Zeitdimensionen der Nachhaltigkeit

Zeitdimensionen der Nachhaltigkeit

Veranstalter
Institut für Medizingeschichte und Wissenschaftsforschung IMGWF, Universität zu Lübeck & Center for Global Sustainability and Cultural Transformation, Leuphana Universität Lüneburg
Veranstaltungsort
Institut für Medizingeschichte und Wissenschaftsforschung der Universität zu Lübeck, Königstraße 42, Lübeck
Ort
Lübeck
Land
Deutschland
Vom - Bis
26.02.2019 - 27.02.2019
Website
Von
Isabell Schrickel

Bereits 1989 hat Helga Nowotny konstatiert, dass die „Umweltschleifen menschlichen Handelns zu Zeitschleifen werden, die auf die Gegenwart zurückwirken“. Das war am Ende des Kalten Krieges bzw. an der Schwelle einer Auflösung der Dreiteilung des Globus in eine Erste, Zweite und Dritte Welt. In diesen Übergängen formiert sich auch die Idee der „nachhaltigen Entwicklung“, markiert durch den Brundtland-Bericht Unsere gemeinsame Zukunft (1987). Inzwischen werden Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft unter dem Begriff Anthropozän ins Verhältnis gesetzt und bekommen infolge des Narrativs der great acceleration einen historischen Index, der von der normativen Ausrichtung an Klima- oder Entwicklungszielen gesetzt wird.
Im Lichte der Erkenntnisse des International Geosphere Biosphere Programme und des Intergovernmental Panel on Climate Change haben inzwischen vor allem Naturwissenschaftler ein neues Geschichtsbild formuliert, das die Gegenwart in eine solche Zeitschleife einwickelt. Danach ist die Gegenwart die Folge von geologisch oder atmosphärisch sedimentierten Handlungen, die wiederum mittels Computersimulationen in die Zukunft fortgeschrieben werden, um auf diese Weise in der Gegenwart zu Handlungsempfehlungen zu führen und damit die Zeitschleife zu schließen. Planetary boundaries, limitierte carrying capacities und erschöpfte carbon budgets prognostizieren eine kulturell bereits vielfältig antizipierte Endlichkeit, die im radikalen Widerspruch zur einst unabsehbar offenen Zukunft der Moderne steht und an Motive aus der Apokalyptik erinnern. Andererseits mobilisieren Nachhaltigkeitsdiskurse gegenwärtig auch utopische Potenziale einer ganz anderen Zukunft, die teilweise auch auf ältere Zukunftsbezüge und –modellierungen rekurrieren. Vielfältige Akteure auf dem Feld versuchen leverage points zu identifizieren, die tiefgreifende Systemveränderungen triggern sollen. Nachhaltigkeitsdiskurse eröffnen insofern neue Fragefelder, die die Zeitgeschichte und Philosophie in besonderer Weise herausfordern. Die Annahme dieser Herausforderung kann zu Erkenntniskategorien führen, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in neuer Weise miteinander in Beziehung setzen und Zukünfte bedenken können, die sowohl erwartbar erscheinen als auch anders sein sollen.
In diesem Sinne untersucht der Workshop Zeitregime, Zukunftsbezüge und die Bedeutung von Geschichte überhaupt im Kontext der Nachhaltigkeitsdiskurse der letzten Jahrzehnte und fragt, inwiefern an diesen Denkformen und Praktiken eine Verschiebung der „Zeitlichkeit der Geschichte” (Reinhart Koselleck), neue Zeitlichkeiten bzw. eine Epistemologie der Historizität beobachtet werden kann. Uns interessiert die epistemologische Herausforderung und komplexe Rekonfiguration von Zeitlichkeit in der Gegenwart als Aufgabe des theoretischen und methodischen Umgangs mit Geschichte in den Geschichtswissenschaften. Zugleich sehen wir in dieser epistemologischen Herausforderung ein Grundlagenproblem der Nachhaltigkeitswissenschaften aufgrund ihrer reflexiven Normativität und der in sie eingelassenen pragmatischen Zukunftsbezüge.
Der Workshop in Lübeck geht diesen Fragen im Format einer interdisziplinären Roundtable-Diskussion nach.

Programm

Roundtable Diskussion mit Christian Geulen, Rüdiger Graf, Andreas Folkers, Stefan Aykut, Manfred Laubichler, Martina Heßler, Frank Uekötter, Baldassare Scolari, Werner Krauß, Sabine Hofmeister, Oliver Leistert, Stefan Willer, Daniel Lang, Lisa Cronjäger, Esther Meyer, Maria de Eguia Huerta.

Organisiert von Cornelius Borck, Christoph Rehmann-Sutter, Christina Schües (Institut für Medizingeschichte und Wissenschaftsforschung IMGWF, Universität zu Lübeck), Gregor Schmieg und Isabell Schrickel (Center for Global Sustainability and Cultural Transformation, Leuphana Universität Lüneburg).

Die Veranstaltung beginnt am 26.2.2019 um 14 Uhr und endet am 27.2. um 14 Uhr.

Der Workshop ist öffentlich. Aus Platzgründen wird um Anmeldung gebeten (schrickel@leuphana.de).

Kontakt

Isabell Schrickel

Universitätsallee 1
21335 Lüneburg (nicht der Tagungsort!)

schrickel@leuphana.de


Redaktion
Veröffentlicht am