Die Außenlager der Konzentrationslager Sachsenhausen und Ravensbrück in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern

Die Außenlager der Konzentrationslager Sachsenhausen und Ravensbrück in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern

Organisatoren
Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten
Ort
Fürstenberg an der Havel
Land
Deutschland
Vom - Bis
17.10.2003 - 18.10.2003
Url der Konferenzwebsite
Von
Horst Seferens; Thomas Irmer

Die Geschichte der mehr als 100 Außenlager der Konzentrationslager Sachsenhausen und Ravensbrück, von denen sich die meisten in den heutigen Bundesländern Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern befinden, stand im Mittelpunkt eines Workshops, den die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten am 17. und 18. Oktober 2003 mit Unterstützung der Landeszentralen für politische Bildung in Berlin und Brandenburg in der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück durchführte.1 Neben einer Bestandsaufnahme der Forschung und der Quellenlage sollte der Workshop zugleich Auftakt für den Aufbau eines Informations- und Kooperationsnetzwerkes sein. Darüber hinaus gab es drei Foren über die Konzeption von Ausstellungen, den Umgang mit archäologischen Relikten und Fragen der Vermittlung und Pädagogik. Die Themen waren durch eine Umfrage ermittelt worden, die die Stiftung im Sommer 2003 durchgeführt hatte. Die Mehrzahl der Befragten hatte sich dabei auch für den Aufbau eines Netzwerkes ausgesprochen.

Mehr als 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen zu dem Workshop zusammen. Darunter befanden sich Vertreter und Vertreterinnen von lokalen Geschichtsinitiativen und Bürger-Vereinen, die über Außenlager der Konzentrationslager Sachsenhausen und Ravensbrück arbeiten, universitär angebundene Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Vertreter und Vertreterinnen des Sachsenhausen-Komitees und der Lagergemeinschaft Ravensbrück, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von anderen KZ-Gedenkstätten, Regionalmuseen und des United States Holocaust Memorial Museum sowie von Brandenburger Kommunen.

In seiner Begrüßung unterstrich Günter Morsch, Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten sowie Leiter der Gedenkstätte und des Museums Sachsenhausen, die Bedeutung der KZ-Außenlager und -Außenkommandos, in denen sich im Januar 1945 rund 60 Prozent der Häftlinge des KZ Sachsenhausen befunden hätten. Es sei notwendig, die Geschichte jedes einzelnen Lagers zu erforschen, da in ihnen zum Teil sehr unterschiedliche Bedingungen geherrscht hätten. Morsch würdigte die Arbeit von Initiativen und Einzelpersonen bei der Erforschung der Außenlager: Ihr Engagement trage entscheidend dazu bei, dass die Orte nicht in Vergessenheit geraten. Er bekannte sich zur dezentralen Erinnerungskultur in Deutschland. Die Stiftung wolle das Engagement vor Ort stärken und nicht die Zuständigkeit auf übergeordnete Institutionen verlagern.

Im ersten Teil des Workshops berichteten Mitarbeiter der Gedenkstätte und des Museums Sachsenhausen über den aktuellen Forschungs- und Quellenstand. Monika Knop, stellvertretende Gedenkstättenleiterin und zuständig für den Arbeitsbereich Außenlager, gab einen Überblick über die Entstehung und Entwicklung der Außenlager des KZ Sachsenhausen. Derzeit seien 96 Außenlager nachweisbar, von denen die meisten erst 1944 entstanden seien. Während die Häftlinge in den Außenlagern zunächst fast ausschließlich zur Zwangsarbeit für SS, Wehrmacht oder Polizei eingesetzt worden waren, trat ab 1942 der Einsatz in der privatwirtschaftlichen Rüstungsindustrie immer stärker in den Vordergrund.

