Deutschland - Skandinavien. Vergangenheitspolitik und Erinnerungskulturen im Schatten der Kriegserfahrungen (1940-1945)

Deutschland - Skandinavien. Vergangenheitspolitik und Erinnerungskulturen im Schatten der Kriegserfahrungen (1940-1945)

Organisatoren
Christoph Cornelißen in Kooperation mit Robert Bohn und Karl Christian Lammers
Ort
Kiel
Land
Deutschland
Vom - Bis
18.05.2007 - 19.05.2007
Url der Konferenzwebsite
Von
Carsten Mish, Kiel

Nordeuropa war während des Zweiten Weltkrieges wiederholt Schauplatz von zum Teil heftigen militärischen Auseinandersetzungen mitunter wechselnder Koalitionen und erlebte im Falle Dänemarks und Norwegens eine mehr als fünfjährige deutsche Okkupationszeit. Während diese Ereignisse im kollektiven Bewusstsein der betroffenen skandinavischen Staaten bis heute einen zentralen Platz einnehmen, wurde der Krieg im Norden in den beiden deutschen Staaten nur am Rande wahrgenommen. Die Normalisierung der Beziehungen zu den Staaten im Norden Europas und die Herstellung des heute guten nachbar- und partnerschaftlichen Verhältnisses beruhte damit weniger auf einer gemeinsamen Aufarbeitung der Kriegsjahre als auf Verdrängung, Vergessen und historischer Unkenntnis.

Die von Robert Bohn (Flensburg), Christoph Cornelißen (Kiel) und Karl Christian Lammers (Kopenhagen) organisierte und vom 18. bis 19. Mai 2007 in Kiel abgehaltene Tagung widmete sich diesen bislang kaum beachteten Entwicklungen im nördlichen Europa. Unter Bezugnahme auf die neueren Forschungsparadigmen „Vergangenheitspolitik“ und „Erinnerungskultur“ hatte sie eine kritische und international vergleichende Bestandsaufnahme des historiographischen, medialen, literarischen und nicht zuletzt politischen Umgangs mit Krieg und Okkupation zum Gegenstand.

Die erste Tagungssektion („Vergangenheitspolitik“) eröffnete Jon Reitan (Trondheim) mit einem Beitrag zur materiellen Kultur der norwegischen Vergangenheitspolitik. Der Umgang mit den betreffenden Stätten sei in den Nachkriegsjahrzehnten von dem Willen geleitet gewesen, den nationalen Konsens über die Deutung der deutschen Okkupationszeit nicht in Frage zu stellen, demzufolge Norwegen fast ausnahmslos einig gegen den Feind von außen gestanden habe. Erst Jahrzehnte später sei dieses „national syndrome of consensus“ in die Kritik geraten. Darüber hinaus könne man in den jüngeren Diskussionen eine auffällige Tendenz zur politisch motivierten Errichtung von „counter monuments“ ausmachen. Besonderes Spezifikum dieser „counter monuments“ ist laut Reitan, dass sie im Gegensatz zu den bisherigen Monumenten nicht nur der Erinnerung an die Okkupationszeit, sondern über den engeren historischen Kontext hinaus als Instrument zur moralisch-politischen Orientierung der Bevölkerung dienen sollen.

Alexander Muschik (Ahrensburg) konzentrierte sich im Folgenden auf den Umgang Schwedens mit der im Zweiten Weltkrieg praktizierten Neutralitätspolitik. Diese sei in der unmittelbaren Nachkriegszeit nicht kritisch hinterfragt worden. Erst in den 1960er-Jahren habe die historische Forschung begonnen sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und sei dabei zunächst zu dem Ergebnis gekommen, dass die Neutralität eine politische Notwendigkeit gewesen sei. Eine weniger an realpolitischen als moralischen Maßstäben orientierte Neubewertung setzte er ab den 1990er-Jahren ein, als eine neue Forschergeneration zu dem weitaus kritischeren Urteil gelangte, dass die Zusammenarbeit mit dem Deutschen Reich sehr viel enger als notwendig gewesen sei. Als Hauptgrund für diese späte Aufarbeitung führte Muschik die politische Mitverantwortlichkeit aller maßgeblichen schwedischen Parteien in der Allparteienregierung während des Zweiten Weltkriegs an.

