Idoneität – Genealogie – Legitimation. Überlegungen zur Begründung und Akzeptanz von dynastischer Herrschaft im hohen und späten Mittelalter

Idoneität – Genealogie – Legitimation. Überlegungen zur Begründung und Akzeptanz von dynastischer Herrschaft im hohen und späten Mittelalter

Organisatoren
SFB 804 Dresden "Transzendenz und Gemeinsinn Projekt C"
Ort
Dresden
Land
Deutschland
Vom - Bis
08.12.2011 - 10.12.2011
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Von
Jasmin Hoven, Germania Sacra, Akademie der Wissenschaften zu Göttingen

Die Tagung des Teilprojektes C „Dynastie, Idoneität und Transzendenz“ des SFB 804 „Transzendenz und Gemeinsinn“ an der Technischen Universität Dresden fand vom 08. bis 10. Dezember 2011 in der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek (SLUB) zu Dresden statt, die ihren Vortragssaal den rund fünfzig angemeldeten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Deutschland und dem europäischen Ausland als Tagungsort zur Verfügung stellte und darüber hinaus auch Einsicht in einige mittelalterliche und frühneuzeitliche Handschriften gewährte, welche das Thema der Tagung berührten.

Mit 20 Einzelvorträgen umkreisten die Referentinnen und Referenten die zentrale Frage der Tagung, die von CRISTINA ANDENNA in ihrer Einleitung umrissen worden war. Gefragt war nach dem Verhältnis zwischen dem Geeignetsein eines Herrschers (Idoneität) und seiner Herkunft (Genealogie) im Hinblick auf dessen Legitimation. Es sollte ergründet werden, welche narrativen und grafischen Strategien zur Verfügung standen oder neu entwickelt wurden, um die Herrschaft eines Einzelnen zu begründen, welche Eigenschaften er besitzen musste und über welchen Rang er zu verfügen hatte. Auf welche Weise Autoren des 12. bis 16. Jahrhunderts zwischen verschiedenen Begründungsmustern changierten, zwischen räumlicher, zeitlicher, genealogischer und transzendenter Begründung, wurde in den jeweiligen Vorträgen thematisiert.

Den Eröffnungsvortrag hielt STEFAN WEINFURTER (Heidelberg). Er stellte den Wechsel des Verständnisses der Eignung eines Herrschers vor und nach dem Fürstentag zu Forchheim 1077 vor. Vor dem Fürstentag galt ein Herrscher als geeignet, der über die väterliche Nachfolge verfügte und dem durch die ordnungsgemäße Weihe und Krönung durch die Bischöfe das ius heriditarum übertragen wurde. Der Vortragende sah in dem Tag zu Forchheim insbesondere eine „Entfernung des Königs aus der Stellvertreterschaft Christi“, da von nun an die Großen über die Idoneität entschieden, und wies darauf hin, dass der Wandel in der Legitimierung von Herrschaft sich auch in dem Verständnis von Genealogie niederschlug.

Die erste Sektion befasste sich mit dem „Herrscher als Einzelperson“. Eröffnet wurde sie von OLIVER AUGE (Kiel) mit einem Referat zu den Auswirkungen körperlicher Versehrtheit auf die Eignung als Herrscher. Er stellte das Diktum in Frage, ein Herrscher sei nur dann zum Herrschen geeignet, wenn er gesund, unversehrt und von körperlicher Schönheit sei. Dem Ideal vom unversehrten Herrscher standen die in Kriegen, durch Krankheiten und aus anderen Gründen versehrten Herrscher gegenüber, denen aufgrund ihrer Versehrtheit von den Zeitgenossen dennoch nicht die Fähigkeit zum Herrschen abgesprochen worden sei. Hier müsse auch zwischen den verschiedenen Formen von Versehrtheit und deren Ursachen unterschieden werden.