Über jüdische KZ-Häftlinge in den Außenlagern von Sachsenhausen referierte Thomas Irmer, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Dauer-Ausstellungen „Jüdische Häftlinge im KZ Sachsenhausen“ und „Der 'Alltag' der Häftlinge im KZ Sachsenhausen“. Andreas Seeger, Leiter der Wissenschaftlichen Dienste, berichtete über die Bestände im Archiv der Gedenkstätte Sachsenhausen sowie über die Möglichkeiten der Recherche mit Hilfe von neu eingerichteten Datenbanken. Damit können Archivalien zu rund 60.000 namentlich erfassten Häftlingen, zu rund 4.500 Angehörigen des SS-Kommandanturstabes sowie im Bestand Erinnerungsberichte und in den Akten sämtlicher Verfahren gegen Sachsenhausen-Täter vor Gerichten der Bundesrepublik und der DDR recherchiert werden. Seeger wies darauf hin, dass für spezielle Recherchen zu Außenlagern ein hoher Zeitaufwand erforderlich sei. Er versicherte jedoch, dass die Archivalien soweit irgendwie möglich für Nutzer bereitgestellt werden. In der anschließenden, teilweise sehr kontrovers geführten Diskussion wurde unter anderem über die Durchführung und den Zweck von Zeitzeugen-Interviews sowie über Art und Umfang von Serviceleistungen durch die Gedenkstätten der Stiftung für Außenlager-Projekte debattiert.

Die Ergebnisse eines zweijährigen Forschungsprojektes der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, in dessen Rahmen 1999/2000 die Außenlager des KZ Ravensbrück untersucht worden waren, stellten Angelika Meyer, Erika Schwarz und Simone Steppan vor. Sie wiesen dabei auf die schwierige Quellenlage hin, die bereits die Zuordnung der Außenlager problematisch mache. Im Ergebnis habe sich herausgestellt, dass von 39 Außenlagern, die zeitweise dem KZ Ravensbrück unterstanden, 24 während der gesamten Zeit ihres Bestehens dem Frauen-Konzentrationslager zugeordnet waren. Diese 24 Außenlager sind im Rahmen des Projekts näher erforscht und dokumentiert worden. In Bildern wurde eindrucksvoll der heutige Zustand der Zeugnisse und Relikte vor Augen geführt. Cordula Hoffmann, Leiterin des Archivs Ravensbrück, stellte am Beispiel der Bearbeitung der Haftanfragen von Überlebenden die Sammlungsbestände zu Außenlagern in der Mahn- und Gedenkstätte dar. Abends gab es in den Räumen der Internationalen Begegnungsstätte viel Zeit, um Erfahrungen und Probleme im persönlichen Gespräch auszutauschen.

Am zweiten Tag berichtete der Historiker Andreas Weigelt über die neue Freilicht-Dokumentation zum Außenlager Lieberose. In Lieberose befand sich das größte Außenlager mit jüdischen Häftlingen des KZ Sachsenhausen, dem 1945 bis 1947 ein Speziallager des NKWD folgte. Nach langwierigen und von zahlreichen Rückschlägen begleiteten Vorbereitungen sind im Juni 2003 am historischen Ort zwei dokumentarische Ausstellungen zu beiden Phasen des Lagers eröffnet worden, die in der Verantwortung der Kirchengemeinde Lieberose/Land stehen und unter maßgeblicher Beteiligung der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten erarbeitet wurden. Weigelt hob hervor, dass die Einbeziehung der zweifachen Geschichte des Ortes in eine Konzeption mit zwei getrennten, aber räumlich benachbarten Dokumentationen auch nach der Eröffnung zu keinen nennenswerten Kontroversen geführt habe, wie dies anderenorts geschehen war. Allerdings habe das Ereignis lediglich eine regionale Resonanz gefunden; immerhin seien zahlreiche Besucher zu verzeichnen. Morsch wies in der Diskussion darauf hin, dass die Errichtung eines Hauses für die pädagogische Arbeit in der Nähe des historischen Ortes geplant sei.

Im Mittelpunkt des Vortrages von Bettina Götze, Leiterin des Kreismuseums Rathenow, und ihrer Mitarbeiterin Juliane Keil stand der Umgang mit archäologischen Relikten am Beispiel des ehemaligen Außenlagers Rathenow des KZ Sachsenhausen. Mit Unterstützung des brandenburgischen Landesamtes für Denkmalpflege waren dort Baureste und Einrichtungsgegenstände des Außenlagers geborgen worden, die in einer Wanderausstellung präsentiert wurden. Der Vortrag beleuchtete außerdem die Widerstände gegen eine Aufarbeitung und die politischen Auseinandersetzungen in der Stadt Rathenow über den Umgang mit dem Gelände, das zum Teil durch ein Gewerbegebiet überbaut worden ist. In der anschließenden Diskussion wurde auf die Bedeutung der Zusammenarbeit mit archäologischen Fachkräften bei der Bergung von Relikten hingewiesen. Gleichzeitig wurde kritisiert, dass einer ausschließlich archäologischen Herangehensweise an ehemalige Außenlager-Standorte meist die „Entsorgung“ der Geschichte folge – ohne eine gesellschaftliche Auseinandersetzung und Erinnerung. Denkmalpfleger und Initiativen seien aufeinander angewiesen und müssten ihre Tätigkeit besser koordinieren; die Denkmalpfleger müssten mehr Verständnis für bürgerschaftliches Engagement entwickeln.

