Normsetzung im Notstand. Außerordentliche Gesetzgebungsbefugnisse im 19. und 20. Jahrhundert

Normsetzung im Notstand. Außerordentliche Gesetzgebungsbefugnisse im 19. und 20. Jahrhundert

Veranstalter
Kommission für Rechtsgeschichte Österreichs (KRGÖ), Österreichische Akademie der Wissenschaften; Forschungsstelle für Rechtsquellenerschließung (FRQ), Institut für Rechts- und Verfassungsgeschichte, Universität Wien
Veranstaltungsort
Juridicum Dachgeschoß, Schottenbastei 10–16, 1010 Wien
Ort
Wien
Land
Austria
Vom - Bis
16.10.2017 - 17.10.2017
Deadline
10.10.2017
Von
Kamila Staudigl-Ciechowicz

Ausgehend vom Kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetz (KwEG) von 1917 werden im Rahmen der Tagung außerordentliche Gesetzgebungsbefugnisse im 19. und 20. Jahrhundert untersucht. Dabei wird nicht nur die Bedeutung dieses Rechtsinstituts in der österreichischen Rechtsgeschichte beleuchtet, sondern auch ein Vergleich mit anderen europäischen Staaten gezogen. Angesichts rezenter Entwicklungen in mehreren europäischen Staaten ist das Thema nicht nur von rechtshistorischem Interesse sondern von hoher verfassungsrechtlicher Bedeutung auch für die Gegenwart.

Die österreichischen Verfassungen des 19. Jahrhunderts kannten, als Relikt des Absolutismus, ein Notverordnungsrecht des Kaisers. Mittels dieser gesetzesvertretenden Notverordnungen konnten rasch – und ohne parlamentarische Mitwirkung – Maßnahmen von hoher rechtlicher Tragweite getroffen werden, wie etwa die drei sog. Teilnovellen zum ABGB 1914/1915/1916. 1917 erließ der Reichsrat das KwEG, welches die Regierung ermächtigte, im Krieg notwendige Verfügungen als gesetzesvertretende Verordnungen zu erlassen. Trotz des engen sachlichen Anwendungsgebiets wurde das KwEG von der Bundesregierung zur Errichtung und Festigung der Regierungsdiktatur 1933 in rechtswidriger Weise verwendet.

Die Tagung macht es sich zur Aufgabe, Parallelen und Unterschiede an diesen Bruchstellen des Rechtsstaates aufzuzeigen. Einen besonderen Stellenwert hat dabei die Frage nach den Mechanismen, die zur Ausschaltung verfassungsrechtlicher Kontrollrechte führten.

Abgerundet wird die Tagung durch eine Podiumsdiskussion, die sich den aktuellen Herausforderungen widmet und unter dem Titel „Neuer Autoritarismus in Europa?“ steht.

Programm

16. Oktober 2017

10:00 Begrüßung und Kaffee

10:30 Eröffnung
Paul Oberhammer, Dekan der Juristischen Fakultät der Universität Wien
Gerhart Holzinger, Präsident des Verfassungsgerichtshofes

11:00 Österreich 1849–1918 (Moderation: Thomas Olechowski)
Gesetzgebungsbefugnisse der Exekutive unter besonderer Berücksichtigung des Notverordnungsrechts im Kaisertum Österreich von 1848–1867 – Christian Neschwara
Die Praxis des § 14-Notverordnungsrechts von 1868 bis 1914 – Helmut Gebhardt
Die zweite Hochblüte des §14. Die Zeit des Ersten Weltkrieges – Anita Ziegerhofer
Die Entstehung und Entwicklung des KwEG – Kamila Staudigl-Ciechowicz

13:00 Mittagspause

14:00 Österreich 1918–1933/34 (Moderation: Christian Neschwara)
Das KwEG in der Ersten Republik – Ilse Reiter-Zatloukal
Die außerordentliche Gesetzgebung im Rahmen der "Genfer Protokolle" – Gerald Kohl
Das Ermächtigungsgesetz 1934 – Helmut Wohnout

15:30 Kaffeepause

16:00 Österreich 1933/34 bis zur Gegenwart (Moderation: Ilse Reiter-Zatloukal)
Das KwEG als Wegbereiter des autoritären Ständestaates – Martin Polaschek
Richterliche Rechtsnormvernichtung im Notstand: Verfassungsgerichtsbarkeit und Notverordnung – Stephan Hinghofer-Szalkay
Das Notverordnungsrecht des Bundespräsidenten – Ewald Wiederin

18:00 Empfang im Palais Epstein

17. Oktober 2017

10:30 Begrüßung und Kaffee

11:00 Deutschland und Italien (Moderation: Anita Ziegerhofer)
Ermächtigungsgesetzgebung in Deutschland zwischen Monarchie und Republik – Christoph Gusy
Das Notverordnungsrecht des Reichspräsidenten in der Weimarer Republik – Thomas Simon
Il Governo legislatore – Regierungsgesetzgebung im faschistischen Königreich Italien 1922–1943 – Thomas Kröll

12:30 Mittagspause

13:30 Polen, Tschechoslowakei, Ungarn und Jugoslawien (Moderation: Kamila Staudigl-Ciechowicz)
Der Ausnahmezustand im Rechtssystem der II. Republik Polen – Marcin Kwiecień
Ermächtigungsgesetzgebung in der Tschechoslowakei – Jaromir Tauchen
Notstand, Krise und Diktatur – Politische Umbruchzeiten und Normgebungsbefugnisse in Ungarn im 20. Jahrhundert – Attila Barna
Ermächtigungsgesetzgebung in Jugoslawien – Borut Holcman

15:30 Kaffeepause

16:00 Internationaler Vergleich und Zusammenfassung
Normsetzung im Notstand in Südamerika: der Fall Brasiliens – Airton L.C.L. Seelaender
Zusammenfassung – Thomas Olechowski

17:00 Podiumsdiskussion: Neuer Autoritarismus in Europa?
Es diskutieren:
Tamara Ehs, Politikwissenschaftlerin
Wilhelm Brauneder, Rechtshistoriker
Christoph Grabenwarter, Verfassungsrechtler
János Perényi, ungar. Botschafter
Moderation: Anita Ziegerhofer

Ausklang bei Brot und Wein

Um Anmeldung bis 10. Oktober 2017 unter http://kweg1917.univie.ac.at/anmeldung/ wird gebeten.

Kontakt

Kamila Staudigl-Ciechowicz

Forschungsstelle für Rechtsquellenerschließung Postgasse 7 1010 Wien

kamila.staudigl-ciechowicz@univie.ac.at

http://kweg1917.univie.ac.at/