Zahnheilkunde und Zahnärzteschaft im Nationalsozialismus

Zahnheilkunde und Zahnärzteschaft im Nationalsozialismus

Veranstalter
Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin (Host); Aachener Kompetenzzentrum für Wissenschaftsgeschichte; RWTH Aachen und Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Veranstaltungsort
Universitätsklinikum Aachen, Spiegelsaal
Ort
Aachen
Land
Deutschland
Vom - Bis
08.06.2017 - 09.06.2017
Website
Von
Mathias Schmidt, Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin, Universitätsklinikum Aachen / Medizinische Fakultät der RWTH Aachen

Die Medizinverbrechen in der Zeit des Nationalsozialismus wurden mit den Nürnberger Prozessen bereits 1946 einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Die organisierte Ärzteschaft in Deutschland schrieb diese Verbrechen jedoch schnell einer kleinen Tätergruppe „tatsächlicher Verbrecher“ und „fanatischer Außenseiter“ zu und zeichnete von sich selbst das Bild unpolitischer Heilbehandler und Wissenschaftler. Diese Perspektive ist in vielen Bereichen der Medizin in den letzten drei Jahrzehnten überwunden worden. Für die Zahnärzteschaft ist der Aufarbeitungsprozess nach vielversprechenden Anfängen in den 1980er Jahren lange nur gebremst erfolgt. Um den Forschungsstand aufzuzeigen, richtete das Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der Universitätsklinik Aachen im März 2015 die Konferenz „Zahnärzte und Dentisten vor, während und nach der Zeit des Nationalsozialismus“ aus. Seit September 2016 bearbeiten (Medizin-)Historiker in Aachen und Düsseldorf gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, der Bundeszahnärztekammer und der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung ein Forschungsprojekt zur „Zahnmedizin im Nationalsozialismus.“
An dieser Stelle setzt die Tagung „Zahnmedizin im Nationalsozialismus“ an. Der Fokus soll auf der Geschichte der deutschen Zahnärzteschaft in der Zeit des Nationalsozialismus liegen. Dabei interessieren besonders die Biografien zahnärztlicher Täter und führender Fachvertreter sowie die fachpolitischen Entwicklungen dieser Zeit. Des Weiteren soll ein Schlaglicht auf Zahnärzte als Opfer der NS-Verfolgungs- und Ausgrenzungspolitik gelegt werden. Es soll danach gefragt werden, welche Handlungsspielräume bestanden und wie diese von Zahnärzten im Nationalsozialismus genutzt wurden.

Überdies stehen systematische Antworten auf Fragen nach dem Umgang mit Kollegen, die aus politischen oder religiösen bzw. rassischen Gründen verfolgt wurden, dem Gleichschaltungsprozess der Fachgesellschaften sowie der inhaltlichen Ausrichtung der verschiedenen Spezialfächer in Forschung, Lehre und Praxis im Nationalsozialismus aus. Der Dualismus der Berufsstände von Dentisten und Zahnärzten, der 1952 in der Bundesrepublik beendet wurde, scheint in der NS-Zeit für die Standespolitik nicht unerheblich gewesen zu sein. Zudem sind institutionelle und personelle Kontinuität und Kohärenz in den zahnärztlichen Ständevertretungen, den Fachgesellschaften und zuständigen Ministerien nach 1945 zu diskutieren.
Schließlich stellt sich aus historiographischer Perspektive die Frage, welche Rolle die Geschichte der Zahnmedizin im Nationalsozialismus zur Medizin- und allgemeinen Geschichte dieser Zeit einnimmt. Inwiefern können und sollen Erklärungsmuster aus anderen Bereichen übernommen werden und welche Eigenheiten weist der Forschungsgegenstand auf?

