Militärische Erinnerungskulturen

Militärische Erinnerungskulturen

Veranstalter
Arbeitskreises Militär und Gesellschaft in der Frühen Neuzeit und Teilprojekt B 10 des SFB 434 ‚Erinnerungskulturen’ (Gießen)
Veranstaltungsort
Gästehaus der Justus-Liebig-Universität Gießen
Ort
Gießen
Land
Deutschland
Vom - Bis
10.09.2009 - 12.09.2009
Deadline
30.08.2008
Website
Von
Horst Carl (Gießen), Ute Planert (Wuppertal)

Horst Carl (Gießen), Ute Planert (Wuppertal)
CfP: ‚Militärische Erinnerungskulturen’ – Gemeinsame Tagung des Arbeitskreises Militär und Gesellschaft in der Frühen Neuzeit und des Teilprojektes B 10 des SFB 434 ‚Erinnerungskulturen’ (Gießen) vom 10. bis 12. 9. 2009 im Gästehaus der Justus-Liebig-Universität Gießen

Erinnerungen an eine gemeinsame Geschichte, Vergangenheitsbezüge und Traditionsbildung stiften Gemeinschaft, sie verschaffen Kollektiven eine Identität und die Möglichkeit, sich gegenüber anderen gesellschaftlichen Gruppierungen abzugrenzen. Gerade für das Militär, wie es sich in der Frühen Neuzeit als eigene gesellschaftliche Formation ausdifferenzierte, lässt sich der Zusammenhang von kollektiver Identität und einer eigenen Erinnerungskultur besonders deutlich akzentuieren – noch die ‚Traditionserlasse’ der Bundeswehr verweisen darauf, welch hohe Bedeutung gerade in der gesellschaftlichen Gruppierung des Militärs Traditionsstiftungen für die Grundlegung einer eigenen Identität beigemessen wird.

Der Zusammenhang von kollektiven Identitäten und Erinnerungskulturen ist vor allem von der mediävistischen Memoria-Forschung früh herausgearbeitet worden; diese Interdependenz tritt in der Frühen Neuzeit noch deutlicher hervor, weil die identitätsstiftenden Erinnerungskulturen sozialer Gruppen sich der Dynamik einer sich im 18. Jahrhundert zunehmend ausdifferenzierenden Gesellschaft nicht entziehen konnten. Dies gilt auch für das Militär, dessen Angehörige mit der Herausbildung der Stehenden Heere sowie deren Monarchisierung und später Nationalisierung eine spezifische Gruppenidentität ausbildete – am ausgeprägtesten wohl in Preußen.

Die gesellschaftliche Dynamik der Sattelzeit ließ überkommene Vergangenheitsbezüge fragwürdig oder in zunehmendem Maße anachronistisch erscheinen. Angesichts der politischen Umwälzungen mussten auch neue Traditionen in Gestalt neuer Eigengeschichten konstruiert werden, in denen militärische Erinnerungskulturen eine bedeutende Rolle spielten. Dies betraf freilich nicht nur militärische Einheiten oder Organisationen, die sich im Rahmen einer verstärkten Professionalisierung auch zunehmend ihrer eigenen Traditionen und Vergangenheitsbezüge versicherten. Auch die Geschichtskonstruktionen übergreifender Kollektive, namentlich des zunehmend dominierenden Kollektivs der Nation, nahmen in ihre identitätsstiftenden Geschichtskonstruktionen bevorzugt prägende militärische Ereignisse oder spezifisch militärische Traditionsbildungen auf. „Militärische Erinnerungskulturen“ bezeichnen deshalb sowohl die Konstruktion von Eigenidentitäten des Militärs als spezifischer Gruppierung als auch den Stellenwert militärischer Vergangenheitsbezüge für einen allgemeinen Umgang der jeweiligen Gesellschaften mit Geschichte.

Das Thema ‚militärische Erinnerungskulturen’ schlägt einen Bogen vom Spätmittelalter bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Zugleich steht die Tagung des Arbeitskreises ‚Militär und Gesellschaft’ in der Kontinuität der vorherigen Tagungen, die jeweils spezifisch militärgeschichtliche Fragestellungen in den Kontext allgemeiner sozial- oder kulturgeschichtlicher Entwicklungen und Tendenzen der Geschichtswissenschaften gestellt haben. Angeknüpft wird an aktuelle kulturgeschichtliche Diskussionen um Gedächtnis und Identität, wie sie im Gießener SFB ‚Erinnerungskulturen’ vorangetrieben worden sind. Die Thematik erlaubt zugleich eine Reflexion über die Entstehungsbedingungen der Militärgeschichtsschreibung selbst, die ihre Wurzeln in einer mehr oder minder professionalisierten Erinnerungskultur im akademischen und nichtakademischen Bereich besitzt. In diesen Kontext gehören schließlich auch Repräsentationen frühneuzeitlicher Militärgeschichte und Traditionsbildung, wie sie gegenwärtig in Museums- und Ausstellungskonzeptionen zu Krieg und Militär in der frühen Neuzeit eine vor wenigen Jahren noch unvermutete Konjunktur erfahren.

