Objekte der Wissenschaft – Wissenschaft der Objekte

Objekte der Wissenschaft – Wissenschaft der Objekte

Veranstalter
Lina Gafner / Siegfried Bodenmann, Universität Bern
Veranstaltungsort
Naturmuseum Winterthur, Museumstrasse 52, 8402 Winterthur (Schweiz)
Ort
Winterthur
Land
Switzerland
Vom - Bis
05.09.2012 - 06.09.2012
Deadline
31.05.2012
Von
Schweizerische Gesellschaft für Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften

Der diesjährige Workshop des Schweizerischen Forums für NachwuchswissenschaftlerInnen findet vom 5. bis 6. September 2012 im Vorfeld der Jahresversammlung der Schweizerischen Gesellschaft für die Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften (SGGMN) in Winterthur statt. Beiträge aller Forschungsrichtungen sind erwünscht, bevorzugt werden jene zum Thema:

Objekte der Wissenschaft – Wissenschaft der Objekte

Objekte der Naturwissenschaften und der Medizin sind vielgestaltig. Sie können Gegenstand der Untersuchung oder Instrument zur Beobachtung und Analyse sein: Ein entfernter Stern oder das Teleskop, welches uns ihm näher bringt. Ein Virus oder das Elektronenmikroskop, das ihn sichtbar macht.

Weiter können solche Objekte konkreter Form sein, wie die Reagenzgläser im Labor, abstrakter Form, wie die Züge, die mit Lichtgeschwindigkeit durch die Gedankenexperimente Einsteins rollen oder schliesslich Resultat einer Konstruktion, wie es das Higgs-Boson bis heute ist und wie auch die Natur, die als Repräsentation variiert, je nach Kontext, in dem sie beschrieben wird.

Solche Objekte können eine tragende Rolle der Normalwissenschaft spielen oder aber tiefschürfende Paradigmenwechsel herbeiführen. Jenes Fernrohr, das Galileo perfektionierte, um es dann auf den Himmel zu richten, hat eine veritable Revolution herbeigeführt, indem es andere Objekte zu entdecken erlaubte: die Satelliten des Planeten Jupiter und die Berge und Täler des Mondes. Einige Jahrzehnte später gehörten seinesgleichen bereits zur Standardausrüstung jedes Astronomen. Einige solcher Objekte wurden zu Symbolen einer ganzen Disziplin. Wie der Apfel Newtons, welcher der Legende nach für dessen Eingebung über die Schwerkraft verantwortlich war und sich schnell zur Galionsfigur der modernen Physik aufschwang.

Meistens begründen die Objekte der Naturwissenschaften und der Medizin auch deren wissenschaftliche Praktiken. Man analysiert, sammelt, ordnet sie oder lässt sie zirkulieren. Sie stehen stellvertretend für ganze Forschungsprogramme und verraten uns etwas über Entdeckungsstrategien sowie deren Legitimation.

Indem wir ihnen einen Workshop widmen, möchten wir uns vom gängigen Narrativ distanzieren, das sich in erster Linie für ihre Erfinder, Entdecker oder Benutzer interessiert und stattdessen das Objekt selbst ins Zentrum der historischen Forschung stellen. Eine solche Perspektive will nicht die Akteure ins Abseits stellen, sondern ermöglicht vielmehr deren Vielfalt greifbar zu machen. Auch jene Theorien, die für eine Integration der Objekte in die Geschichte und Philosophie der Wissenschaft plädieren, sollen kritisch befragt werden. Kann man von einem „object-turn“ sprechen? Von der Sammlungsgeschichte über die epistemischen Dinge und die Experimentalsysteme Hans-Jörg Rheinbergers bis zu den Aktanten-Netzwerken Bruno Latours und Michel Callons haben die letzten Jahrzehnte eine Vielzahl theoretischer Werkzeuge hervorgebracht, die uns das Objekt in einem neuen Licht betrachten lassen. Es ist Zeit, diese zu rezensieren und durch Fallstudien auf ihre Nutzbarkeit zu prüfen.