Programm

Donnerstag, 8. Juni

13.00 Uhr - Begrüßung
Dominik Groß, Projektleiter (Aachen)
Stefan Uhlig, Dekan der Medizinischen Fakultät der RWTH Aachen
Peter Engel, Präsident der Bundeszahnärztekammer (BZÄK)
Roland Frankenberger, Vizepräsident und Präsident elect der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK)
Martin Hendges, stv. Vorstandsvorsitzender der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV)

13.30-14.00 Uhr - Thematische Einführung
Dominik Groß (Aachen): Zahnheilkunde und Zahnärzteschaft im Nationalsozialismus – Ein Problemaufriss

14.00-15.00 Uhr - Zur Situation der Zahnärzte und Dentisten – Das Jahr 1933 als Zäsur
Gisela Tascher (Heusweiler): Die Gleichschaltung der standespolitischen und wissenschaftlichen Verbände der Zahnärzte nach 1933
Katharina Reinecke (Frankfurt): Friedrich Krohn – Ein völkischer Dentist

15.00-15.30 Uhr - Kaffeepause

15.30-17.30 - SS-Zahnärzte – Zwischen Konzentrationslager, Kriegseinsatz und Junkerschule
Jens Westemeier (Aachen): Der Zahnarzt in der SS – Rekrutierung, Ausbildung, Organisation
Menevse Deprem-Hennen (Krefeld): Hugo Blaschke – Konzeptionen des Obersten Zahnarztes der SS
Mathias Schmidt, Jens Westemeier (Aachen): Die SS-Zahnärzte Hermann Pook und Martin Hellinger – Norm oder Sonderfall?
Klemen Kocjančič (Ljubljana/Slowenien): Just an ordinary scoundrel and war criminal – The Life of SS-Obersturmführer Willi Jäger

19.00 Uhr - Öffentliche Abendveranstaltung
Roman Töppel (München): Mein Kampf – Eine kritische Edition, Hörsaal CARL

Freitag, 9. Juni

09.00-10.30 Uhr - Institutionalisierte Zahnheilkunde im Nationalsozialismus
Susanne Ude-Koeller (Erlangen): Johannes Albert Reinmöller (1877-1955) und das Zahnärztliche Institut Erlangen
Wolfgang Kirchhoff (Marburg): Schulzahnärzte im NS-System
Volker Thieme (Bremen): Das Fach Kieferchirurgie und die „rassenhygienische Ausmerze“ der Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten

10.30-10.45 Uhr - Kaffeepause

10.45-12.15 Uhr - Zahnärzte als Opfer des NS-Systems
Matthis Krischel, Marcel Küsters, Thorsten Halling (Düsseldorf): Verfolgte Zahnärzte im Nationalsozialismus – Quellen und Quellenkritik
Thorsten Halling, Frank Sparing, Matthis Krischel (Düsseldorf): „Wer war Dr. Waldemar Spier?“ Das Erinnern an einen im Nationalsozialismus verfolgten Düsseldorfer Zahnarzt und Sportfunktionär
Christian-Alexander Wäldner (Ronnenberg-Weetzen): Zwangsarbeit bei Zahnärzten

12.15-13.15 Uhr - Mittagspause

13.15-15.15 Uhr - Zahnärztebiografien – Brüche & Kontinuitäten im Nachkriegsdeutschland
Stefan Paprotka (Berlin): Walter Hoffmann Axthelm (1908-2001) – Zahnarzt im Nationalsozialismus und seine Nachkriegsjahre in Berlin bis 1961
Ralf Forsbach (Münster): Verfolgt, vertrieben, rehabilitiert. Alfred Kantorowicz und seine Bonner Kollegen (1933-1962)
Dominik Groß (Aachen): „Die Grundfarbe der Geschichte ist grau“ – Reinhold Ritter (1903-1987) und seine Rezeption vor und nach 1945
Anton Guhl (Karlsruhe): Zur Entnazifizierung der universitären Zahnmedizin – Das Beispiel Hamburg

15.15-15.30 Uhr - Abschlussdiskussion

Kontakt

Dr. Jens Westemeier, Dr. Mathias Schmidt und Prof. Dr. Dr. Dr. Dominik Groß
Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin
Medizinische Fakultät der RWTH Aachen
Universitätsklinikum Aachen
Wendlingweg 2, MTI II
52074 Aachen
+49 241 80 89567
jwestemeier@ukaachen.de
www.medizingeschichte.ukaachen.de

Dr. Matthis Krischel
Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf


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Deutsch
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