MIRIAM WEISS (Trier) befasste sich mit den Chronica Maiora des Matthew Paris aus dem 13. Jahrhundert. Sie stellte verschiedene Redaktionsstufen der Chronica Maiora und die unterschiedlichen, von Kritik begleiteten Einstellungen des Verfassers gegenüber dem englischen König Heinrich III. vor. Die herausgestellten Eigenschaften, die die Idoneität des Königs einschränkten, wurden allerdings nicht als Mittel betrachtet, um die Legitimität des Königs zu hinterfragen. Matthew Paris’ Wandel in seiner Kritik sei vor allem auch vor dem Hintergrund persönlicher Verbindungen und aktueller Zeitumstände zu sehen. Bei der Artikulation seiner Kritik bediente sich der Verfasser bildlicher und schriftlicher Mittel, die von der Referentin überzeugend dechiffriert wurden.

Die erste Sektion wurde beschlossen mit MARINA MÜNKLERs (Dresden) Überlegungen zur Idoneität von Parzival. Sie arbeitete die verschiedenen Schichten im Werk Wolframs von Eschenbach in Bezug auf Parzivals Geeignetheit und deren Begründung heraus. Zwar war die Verbindung über die agnatische Legitimation gekappt, aber die kognatische Verbindung ermöglichte Parzival letztendlich die Gralsauffindung. Das Changieren zwischen kognatisch und agnatisch vermittelten Normen macht die hohe Komplexität des Textes deutlich. Erst das Sich-Hinwegsetzen über die männlich vermittelten höfisch-ritterlichen Werte ermöglichte Parzival die Erringung des Grales. Genealogie und Idoneität sind hier spannungsreiche, aber komplementäre Elemente.

Die zweite Sektion stellte „Die Dynastie“ in den Mittelpunkt. JÖRG PELTZER (Heidelberg) fragte, ob Idoneität eine Ordnungskategorie oder eine Frage des Ranges gewesen sei. Ausgehend von den Königswahlen und Erhebungen in den Reichsfürstenstand im 13. und 14. Jahrhundert stellte er die Beobachtung an, dass sich im 14. Jahrhundert das Königsamt für die Grafen verschlossen habe und nunmehr ausschließlich den Reichsfürsten offen stand. Eine ähnliche Situation habe sich bei den Erhebungen in den Reichsfürstenstand ergeben, da das Amt des Reichsfürsten nach 1200 quasi vererbt und nur noch formal vom König verliehen wurde. Idoneität sei in beiden Fällen eine Ordnungskategorie gewesen, die jedoch mit unterschiedlichen Bedeutungskriterien aufgeladen werden konnte. Allerdings sei Idoneität in politischen Momenten der Wahl oder der Standeserhöhung stets auch entscheidend durch den Rang des jeweiligen Kandidaten eingekreist worden.

THOMAS FOERSTER (Bergen, Norwegen) befasste sich mit der Herrschaftslegitimation von normannischen Eroberern und Usurpatoren in England und Sizilien. Er legte das Augenmerk auf die Zeit, als die normannische Herrschaft bereits etabliert war und die Dynastiebildung eingesetzt hatte. Dynastische Krisen entstanden im 12. Jahrhundert sowohl in England als auch in Sizilien, da die weiblichen Nachfahren (Mathilda bzw. Konstanze) nicht als Erbinnen anerkannt wurden. Beide Male wurde analog ein nicht direkter männlicher Nachfahre als König eingesetzt, der besonderer Legitimation bedurfte. Als legitimatorisches Instrument wirkten in diesen Fällen die Unterstützung und Akklamation des Potentaten durch die Großen des jeweiligen Reiches.

SVERRE BAGGE (Bergen, Norwegen) zeigte den Wandel in der Herrschaftslegitimation in Norwegen bis ins 13. Jahrhundert auf. Er beschrieb die historischen Gegebenheiten als einen offenen und gewaltaufgeladenen Wettbewerb um die Vorherrschaft im Land. Dabei stellte er insbesondere die Bedeutung Olavs II. Haroldsson heraus und dessen Heiligsprechung als Akt der Dynastiebegründung in Norwegen. Obwohl hierdurch die transpersonale Idee des Königtums geschaffen worden sei, habe dies konfliktreiche Auseinandersetzungen um die Herrschaft nur in andere Bahnen gelenkt.