Andreas Wagner, Mitarbeiter von Politische Memoriale e.V. in Schwerin, gab zunächst einen Überblick über die Situation ehemaliger KZ-Außenlager in Mecklenburg-Vorpommern, von denen nur zwei Gedenkstätten sind (Peenemünde, Wöbbelin), während an andere im Rahmen von Regionalmuseen oder durch bürgerschaftliches Engagement erinnert wird. Nach dem Ende der DDR seien die historischen Orte und ihre Relikte in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt. Ihre Sichtbarmachung und Dokumentation sei auch der wichtigste Anknüpfungspunkt für die pädagogische Projektarbeit. Als ambitioniertestes Ergebnis solcher Spurensuche sei 2002 in Barth ein Lern- und Gedenkpfad entstanden, der kontinuierlich erweitert werden soll. Zugleich beklagte Wagner die schwindende öffentliche Aufmerksamkeit für die regionalen Gedenkorte und erinnerte an die zahlreichen rechtextremistischen Anschläge der jüngsten Zeit. Ein „Aufstand des Gewissens“ sei ausgeblieben; gleichwohl müsse die Auseinandersetzung mit diesen Anschlägen in die pädagogische Arbeit einbezogen werden.

In der Abschlussdiskussion stellte Horst Seferens, Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, eine Reihe von Vorschlägen der Stiftung zum Aufbau eines Informations- und Kooperationsnetzwerks vor. Neben der Einrichtung einer Mailing-Liste und der Schaffung einer Plattform für die Präsentation der Außenlager-Initiativen auf den Homepages der Gedenkstätten Sachenhausen und Ravensbrück gehören dazu die Aufnahme von Informationen in das Stiftungs-Veranstaltungsprogramm, die Öffnung der Materialien-Reihe der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten für die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen über Außenlager sowie mögliche Kooperationen im Hinblick auf den 60. Jahrestag der Befreiung im Jahr 2005.

Diese Vorschläge wurden von den Anwesenden sehr positiv aufgenommen. Die Mehrheit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sprach sich außerdem für die Fortführung des Workshops in einem einjährigen Rhythmus aus. Zukünftig sollen dabei einzelne Themen im Vordergrund und mehr Zeit für die Vorstellung von Initiativen und den informellen Erfahrungsaustausch zur Verfügung stehen. Als Schwerpunkt des nächsten Workshops sprach sich eine Mehrheit für das Thema „Arbeit mit Zeitzeugen“ aus. Am Ende der Veranstaltung wurde die Initiative der Stiftung, ein Informationsnetzwerk zu den Außenlagern aufzubauen, sehr begrüßt. Es wurde jedoch auch deutlich, dass zwischen den Erwartungen hinsichtlich einer Service-Funktion der Gedenkstätten und der Tatsache, dass in Ravensbrück und Sachsenhausen lediglich je zwei wissenschaftliche Mitarbeiter beschäftigt sind, ein Missverhältnis besteht. Der kritische Hinweis auf den Umstand, dass Wissenschaftler gegenüber Vertretern von Initiativen im Kreis der Teilnehmer überrepräsentiert waren, wurde mit dem Appell verbunden, für den nächsten Workshop und für den Aufbau eines Netzwerks mehr Vertreter von Initiativen und engagierte Bürger zu gewinnen.

Wenn Sie an der Mailing-Liste „Netzwerk Außenlager der Konzentrationslager Sachsenhausen und Ravensbrück“ oder an den nächsten Workshop-Veranstaltungen teilnehmen möchten, wenden Sie sich bitte an:
Dr. Horst Seferens
Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten
Heinrich-Grüber-Platz
16515 Oranienburg
E-Mail: <seferens@stiftung-bg.de>

Anmerkung:
1 Siehe das Programm unter http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/termine/id=2098.


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