Die Sektionen der Tagung werden folgenden Schwerpunkten gewidmet sein:

1. Innermilitärische Erinnerungskulturen

Wie haben sich militärische Kollektive (z. B. Regimenter oder Veteranen) in Form von Traditionsbildung und ‚Eigengeschichten’ eine spezifische Identität verschafft, welche Rolle spielen in diesem Kontext individuelle Erinnerungen?

2. Militärische Vergesellschaftung durch Erinnerung

Wie tragen herausgehobene Gruppen und Akteure mit ausgeprägten eigenen Vergangenheitsbezügen (Fürsten, Adel, Militärprediger etc.) im Spannungsfeld von fürstlichem Machtanspruch und adliger Widerständigkeit, theologisch begründetem Amtsgedanken und funktionalen Anforderungen, militärischer Professionalisierung und adeligen Normen zur Ausbildung spezifischer militärischer Erinnerungskulturen bei?

3. Die Napoleonischen Kriege in der europäischen Erinnerungskultur

Die Napoleonischen Kriege erscheinen nicht nur deshalb als ein herausgehobener Untersuchungsgegenstand militärischer Erinnerungskultur, weil sie im kollektiven Gedächtnis ein europäisches Phänomen geworden sind, sondern weil sich hier auch besonders gut diskutieren lässt, wie militärische Neuerungen gerade in der Retrospektive identitätsstiftend (z. B. Wehrpflicht) geworden sind. Zudem lässt gerade der Umstand, dass weniger die militärischen Ereignisse selbst als vielmehr die kollektive Erinnerung daran zunehmend unter einer nationalen Perspektive verortet wurden, die Eigendynamik von Erinnerungskulturen deutlich werden.

4. Die Genese von Militär-Wissenschaft und Militärgeschichte aus dem Geist militärischer Erinnerungskultur

Die Entstehung von Militärwissenschaft und Militärgeschichte – besonders in Gestalt der Regimentsgeschichten – ist ohne den Rückgriff auf eine spezifische Erinnerungskultur nicht denkbar. Die Beiträge dieser Sektion sollen die Überführung aktueller Schlachtenereignisse in eine identitätsstiftende militärische Eigengeschichte der jeweiligen militärischen Einheiten aufzeigen und herausarbeiten, wie auf diese Weise dynastische und staatliche Vergangenheitspolitik betrieben wurde.

5. Mediale Repräsentationen von Erinnerungskulturen (Denkmäler, Souvenirs, literarische Manifestationen, Schlachtengedenken)

Die Untersuchung von Strategien der Umsetzung von Erinnerungsinteressen ist stets eng mit der Frage nach den Erinnerungsmedien verbunden. In der Analyse der Darstellungs- und Vermittlungsabsichten seit dem Spätmittelalter wird in der Vielfalt medialer Präsentationsformen auch die Pluralität gruppenspezifischer Erinnerungskulturen greifbar.

6. Ausstellungs- und Museumskonzeptionen als Konkretisierung (frühneuzeitlicher) militärischer Erinnerungskultur

In dieser Sektion sollen sowohl frühneuzeitliche ‚Ausstellungen’ und Präsentationen von Militaria (z. B. Kriegsbeute) wie auch aktuelle Konzeptionen von Ausstellungen und Museum zur frühneuzeitlichen Militärgeschichte thematisiert werden.

Themen und Vortragsangebote zu den einzelnen Sektionen sind herzlich willkommen. Wir bitten um Einsendung eines abstracts im Umfang von ca. 1 Seite bis zum 30. August 2008 an:

Prof. Horst Carl,
Institut für Geschichte der Justus-Liebig Universität Gießen,
Abt. Frühe Neuzeit (Neuzeit II),
Otto Behaghel Str. 10c, 3
5394 Gießen.

Programm

Kontakt

Horst Carl

Institut für Geschichte der Justus-Liebig Universität Gießen

0641-99-28191

horst.carl@geschichte.uni-giessen.de


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