Historische Sozialkunde 46 (2016), 2

Titel der Ausgabe 
Historische Sozialkunde 46 (2016), 2
Weiterer Titel 
Comics und Alte Geschichte. Versuch einer Kontextualisierung

Erschienen
Erscheint 
vierteljährlich

 

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Institution
Historische Sozialkunde: Geschichte, Fachdidaktik, politische Bildung
Land
Austria
c/o
Die Zeitschrift wurde Ende des Jahres 2018 eingestellt. Der "Verein für Geschichte und Sozialkunde" ist seit Juni 2019 aufgelöst. Ein Kontakt zu den ehemaligen Herausgebern ist nicht mehr möglich.
Von
Fuchs, Eduard

Wolfgang Hameter (Hg.)

Editorial

Alte Geschichte und Comics in der Schule und an der Universität? Wie und in welcher Form wird mit diesem Medium im Bildungsbetrieb umgegangen, welche Möglichkeiten bieten sich? Diesen Fragen versucht sich unser Heft zu nähern.

Comics werden auch heute – vor allem im deutschsprachigen Raum – immer noch als eine Kunstform verstanden, die hauptsächlich von Kindern und einigen wenigen „Freaks“ gelesen werden. In letzter Zeit versucht man vermehrt, dieses Medium durch ‚ernste‘ Themen wie „Der Mann ohne Eigenschaften“ (Mahler 2013) oder Berichte über aktuelle Kriege (Sacco, 2015), bzw. durch den Begriff graphic novel einem größeren Publikum als anspruchsvolle literarisch/visuelle Gattung näherzubringen. In Österreich existiert erst seit dem 24.9.2014 ein Comicblog in einer Tageszeitung (http://derstandard.at/2000005714548/Evolution-im-Comic-Format). Dennoch werden Comics weiterhin am häufigsten mit sogenannten funnies, wie z.B. Donald Duck, Mickey Mouse, aber auch Asterix, der in Europa einen Sonderstatus hat und zu den bestverkauften Comics zählt, oder mit Superheldencomics assoziiert.

Jeder kennt Donald Duck und Mickey Mouse und ihre Welt(en). Seit den 1930er Jahren erscheinen bis heute Comic-Hefte mit den Geschichten dieser Helden. Viele davon spielen in der Vergangenheit oder greifen Motive aus der Antike auf. Der Beitrag von Stefan Brenne bringt eine gut aufbereitete Einführung in alle unser Thema betreffenden Aspekte. Zusätzlich findet sich im Anhang eine übersichtliche Liste aller Geschichten mit Antikenbezug, mit kurzen Inhaltsangaben und bibliographischen Hinweisen. Dies eignet sich besonders gut durch die übersichtliche Gliederung als rasche Nachschlagmöglichkeit für jedes relevante Thema.

Es ist eigentlich sehr naheliegend, Superhelden mit antiken Helden in Verbindung zu setzen. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung in diesem Bereich befindet sich aber erst in den Anfängen. Die Superhelden stehen, chronologisch gesehen, am Anfang der Tradition der Comic-Hefte (comic books). Davor erschienen Comics hauptsächlich als comic strips in Zeitungen; meist auf eigenen Seiten oder als Sonntagsbeilagen. Diese Comic-Hefte variieren im Umfang von 16 bis 64 Seiten und enthalten mehrere Geschichten, die häufig als Fortsetzungsgeschichten zum Kauf des nächsten Heftes anregen sollen. Seit den 30er Jahren des 20. Jh. ist dies bis heute die Form, in der die meisten Comics erscheinen. Im Juni 1938 erschien im Heft Action Comics 1 die erste Geschichte von Superman von Jerry Siegel (1914–1996) und Joe Shuster (1914–1992). Dies wird als der Beginn der Superheldencomics allgemein angesehen. Bei der Konzeption des ersten Superhelden standen für Jerry Siegel (natürlich) auch antike Vorbilder wie Herkules und Samson Pate. Superman selbst hat im Laufe seiner Geschichte wenig mit antiken Elementen zu tun. Ganz anders Wonder Woman, die 1941 zum ersten Mal auftrat. Sie ist als Tochter der Amazonenkönigin Hippolyta eine echte antike Amazonin und in allen Geschichten werden immer wieder Elemente der griechisch-römischen Mythologie verwendet. Eine ausführliche Analyse von Wonder Woman im Kontext der Antikenrezeption ist ein großes Desiderat.

1939 erfolgte der erste Auftritt Batmans in Detective Comics 27. Er ist wohl neben Superman der bekannteste Superheld in den Comics. Obwohl ursprünglich als Detektiv konzipiert, wurden er und seine Gegner im Laufe der Zeit zwar immer fantastischer, Reisen in die Vergangenheit und in die Antike waren aber nur durch Hypnose möglich. Diese wenigen Geschichten warten noch auf eine Analyse im Bereich der Antikenrezeption.

Das Jahr 1986 markiert einen Meilenstein in der Comicgeschichte. Drei außergewöhnliche Comicgeschichten erschienen in diesem Jahr. Als erstes zu nennen ist „Maus. Die Geschichte eines Überlebenden“ von Art Spiegelmann, die in einer teilweise autobiographischen Geschichte den Holocaust und seine Überlebende behandelt. Besonders bemerkenswert ist die graphische Darstellung der Protagonisten als Tiere. Juden werden als Mäuse, die Deutschen als Katzen, die Franzosen als Frösche usw. dargestellt.