Die juristische und politische Aufarbeitung der Okkupationszeit in Dänemark analysierte Nils Arne Sørensen (Odense). Ihm zufolge beschränkte sich erstere auf die unmittelbaren Nachkriegsjahre, während letztere von den meisten politisch Verantwortlichen nicht befördert wurde. Vielmehr habe man sich der „Official Narrative“ von einem geeinten Dänemark verschrieben, dass während der Okkupation nur von den Besatzern und wenigen Kollaborateuren bedroht gewesen sei. Entgegen diesem zunächst vorherrschenden Deutungsmuster habe eine Minderheit mit der „Resistance Narrative“ ein interpretatorisches Gegenmodell entworfen, demzufolge das politische Establishment das Land ebenfalls verraten habe. Aufgrund der bis heute andauernden Debatten kann man Sørensen zufolge den Umgang mit der Okkupation daher weniger als einen Fall von Vergangenheitsbewältigung denn als einen umkämpften Gedächtnisort bezeichnen.

Der finnischen Vergangenheitspolitik widmete sich Seppo Hentilä (Helsinki). Bedingt durch den 1944 vollzogenen Seitenwechsel und die Bestimmungen des Beistandspaktes mit Moskau sei es der Staatsführung nicht mehr möglich gewesen, jede Verantwortung für den Krieg von sich zu weisen. Dementgegen hätten die Historiker des Landes in den Nachkriegsjahrzehnten mit Vehemenz die These von der finnischen Unschuld am Krieg verteidigt. Von zentraler Bedeutung war dabei die „Treibholztheorie“, derzufolge Finnland wie ein Stück Treibholz im reißenden Strom von der Politik der Großmächte mitgerissen worden sei. Erst unter dem Einfluss ausländischer Arbeiten habe sich die finnische Historiographie von dieser Auslegung der Kriegsereignisse verabschiedet. Hentilä zufolge hat außerdem die durch das Ende des Kalten Kriegs möglich gewordene Aufkündigung des Beistandspaktes mit der Sowjetunion den Spielraum der Politik bezüglich des Umgangs mit der eigenen Rolle im Krieg wieder erhöht.

Robert Bohn (Flensburg) skizzierte die westdeutsche Vergangenheitsdiplomatie gegenüber Skandinavien. Der jungen Bonner Republik sei es schnell gelungen sich gegenüber den nordischen Nachbarn als verlässlicher Partner darzustellen. Lediglich im Falle Dänemarks sei zusätzlich eine Übereinkunft über den Status der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein nötig gewesen. Neben wirtschaftlichen Notwendigkeiten habe sich vor allem die durch den Kalten Krieg angespannte Sicherheitslage für die Bemühungen von deutscher Seite förderlich ausgewirkt. Deshalb beruhten die Erfolge bei der Normalisierung der Beziehungen in der Adenauer-Ära weniger auf skandinavische Sympathien denn auf sachlichen Notwendigkeiten, so das Urteil Bohns. Insgesamt wertete er den Annäherungsprozess nicht als Ausdruck einer westdeutschen Nordeuropapolitik, sondern vielmehr als Teil der Bonner Gesamtstrategie, möglichst rasch in die westlichen Sicherheitsstrukturen eingebunden zu werden.

Dementgegen charakterisierte Michael Scholz (Visby) in seinem anschließenden Vortrag über die Vergangenheitspolitik der DDR die Strategie Ost-Berlins als Ausdruck einer dezidierten Nordeuropapolitik. Im Rahmen ihrer Nordeuropapolitik habe sich die DDR unter Berufung auf den eigenen, antifaschistischen Gründungsmythos darum bemüht, die Bundesrepublik durch Offenlegung vermeintlicher faschistischer Kontinuitäten bei ihren nördlichen Nachbarn zu diskreditieren. Scholz nannte als Ziel dieser Politik die Störung der Integration Westdeutschlands in NATO und EWG. Ein deutlicher Rückgang dieser Aktivitäten war ab den frühen 1970er-Jahren zu verzeichnen, als sich mit der neuen Ostpolitik eine Annäherung Bonns und Ost-Berlins anbahnte.

Die zweite Sektion („Historiographische Deutungen“) leitete Rolf Hobson (Oslo) mit seinen Ausführungen zu den weißen Flecken in der norwegischen Okkupationshistoriographie ein. Aus norwegischer Sicht habe die deutsche Besatzung eine Schneise in die nationale Fortschrittsgeschichte geschlagen, welche die erste Generation der Okkupationshistoriker des Landes damit zu erklären versucht habe, dass das Unheil von außen hereingebrochen sei. In den 1960er-Jahren habe dann eine zweite Generation begonnen dieses Schwarz-Weiß-Schema durch einen stärkeren historiographischen Fokus auf die Kollaboration zu verschieben. Den Anschluss an die internationale Forschung hat Norwegen Hobson zufolge freilich bisher noch nicht gefunden, da es dem Land noch an einer dritten Generation von Okkupationshistorikern mangelt, die transnationale Aspekte wie beispielsweise Rassenpolitik und Wirtschaftsfragen untersuchen muss.