LAURA GAFFURI (Turin, Italien) richtete ihr Augenmerk auf den französisch-italienischen Raum und fragte nach der Reichweite und Begründung weiblicher Herrschaft im Spätmittelalter. Sie sprach über die Handlungs- und Herrschaftsreichweiten mehrerer Regentinnen des Fürstentums Savoyen im späten Mittelalter. Hierbei stellte sie unter anderem Jolande von Frankreich (1434-1478) als Savoyer Regentin, die für ihren erkrankten Mann die Herrschaft führte, Bianca von Montferrat (1472-1519) gegenüber. Jolande von Frankreich konnte bei der Regentschaft auf einen Unterbau ihrer Herrschaft zurückgreifen, der Bianca von Montferrat als Regentin für ihren Sohn Karl nicht zur Verfügung stand: die Abstammung aus dem französischen Königshaus. Dabei sei in den Verteidigungsschriften beiden Herrscherinnen die Rolle als mater und nutrix sowohl des Thronerben als auch – im übertragenen Sinne – des Volkes zugefallen.

Abgeschlossen wurde die Sektion wiederum mit einem Vortrag, der nicht eine bestimmte Zeit und einen bestimmten Raum zum Gegenstand hatte, sondern die strukturelle Querschnittsfrage nach den Königsabsetzungen behandelte. FRANK REXROTH (Göttingen) stellte die Schwierigkeiten der Absetzung von ‚untauglichen‘ Königen vor, insbesondere in Hinsicht auf die dafür notwendigen Legitimationsmuster. Die nach der Fastensynode von 1076 vorgenommene Umdeutung, dass gemäß dem Vorbild Heinrichs IV. ein König absetzbar sei, führte zur Entwicklung einer neuen kulturellen Praxis der Herrscherdepositionen, die eigene Begründungsmuster hervorbrachte.

Die dritte Sektion stellte „Die Genealogie“ und der erste Teil der Sektion speziell „Genealogisches Denken“ in den Fokus. Eröffnet wurde die Teilsektion von GERT MELVILLE (Dresden) mit Ausführungen zu genealogischen Konstruktionen. Er bemerkte, dass solche Konstruktionen sich nicht einfach durch lineare Abstammungen darstellen ließen, sondern weitere Gestaltungsprinzipien hinzutraten. Zu den grundlegenden Konstruktionen gehörte zum einen die biologische Abfolge (nach dem Vorbild des Stammbaums Christi), zum anderen die Nachfolge im Amt (nach dem Vorbild des Liber pontificalis). Verschiedene Entscheidungen zur Gestaltung einer Genealogie mussten getroffen werden, hier wurden unterschiedliche Aspekte wie die Auswahl und Qualität der zu verfolgenden Linien in Betracht gezogen. Eine wichtige Rolle spielte allerdings auch das „Substrat des Herrschens“, der beherrschte Raum, die beherrschten Menschen und der Sitz der Herrschaft. Während die weltlichen Herrscher eine Deckungsgleichheit von Blutslinie und Sukzessionslinie anstreben mussten, war das Papsttum als „Einsetzungsnachfolge“ um eine unilineare Darstellung der Nachfolge bemüht.

Im Anschluss referierte KAI HERING (Dresden) über das Verhältnis von Abstammung und Idoneität bei den frühen Staufern. Die Staufer im 12. Jahrhundert bedurften als politische Aufsteiger der legitimatorischen Schriften Gottfrieds von Viterbo. Er war als Hofkaplan und Kanzleinotar mit den historisch-politischen Gegebenheiten am staufischen Hof Konrads III. und Friedrich Barbarossas gut vertraut. Das von ihm verfasste Speculum regum für Heinrich VI. zeigt in historisierender Perspektive mehrere Mechanismen der genealogisch-dynastischen Herrschaftsbegründung auf, unter weitgehendem Verzicht auf theologische oder philosophische Begründungsmuster. Gottfried entwarf eine über die Zeiten hinweg bestehende imperialis prosapia mit den Staufern als gegenwärtig letzten Vertretern. Der Referent betonte, dass das „Idoneitätspotential“ dieses konstruierten Herrschergeschlechts „vorerst nicht mehr zu überbieten“ gewesen sei.