Folgende fünf Fragenkomplexe werden den Workshop strukturieren:

1. Objekte erschaffen: Wie wird ein Forschungsobjekt interessant? Unter welchen Bedingungen erscheint es? Inwiefern beeinflussen die Wahl der Beobachtungsinstrumente und der experimentelle Rahmen die Repräsentation der Forschungsobjekte?

2. Objekte der Veränderung: Nicht selten erst als Anomalie oder Fehler abgetan revolutionieren Objekte später wissenschaftliche Disziplinen. Zum Beispiel als neues Instrument der Analyse, das die Beobachtung neuer Phänomene erlaubt. Wie kommen sie zu Legitimität? Welches ist der Grund ihres Erfolgs? Und welche Objekte sind umgekehrt zum Verschwinden verurteilt?

3. Objekte ordnen: Hier geht es um jene Praktiken, die mit dem Sammeln und Klassifizieren von Objekten verbunden sind. Sei dies in Kuriositätenkabinetten, in Sammlungen, Bibliotheken, botanischen Gärten, Museen, Enzyklopädien oder Herbarien etc. Welche Beziehung besteht zwischen einem spezifischen Objekt und der Nomenklatur, dem Ordnungssystem? Was verbindet Wissen und Objekt?

4. Objekte in Bewegung: Seit der Renaissance erlaubt wissenschaftliche Korrespondenz die Zirkulation einer Vielzahl von Objekten: Bücher, Samen seltener Pflanzen, Schalentiere, Fossilien, Drosophila, etc. Welches sind die Normen und Praktiken, welche die Zirkulation und Übertragung von Objekten leiten? Wie wandelt sich ein Objekt in der longue durée und erhält gar eine neue Bedeutung? Unter welchen Bedingungen diffundiert es von einer Kultur in eine andere?

5. Objekte denken: Kann man von einer Wissenschaft der Objekte sprechen? Welche Theorien bieten eine Begrifflichkeit zum besseren Verständnis wissenschaftlicher Objekte? Was kann die Objekt-Perspektive zu einer Geschichte des Wissens und der Wissenschaft beitragen?

Das Schweizerische Forum für NachwuchswissenschaftlerInnen versteht sich als Ort des transdisziplinären Austauschs. Unser Ziel ist der Dialog in einer offenen und geselligen Atmosphäre. Die Beiträge sollten in französischer, deutscher oder englischer Sprache abgefasst sein.

Interessierte sind gebeten, bis zum 31. Mai 2012 ihren Lebenslauf und eine Zusammenfassung von 20-30 Zeilen an Lina Gafner (lina.gafner@img.unibe.ch) und an Siegfried Bodenmann (siegfried.bodenmann@laposte.net) zu senden.

Gemeinsam mit der Schweizerischen Akademie der Naturwissenschaften SCNAT übernimmt die SGGMN die Kosten für die Unterkunft und die Reisespesen (2. Klasse) der Vortragenden sowie die gemeinsamen Mahlzeiten.

Wir laden die Vortragenden zudem ein, ihren Aufenthalt auf unsere Kosten noch etwas zu verlängern, um an der Jahrestagung der SGGMN teilzunehmen, die sich der gleichen generellen Thematik widmet und den Titel trägt:

„Einhorn und Homunkulus – Objektbiographien, Sammel- und Präsentationsstrategien“
6.-8. September 2012

Der Workshop findet in den Räumlichkeiten des Naturhistorischen Museums Winterthur statt (Naturmuseum Winterthur, Museumstrasse 52, 8402 Winterthur). Winterthur ist leicht erreichbar per Zug oder Auto und befindet sich eine halbe Stunde von Zürich und eine Viertelstunde vom Flughafen Zürich Kloten entfernt. Wir stehen für weitere Informationen gerne zur Verfügung.

Für die Weiterleitung dieses Calls an alle interessierten Institute und Personen sind wir sehr dankbar.

Programm

Kontakt

Siegfried Bodenmann

Universität Bern, Institut de langue et de littérature françaises, Länggassstrasse 49, CH-3012
+41786827349

siegfried.bodenmann@laposte.net

http://www.sggmn.ch/forum.html