Über Staatskollaboration und Volk im Krieg referierte Palle Roslyng-Jensen (Kopenhagen). Obwohl Dänemarks Opferzahlen am Ende des Krieges mit Hinblick auf Kriegstote und Deportierte im Vergleich zu anderen nordischen Ländern gering waren, habe Dänemark unter den besetzten Ländern keine Sonderrolle einnehmen wollen. Deshalb wurde bei der Diskussion um die eigene Rolle im Krieg besonders die Okkupationserfahrung ab 1943 hervorgehoben. Sowohl die Historiographie als auch die öffentliche Meinung legte sich folglich überwiegend auf ein dichotomisches Modell von politisch und moralisch gerechtfertigtem Widerstand und verräterischer Kollaboration fest. Wie Roslyng-Jensen ausführte hat mit diesem Schema bisher lediglich die Geschichtsschreibung deutlich gebrochen, wohingegen im öffentlichen Diskurs eine kritische Auseinandersetzung mit der Zusammenarbeit von Staat und Bürgern mit der Besatzungsmacht bisher ausgeblieben ist.

Christoph Cornelißen (Kiel) widmete sich in seinem Beitrag den Legenden über die deutsche Kriegsführung in der bundesrepublikanischen Geschichtswissenschaft der Nachkriegszeit. Hierfür war zunächst eine Welle von populär-literarischen Publikationen der Beteiligten prägend. In der festen Absicht, die Wahrheit über den Angriff auf Skandinavien zu sagen, habe sich ein „Schweige- und Interessenkartell“ der Perpetuierung des Mythos verschrieben, dass die militärischen Operationen im Norden keine einseitige Aggression des Deutschen Reiches gewesen seien. Die ersten maßgeblichen fachwissenschaftlichen Arbeiten waren ebenfalls in diesem Geiste verfasst, so etwa die Darstellung von Walter Hubatsch zur „Weserübung“. Damit leitete Hubatsch „Wasser auf die Mühlen der Revisionisten“, deren apologetische Beurteilung des deutschen Angriffes auf Dänemark und Norwegen bis in die siebziger Jahre vorherrschte.

Über die finnische Historiographie referierte Bernd Wegner (Hamburg). In der Tendenz wertete er den Vorwurf nicht als falsch, dass sich das Land den dunklen Seiten der Kriegsgeschichte versage, da die Historiographie in den Nachkriegsjahrzehnten die drei Kriege, welche das Land während des Zweiten Weltkriegs geführt hatte, als Akte der Selbstbehauptung deutete. Der „zum Mythos mutierte“ Winterkrieg sei dabei am unproblematischsten gewesen. Den darauf folgenden Angriff auf die Sowjetunion habe man zur eigenen Entlastung schon terminologisch durch die Bezeichnung als Fortsetzungskrieg in einen Zusammenhang mit der vorherigen Aggression Moskaus gestellt. Zur Erklärung des Abfalls vom deutschen Verbündeten habe man schließlich die „Treibholztheorie“ herangezogen, so dass im Ganzen Finnland die Rolle eines auf Neutralität besinnten Landes zugeschrieben wurde, welches lediglich seine Souveränität zu wahren gesucht hatte.

Die zweite Sektion schloss Karl-Christian Lammers mit seinem Abendvortrag über das Bild des neuen Deutschland in den skandinavischen Ländern. Furcht und Misstrauen seien nach Kriegsende in den skandinavischen Staaten, die nun auf eine endgültige Lösung des „deutschen Problems“ gehofft hätten, bestimmend gewesen. Zur eigenen Sicherheit hätten sie deshalb auf eine Einbindung der Bundesrepublik in das westliche System kollektiver Verteidigung bestanden. Zusätzlich habe Dänemark die Minderheitenfrage in Schleswig-Holstein zum Prüfstein der Beziehungen zu Bonn gemacht, für welche die Bonn-Kopenhagener-Erklärungen eine entscheidende Zäsur gewesen seien. Trotz sicherheitspolitischer und wirtschaftlicher Zusammenarbeit hat aus Sicht von Lammers die Skepsis in Dänemark jedoch zum Teil angehalten, weshalb die Deutschen zwar heute mit der Sympathie der Dänen rechnen könnten, nicht jedoch hoffen dürften „geliebt zu werden“.