MARIGOLD ANNE NORBYE (London) sprach über verschiedene Formen der Darstellung französischer Königsgenealogien. Sie stellte zahlreiche genealogische Diagramme aus Handschriften vor und betonte deren Selektivität und Anschaulichkeit, die der Machtbegründung einzelner Herrscher dienten. Insbesondere betonte sie die Mechanismen der Wechselwirkung von Diagramm und Text. Den Schwerpunkt legte sie hierbei auf die Darstellung von Dynastiezugehörigkeiten und der Ansippung der rivalisierenden Robertiner/Capetinger und der Karolinger in verschiedenen Chroniken des 11. bis 15. Jahrhunderts.

Einen Schwerpunkt auf den flämischen Raum legte der Vortrag von ROBERT STEIN (Leiden) zu historiographischen Traditionen am Hof der Herzöge von Burgund. Er ging auf verschiedene Chroniken aus der Bibliothek Philipps des Guten ein, die von Beamten des Herzogs geschrieben und Philipp als Geschenk übereignet worden waren. Anders als vermutet, würden die Chronikwerke nicht nur die zentralistischen Gestaltungsideen Philipps widerspiegeln, sondern vor allem die Eigenarten der verschiedenen regionalen Einheiten, aus denen der burgundische Staat bestand, wiedergeben. Die Intentionen der Chronisten hätten sich dementsprechend nur teilweise mit denen des Herzogs gedeckt.

Den Abschluss dieser Teilsektion bildete der Vortrag von FULVIO DELLE DONNE (Potenza, Italien) mit Ausgriff auf das aragonesische Königreich Sizilien. Er stellte die außergewöhnlichen Inszenierungen und Schauspiele vor, die anlässlich des triumphalen Einzugs Alfons des Großmütigen von Aragon 1443 in Neapel nach dem Krieg gegen die Anjou aufgeführt worden sind und von humanistischen Gelehrtendiskursen bei Hofe beeinflusst waren. Die Fragen nach der Rechtmäßigkeit seiner Herrschaft wurden durch den Umstand verkompliziert, dass Alfons in Aragon ein rechtmäßiger König war, in Neapel jedoch als Usurpator galt. Im vom Referenten beschriebenen Schauspiel und „lebenden Bildern“ sei es dementsprechend das Ziel gewesen, die „barbarische“ (d.h. gotische) Abstammung des Königs in den Hintergrund treten zu lassen und das ideale Vorbild der cäsarischen Herrschaft, unter Heranziehung der Tugenden als Legitimation und Vorbild, sprechen zu lassen. Mit dem Verhältnis von Idoneität durch Tugend und Idoneität mittels Abstammung sei dabei gespielt und kein eindeutiges Interpretationsmuster entwickelt worden.

Während die erste Teilsektion das „Genealogische Denken“ in den Mittelpunkt stellte, kreisten die Vorträge der zweiten Teilsektion um die Beziehungen zwischen „Genealogie und Raum“.

BIRGIT STUDT legte in ihrem Referat den Schwerpunkt auf die narrativen Strategien in den Chroniken über die Herzöge von Bayern und reflektierte hier die Bedeutung des – konstruierten – Raumes in Verbindung zur Genealogie. Während sich die Geschichtsschreibung über einzelne Fürstentümer zunächst auf die Ebene des Raumes und der sich darin befindlichen Einrichtungen wie Städte, Herrschaften und Klöster beschränkt habe, schälte sich im 15. Jahrhundert eine andere Form der Narration heraus, in der die Genealogie der herrschenden Dynastie den Kern darstellte. Chroniken konnten zudem auch Argumentationsmuster zur Verfügung stellen, um die Vorrangstellung einer einzelnen Linie der Dynastie zu legitimieren.