Neben diesem zeitgeschichtlich bewegenden und beeinflussenden Comic erschienen noch zwei Superheldencomics, die in unserem Heft behandelt werden.

Mit der „Rückkehr des Dunklen Ritters“ von Frank Miller setzte ein bis heute andauernder Batman-Boom ein, der sich neben den Comics auch in diversen Verfilmungen äußert (aktueller Film „Batman v Superman: Dawn of Justice“, 2016). In diesem Comic wird Batman zum ersten Mal als alter Mann gezeigt. Antje Kuhle nimmt diese Darstellung zum Ausgang ihrer vergleichenden Untersuchung des alternden Helden in der griechischen Tragödie und im Comic von Frank Miller. Hier wird der Versuch unternommen gesellschaftliche Muster in der antiken und der modernen Literatur zu vergleichen. Kuhle gelingt es zu zeigen, dass man im Comic nicht unbedingt Antike darstellen muss, um über antike Konzepte nachdenken zu können.

Der dritte Comic des Jahres 1986 war „Watchmen“ von Alan Moore. Moore gilt als der (wahrscheinlich) beste lebende Comicautor. Mit Watchmen gelang ihm der endgültige Durchbruch. Dieser Comic steht in einer Reihe von Versuchen Moores, das Superheldengenre zu dekonstruieren. Die wichtigsten Comics in dieser Reihe sind: Marvelman/Miracleman, Watchmen und Promethea. Wolfgang Hameter geht in seinem Beitrag auf Antikenbezüge in diesen drei Comics ein. Nach einigen Angaben zum Leben Alan Moores wird gezeigt, dass Moore in diesen Comics immer wieder auch auf Elemente antiker Mythologie und Geschichte und deren moderner Rezeption zurückgreift. Man kann dabei eine Entwicklung in der Verwendung der Bezüge sowohl im Verhältnis zur Geschichte der einzelnen Comics als auch zur Biografie von Alan Moore erkennen.

Lilia Diamantopulou führt uns in der letzten Abhandlung zu einem Konzept aus dem Jahr 1941: Weltliteratur via Comics der Jugend nahe zu bringen. Bis heute erscheinen in unregelmäßigen Abständen Hefte dieser Reihe mit den Adaptierungen von berühmten Romanen wie z.B. „Alice im Wunderland“ (Illustrierte Klassiker 59, 1995) oder historischen Themen wie die „Der Kampf um Salamis“ (Illustrierte Klassiker 194, 2001). Diamantopoulou widmet sich der Reihe „Illustrierte Klassiker“, die im modernen Griechenland veröffentlicht wurden. Hier wurden neben Heften mit Bearbeitungen antiker Texte auch mittelalterliche und frühneuzeitliche Geschichten veröffentlicht. Alle Texte der Comics wurden in der einfachen Volkssprache, Dimotiki, veröffentlicht und trugen dadurch zur neuen Identitätsfindung der Griechen im 20. Jh. bei.

In Schulbüchern fanden sich schon immer Cartoons (Einbildwitze, häufig auch mit Sprechblasen), die auf lustige und pointierte Art und Weise das allgemeine Thema auflockern sollten. Erst in letzter Zeit gibt es eigene Schulunterlagen zur Integration von Comics im Unterricht. Der Fachdidaktik-Beitrag von Oliver Näpel bietet, nach einigen grundlegenden Bemerkungen zum Wesen des Comic an sich, eine kompetenzorientierte Anleitung zum ausführlichen Einsatz von Comics im Bereich der Alten Geschichte in der Schule. Seine Beispiele sind, Walt Disney Comics, Asterix und die weniger bekannte franco-belgische Comic-Serie „Alix“. Alix ist ein gallischer Junge, der im Auftrag Caesars durch die antike Mittelmeerwelt reist und viele, auch phantastische, Abenteuer erlebt. Dieser Comic entstand 1948, das letzte, aktuelle, Album erschien 2015. Näpel bietet nun im Rahmen dieser Comics Aufgaben für SchülerInnen an, die sich mit den Intentionen des Autors, sowie den realistischen oder nicht-realistischen Umsetzungsversuchen mit der Antike auseinandersetzen.

Diese sehr unterschiedlichen Beiträge sollen zeigen, wie vielfältig die Rezeption antiken Denkens und antiker Geschichte im modernen Comic ist. Die zitierte Literatur weist zwar daraufhin, dass bereits ein Anfang in diesem Bereich gemacht wurde. Dennoch ist noch viel zu tun und sollte schon in der Schule gefördert werden.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Wolfgang Hameter
Editorial
S 2–3

Stefan Brenne
Ente, Maus und Altertum
S 4–12

Antje Kuhle
Iolaos und Batman – Greise Helden?
S 13–19

Wolfgang Hameter
Antikenbezug bei ausgewählten Superheldencomics von Alan Moore
S 20–25

Lilia Diamantopoulou
Illustrierte Klassiker
"Die spannendsten Geschichten der Weltliteratur" in der griechischen Version
S 26–32

Fachdidaktik

Oliver Näpel
Geschichtskultur, Comics, Geschichtsunterricht
S 33–48

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