnen. Das Tagungsthema ist daher bewusst breit konzipiert, auch in zeitlicher Hinsicht: Beiträge von der Spätantike bis in die Frühe Neuzeit sind willkommen.

Da sowohl am IZMF als auch am IMAREAL die Digitalen Geisteswissenschaften eine große Rolle spielen, soll auch die Frage der digitalen Repräsentation, Systematisierung und Analyse dieser Narrative und die damit verbundenen Potenziale, aber auch Problemstellungen reflektiert werden.

Folgende Fragestellungen stehen daher im Fokus:

- Entstehung: Wie werden religiöse Narrative „groß“?

- Wem nützen diese Narrative? Wer hat das Potential, Narrative voranzutreiben, zu entwickeln, bzw. auch durch neue Narrative abzulösen?

- Performanz: Wie werden die großen Narrative „inszeniert“? In welcher Form ist z.B. die Liturgie als Vermittlungskontext großer Narrative hinsichtlich von Wechselwirkungen zwischen materialen Überlieferungsträgern (Bibeln, liturgische Bücher) und Performanz innerhalb des Rituals und innerhalb eines gestalteten Raums zu sehen?

- Medialität: Wie werden religiöse Narrative in historischen Medien vermittelt? Welche medialen Mechanismen werden bedient, um diesen Narrativen eine nachhaltige Wirkung zu ermöglichen? Welche Medien spielen für welche Narrative in welchen soziokulturellen Kontexten eine Rolle bzw. werden durch diese zu „Medien“? Welche Interpretationsmöglichkeiten bieten mediale Beziehungssysteme von Narrativen (Literatur, Bildende Kunst, Musik etc.)? Welche Auswirkungen auf die Narrative haben Medienwechsel? Gibt es Wechselwirkungen zwischen mündlich/schriftlich überlieferten Narrativen sowie deren bildlicher, szenischer, musikalischer etc. Vermittlung?

- Materialität: Welche materiellen Träger werden zur Vermittlung der Narrative genutzt? Wie wirken sich Material, Format und Herstellungstechnik auf die Narrative aus?

- Translation und Repräsentation in den digitalen Medien: Wie können Stabilität oder Adaptierungen der „großen“ Narrative mithilfe von Tools der Digital Humanities untersucht werden? Wie können Computeranwendungen bzw. Visualisierungen die Forschungsergebnisse zu großen Narrativen in der Scientific Community bzw. für interessierte Laien besser zugänglich machen? (augmented reality, Computerspiele…) Welche Rolle können in Zukunft Mustererkennung / Computer Vision bei der Untersuchung „großer“ Narrative in digitalen Bildern oder Texten spielen? Wie kann trotz medien- oder materialspezifisch angelegter Datenbanken (z.B. Handschriftendatenbanken, Datenbanken zu Elfenbeinschnitzarbeiten…) eine übergreifende Analyse gewährleistet werden?

Die Themenbereiche sollen nur als Denkanstöße dienen. Es sind auch Themen willkommen, die über die angeführten Aspekte hinausgehen bzw. neue Perspektiven auf die zentralen Fragestellungen eröffnen, wobei wir auf eine möglichst breite disziplinäre Streuung hoffen.
Die Vortragszeit ist auf maximal 30 Minuten beschränkt. Für Vortragende ist ein Zuschuss zu den Reise- und Aufenthaltskosten möglich.

Themenvorschläge sind zusammen mit einem Abstract (maximal 1 Seite; Sprachen: deutsch, englisch, französisch) bis spätestens 15. März 2017 erbeten an:

Institut für Realienkunde des Mittelalters und der frühen Neuzeit
Interdisziplinäres Zentrum für Mittelalter und Frühneuzeit
Universität Salzburg
Körnermarkt 13
3500 Krems an der Donau, Österreich
oder per email: birgit.karl@sbg.ac.at

Wir bitten Sie, diesen Call auch anderen Interessierten zugänglich zu machen. Herzlichen Dank im Voraus!

Manfred Kern, Thomas Kühtreiber, Isabella Nicka und Alexander Zerfaß
Tagungskomitee IZMF/IMAREAL

Programm

Kontakt

Isabella Nicka

Institut für Realienkunde, Körnermarkt 13, 3500 Krems/Donau, Österreich

Sekretariat: birgit.karl@sbg.ac.at

http://www.imareal.sbg.ac.at