JÓZSEF LASZLOVSZKY (Budapest) zeigte Beispiele fiktiver Genealogien aus dem ungarischen und schottischen Raum auf. Er argumentierte, dass in zeitgenössischen Schriften sowohl real existierende als auch erfundene Verwandtschaften zusammen als Legitimitätskategorien betrachtet werden müssen. Er ging unter anderem Turgots Vita der Margarethe von Schottland nach und resümierte, dass mittels der wirkmächtig angelegten textlichen wie bildlichen Darstellungen von Verwandtschaftsbeziehungen diese als erfolgreiche „royal propaganda“ zu begreifen seien.

Für den sächsischen Raum am Übergang zur Frühen Neuzeit trug REINHARDT BUTZ (Dresden) zur Spalatin-Chronik vor. Georg Spalatin fertigte auf Wunsch Friedrichs des Weisen von Sachsen-Wittenberg Anfang des 16. Jahrhundert eine Chronik der Sachsen und Thüringer an, die die Diskontinuitäten, den Wechsel und die Überlappungen des dargestellten Raumes mit Hilfe der Dynasten als Traditionsträger zu heilen wusste. Die Chronik beginnt mit der Darstellung Widukinds als Stammvater der Wettiner und erläutert die Geschicke der Regenten und deren erbberechtigter Söhne. In der mehrbändigen Chronik wird dabei stets ein Zusammenhang zwischen (topografischem) Raum, Dynastie und Adel konstruiert.

TOBIAS TANNEBERGER (Dresden) ging auf die sogenannte ‚Genealogia principum Tungro-Brabantinorum‘ ein. Er erläuterte, wie in dem Geschichtswerk Herrschaft bzw. die Befähigung zur Herrschaft durch die Verwurzelung der Dynastie im beherrschten Raum erklärt wurde. Das brabantische Herrschaftsgeschlecht ist hier bis auf Adam und Eva zurückgeführt und reicht bis in die Gegenwart zu Philipp dem Schönen. Somit spielt die Kategorie der Zeit eine ebenso große Rolle wie die des Raumes. Der Referent stellte die verschiedenen imaginierten Abstammungslinien der Brabanter vor, auch unter Hinweis auf die geschichtlich verorteten mythologischen und biblischen Komponenten. Ziel der ‚Genealogia‘ sei die Darstellung Philipps des Schönen als ebenbürtiger Dynast zu den französischen Königen und römisch-deutschen Kaisern mit der Herausstellung einer eigenen Identität des burgundischen Reiches.

Der letzte Vortrag der Tagung war wiederum der ungarischen Geschichte unter Vergleich der deutschen, französischen und englischen Verwandtschaftsbeziehungen gewidmet. ZSOLT HUNYADI (Szeged, Ungarn) berichtete aus seinem laufenden Forschungsprojekt zu niederadligen Heiratsverbindungen und Familienstrategien. Er verwies auf die ungarische Quellenproblematik und die Tatsache, dass hier aufgrund des unterschiedlichen Erbrechts andere Familienstrategien als in anderen westeuropäischen Gebieten vorherrschten.

UWE ISRAEL (Dresden) betonte in seiner Zusammenfassung die vergleichende Perspektive der Tagung und hob verschiedene Aspekte hervor, die wiederkehrend angesprochen worden waren. Im Bereich der genealogischen Konstruktionen spielten demnach Raumkonzepte, Bild-Text-Relationen und (fiktive) Ansippungen an Gründerfiguren eine wichtige Rolle, ebenso wie der Stammbaum Christi und die Amtssukzession der Nachfolger Petri im Liber pontificalis als narrative oder bildliche Vorlagen. Genealogien seien insbesondere hergestellt worden, um „Lücken in der Kontinuität“ von Herrschaft zu schließen und Idoneität für politische Ämter zu behaupten. Auch ging es in den Referaten mehrfach um den Herrscher als Einzelperson und seine Geeignetheit, etwa in Bezug auf das Diktum der körperlichen Unversehrtheit, das der Praxis nicht standgehalten habe. Hier seien Vergleiche mit Byzanz denkbar. Bei den Schriftzeugnissen zur Idoneität eines Herrschers sei, wie der Vortrag von Miriam Weiß deutlich gemacht habe, immer auch Rücksicht auf das wechselnde Urteil des Autors und dessen Blick auf die Rezipienten zu nehmen. In Hinsicht auf die Dynastie erschien dem Zusammenfassenden insbesondere die Akzeptanz einer Dynastie dort interessant, wo diese in Frage gestellt wird. Zudem fragte er zu Recht nach Konzepten der Idoneität von Herrscherinnen und regte die Einbeziehung des Einflusses der städtischen Kommunen in die Untersuchung von adliger Herrschaftslegitimation an.