Am folgenden Tag begann die dritte Sektion („Gedenkstätten und museale Präsentation der Okkupation und des Zweiten Weltkrieges“) mit einem Vortrag von Ivar Kraglund (Oslo) über das Widerstandsmuseum in Oslo. Kraglund führte aus, dass 25 Jahre bis zu einer permanenten musealen Repräsentation der Besatzungszeit vergingen. Die Eröffnung sei außerdem von langen Auseinandersetzungen um die Ausstellungskonzeption begleitet gewesen, wobei insbesondere die Konkurrenz einzelner Widerstandsgruppen zu heftigen Diskussionen geführt habe. Trotzdem seien bis auf die Vertreter des kommunistischen Widerstandes alle von der sehr textlastigen, mit wenigen Artefakten und fast keiner Erwähnung von Namen operierenden Ausstellung begeistert gewesen. Da sich letztere seit der Eröffnung nur unwesentlich verändert hat, arbeitet das Museum derzeit an einer grundlegenden Umgestaltung, vor allem mit Blick auf den Einsatz der neuen Medien.

Im Anschluss daran stellte Henrik Skov Kristensen (Padborg) das Freiheitsmuseum Kopenhagen und das Frøslevlager Museum Padborg vor. Für die Etablierung des Bildes vom nationalen Zusammenstehen aller Dänen während der Besatzung habe das 1957 eröffnete Freiheitsmuseum eine wichtige Rolle gespielt. Die Ausstellung sei deswegen schon in den 1970er-Jahren in die Kritik geraten, zur Neueröffnung der überarbeiteten Version sei es jedoch erst 1995 gekommen. Das ehemalige deutsche Polizeihäftlingslager bei Frøslev, 1969 als Museum eröffnet, sei ebenfalls zum Gegenstand einer öffentlichen Debatte geworden. Hier sei es die deutsche Minderheit gewesen, deren Angehörige in der Nachkriegszeit dort interniert worden waren, die energisch eine museale Berücksichtigung auch ihrer Leidensgeschichte in dem Museum eingefordert habe. Beide Fälle wertete Kristensen als Belege dafür, dass die Gestaltung von Gedenkstätten zwischen Erkenntnis, Politik und Emotionen navigieren muss.

Der Frage, inwieweit sich Alltag okkupieren lässt, ging dann Ruth Sindt (Kiel) am Beispiel von täglichem Leben und Kriegserinnerungen aus der Besatzungszeit in Kirkenes 1940-1944 nach. Obwohl der individuelle Umgang mit den deutschen Besatzern und den Kriegsereignissen sehr unterschiedliche Formen gehabt hat, kann man Sindt zufolge gemeinsame Erinnerungsmuster der Zeitzeugen nachweisen. Als Beispiel führte sie die grobe Unterscheidung der deutschen Besatzer durch die Zivilbevölkerung in die aus Überzeugung bzw. gegen ihren Willen in Norwegen stationierten an. Während erstere als Täter und Feinde wahrgenommen worden seien, hätten letztere eher als Opfer des Krieges gegolten. Die Konstituierung solcher allgemein geteilten Erinnerungsmuster habe es trotz vollkommen unterschiedlicher individueller Verhaltensweisen während der Besatzungszeit ermöglicht, nach Kriegsende wieder ein gemeinschaftliches Leben zu führen.

Zu Beginn der vierten Sektion („Mediale Darstellung“) skizzierte Heiko Uecker (Bonn) die Bearbeitung der deutschen Okkupation in der norwegischen Literatur. Dabei konstatierte Uecker eine vollkommen gegensätzliche Entwicklung im öffentlichen und literarischen Diskurs. Während die Verarbeitung des Traumas der Besatzung von der breiten Öffentlichkeit durch „aufschäumenden Nationalismus“ und einseitige Schuldzuweisungen gekennzeichnet gewesen sei, habe sich der literarische Diskurs mit dem äußeren Feind kaum auseinandergesetzt. Anstatt die Deutschen für alles haftbar zu machen, hätten sich die norwegischen Literaten auf die Suche nach inneren Ursachen von ideologischer Verblendung und Judenhass verlegt. Die Okkupation wurde so zum Auslöser für die schriftstellerische Auseinandersetzung mit tiefer sitzenden Defiziten der norwegischen Gesellschaft. In Deutschland wurden diese kritischen Autoren freilich kaum rezipiert und gerieten so weitestgehend in Vergessenheit, so die Bilanz Ueckers.