Konferenzübersicht:

Begrüßung
Thomas Bürger – Generaldirektor der SLUB
Hans Vorländer – Sprecher des SFB 804

Einleitung
Cristina Andenna – Projekt C

Eröffnungsvortrag
Stefan Weinfurter (Heidelberg): Idoneität – Begründung und Kriterium für die Akzeptanz von Königsherrschaft im 11. Jahrhundert

1. Sektion: Der Herrscher als Einzelperson
Leitung: Alheydis Plassmann (Bonn)

Oliver Auge (Kiel): Physische Idoneität? Zum Problem körperlicher Versehrtheit bei der Eignung als Herrscher im Mittelalter
Miriam Weiss (Trier): Ein König vor Kritik. Matthew Paris und seine Chronica maiora
Marina Münkler (Dresden): Mangelnde Legitimität durch Genealogie? Parzivals persönliche Idoneität

2. Sektion: Die Dynastie
Leitung: Martin Kintzinger (Münster)

Jörg Peltzer (Heidelberg): Idoneität. Eine Ordnungskategorie oder eine Frage des Rangs?
Thomas Foerster (Bergen/Norwegen): Neue Herrschaft in neuen Reichen: normannische Königtümer in England und Sizilien
Sverre Bagge (Bergen/Norwegen): The Emergence of a Dynasty. Succession to the Throne in Norway until 1260
Laura Gaffuri (Turin/Italien): Définir la régence des femmes: le cas d’un État franco-italienne à la fin du Moyen Âge
Frank Rexroth (Göttingen): Dauerhaft untauglich. Die symbolische Inversion von Königsherrschaft im Rahmen der spätmittelalterlichen europäischen Königsabsetzungen

3. Sektion: Die Genealogie

A: Genealogisches Denken
Leitung: Francesco Panarelli (Potenza/Italien)

Gert Melville (Dresden): Genealogische Konstruktionen
Kai Hering (Dresden): Genealogie als Idoneitätskategorie am Beispiel der frühen Staufer
Marigold Anne Norbye (London/England): Iste non ponitur in recta linea arboris genealogie: Diagrams and Legitimacy in French Royal Genealogies
Robert Stein (Leiden/Niederlande): Selbstbild oder Projektion? Historiographische Traditionen am Hof der Herzöge von Burgund
Fulvio Delle Donne (Potenza/Italien): Nobilitas animi: Attribut oder Requisit einer nobilitas sanguinis? Die ideologische Reflexion am aragonesischen Hof von Neapel

B: Genealogie und Raum
Leitung: Gerd Schwerhoff (Dresden)
Birgit Studt (Freiburg): Land und Dynastie in der spätmittelalterlichen Geschichtsschreibung. Genealogische Narrative in den Geschichten von den Fürsten von Bayern
József Laszlovszky (Budapest/Ungarn): Invented Genealogies as Tools of Legitimation. Huns, Hungarians, Scotts and Their Imagined Dynastic Connections
Reinhardt Butz (Dresden): Idoneität der Dynastie versus wechselnde Räume, am Beispiel Spalatin
Tobias Tanneberger (Dresden): Das Identifikations- und Legitimationspotential des Raumes, am Beispiel der Genealogia principum Tungro-Brabantinorum
Zsolt Hunyadi (Szeged/Ungarn): Tracing Patterns: Marriage Strategies of the Medieval Hungarian Nobility

Zusammenfassung und Abschlussdiskussion
Uwe Israel (Dresden)


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