Dem Medium Film widmete sich Martin Moll (Graz) und verwies darauf, dass die Produktionen über die Zeit des Zweiten Weltkrieges eine landesspezifische Nische im jeweiligen filmischen Repertoire darstellen, da jedes Land seine eigene Situation, zum Teil auch jenseits der Exporttauglichkeit, filmisch umgesetzt hat. Dänemark und Schweden habe es dabei im Gegensatz zu Norwegen und Finnland aufgrund der nicht stattgefundenen Kampfhandlungen an „zündenen Sujets“ gefehlt. Als weiteres gemeinsames Charakteristikum isolierte Moll die Hervorhebung der jeweiligen nationalen Verteidigungs- bzw. Widerstandsleistung in fast allen frühen Werken und ebenfalls die relativ späte Behandlung kritischerer Themen wie beispielsweise der Kollaboration. Im Ganzen könne man jedoch trotzdem nicht von einer reinen Entwicklung vom Heroismus zur Dekonstruktion sprechen.

Okkupation und Widerstand im Internet stellte Mogens Rostgaard Nissen (Esbjerg) am Beispiel des virtuellen Museums zur Geschichte Schleswig-Holsteins und Süddänemarks vor, einem Gemeinschaftsprojekt der Universitäten Sønderborg und Flensburg sowie der Fachhochschule Kiel. Das Angebot, primär ausgerichtet auf Schulkinder, ziele auf eine umfassende, multiperspektivische Darstellung der Kriegserfahrung ab. Dabei setze das Projekt zum einen auf eine Nutzung der Möglichkeiten des Internets, beispielsweise durch Einbindung einer starken medialen Komponente sowie interaktiver Steuerungselemente, auf der anderen Seite aber auch auf eine zielgruppenorientierte Aufbereitung, etwa durch die Verwendung von Cartoons zur Visualisierung. Das Projekt bietet daher aus Sicht von Nissen einen guten Einblick in die neuen Möglichkeiten der medialen Darstellung der Thematik.

Den letzten Tagungsvortrag hielt Einhart Lorenz (Oslo) mit einem Arbeitsbericht über den Stand der Forschungen zur Deportation der norwegischen Juden und deren Aufarbeitung. Lorenz zufolge erklärte man in Norwegen die Judendeportation während der deutschen Okkupation nach dem Krieg zu einer „Marginalie“ und wies die Schuld den Deutschen zu. Die norwegische Historiographie habe die Juden ebenfalls lange Zeit ausgeklammert und erst seit Ende 1990er-Jahre werde die Geschichte der jüdischen Minderheit erforscht. Diese sei von der Aufhebung der Einwanderungsbeschränkungen im Jahr 1851 an diskriminiert und aus der norwegischen Gesellschaft ausgegrenzt worden. Lorenz kam daher zu dem Ergebnis, dass man die Judendeportationen während des Krieges, an denen Norweger unmittelbar beteiligt waren, unter anderem auch deshalb hat durchführen können, weil sie eine Minderheit trafen, die nach dem Verständnis weiter Teile der Bevölkerung nicht als zur Nation zugehörig angesehen wurde.

Sowohl die Beiträge als auch die abschließende Diskussion der Tagungsergebnisse verdeutlichten, dass es aufgrund der sehr unterschiedlichen Positionen der nordischen Staaten in und nach dem Zweiten Weltkrieg nicht möglich ist, von Skandinavien als einer Entität zu sprechen, wie es der Titel der Tagung „Skandinavien – Deutschland“ impliziert. Die beträchtlichen Divergenzen sowohl im Hinblick auf die Kriegsjahre als auch auf deren Verarbeitung und Folgen für die Nachkriegsbeziehungen zu den beiden deutschen Staaten sind für Dänemark, Norwegen, Schweden und Finnland deutlich zu Tage getreten. Daher wäre für folgende Untersuchungen eine noch stärker vergleichende und damit weniger nationale Perspektive ein Erfolg versprechender Zugang, um übergreifende Erkenntnisse mit Blick auf die Vergangenheitspolitik und Erinnerungskulturen im Norden zu gewinnen. Der gegenseitige Austausch auf der Tagung leistete hierzu einen wichtigen Beitrag. Eine Publikation der Beiträge in Form eines Sammelbandes ist in Vorbereitung.

Kontakt

Ursula Kunze
Tel. 0431/880-2301
Fax 0431/880-3294
ukunze@email.uni-kiel.de


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