Berlin-Brandenburger Colloquium für Umweltgeschichte

Berlin Brandenburger Colloquium für Umweltgeschichte Winter 2024-253 online

Veranstalter
Astrid Kirchhof; Jan-Henrik Meyer (ZZF Potsdam, Deutsches Museum)
Ausrichter
ZZF Potsdam, Deutsches Museum
Veranstaltungsort
Online
PLZ
14467
Ort
Potsdam
Land
Deutschland
Findet statt
Digital
Vom - Bis
02.12.2024 - 10.02.2025
Von
Jan-Henrik Meyer, Max-Planck-Institut für Rechtsgeschichte und Rechtstheorie

Berlin-Brandenburger Colloquium für Umweltgeschichte

Das Kolloquium bietet ein Forum für die Diskussion umwelthistorischer Forschung

Berlin Brandenburg Colloquium on Environmental History Winter 2024/25

The Berlin Brandenburg Colloquium on Environmental History is an open forum for the discussion of environmental history research broadly defined.

Berlin Brandenburger Colloquium für Umweltgeschichte Winter 2024-253 online

Das Berlin-Brandenburger Colloquiums für Umweltgeschichte diskutiert auch in diesem Semester verschiedene Forschungen zur Umweltgeschichte von nuclear heritage in Osteuropa bis zur Umweltgeschichte im Balkan, und vom Steinkohleteer bis zum Bürgerdialog Kernenergie.
Das Colloquium wird vollständig online sein.

Berlin Brandenburg Colloquium on Environmental History Winter 2024-25

We are looking forward to continuing our discussion on environmental history in the months to come and have assembled an diverse and international array of presentations - from nuclear heritage in Central Europe to environmental history in the Balkans, from toxic treatment of wooden sleepers and their heritage to the history of the West German Citizen's Dialog on Nuclear Energy in the 1970s. The colloquium will be held mondays, at 6 p.m. Berlin time, and will be fully online.

Programm

Montag, 02.12.2024Arne Cypionka (Karlsruhe):
Nuclear Heritage Making im Vergleich: Ostdeutschland, Tschechien, Litauen

Montag, 16.12.2024Iva Lučić (Stockholm)
Extracting Nature, Making Peripheries: Global Perspectives on the Balkans as Extractive Periphery, 1870–1990

Montag, 27.01.2025 Martin Meiske (München):
Der Aufstieg von Kreosot und sein toxisches Erbe. Umwelt- und Stoffwissen in der Infrastrukturwartung und Konflikte um ihre materiellen Altlasten

Montag, 10.02.2025Britta Oertel/Jan-Henrik Meyer (Berlin):
Informieren, diskutieren, überzeugen? Der Bürgerdialog Kernenergie (1974-1983). Staatliches Handeln in der bundesdeutschen Atomkraftkontroverse

Ort: ONLINE on ZOOM: https://hu-berlin.zoom-x.de/j/65558796751?pwd=U3hkYVMzTDkrc3lGdk5nekdGL2l6Zz09
Meeting-ID: 655 5879 6751; Passwort: 264162

Zeit: 18:00 – 20:00 Uhr

Kontakt: Astrid M. Kirchhof astrid.m.kirchhof@hu-berlin.de; Jan-Henrik Meyer meyer@zzf-potsdam.de

Montag, 02.12.2024Arne Cypionka (Karlsruhe):
Nuclear Heritage Making im Vergleich: Ostdeutschland, Tschechien, Litauen
Abstract:
Trotz der Renaissance, die die Atomkraft in einigen Teilen der Welt gegenwärtig zu erleben scheint, gibt es Orte, die sich eindeutig als Teil ihres Erbes beschreiben lassen, und zwar in doppeltem Sinne: sowohl materiell als strahlendes Erbe, als auch als kulturelles Erbe. Das sind etwa Endlager, stillgelegte Reaktoren oder vormalige Uranbergwerke. Heritage making fokussiert (Neu)Interpretation, Dokumentation, Vermittlung und Bewahrung dieser ehemaligen Standorte der Atomindustrie.
Im Rahmen des Vortrags, der gleichzeitig einen Entwurf seines angestrebten Dissertationsprojekts zu Nuclear Heritage darstellt, geht Arne Cypionka auf vier solcher Orte ein. Einer davon sind die ehemaligen Uranbergbaugebiete der Sowjetisch-Deutschen Aktiengesellschaft Wismut in Sachsen und Thüringen. Darüber hinaus werden das Endlager Morsleben (Sachsen-Anhalt), ehemalige Uranbergwerke bei Příbram (Tschechien) sowie das stillgelegte Kernkraftwerk Ignalina (Litauen) als Orte des Vergleichs erwogen, an denen auch eine mögliche begriffliche Unterscheidung von Heritage and Legacy thematisiert und zur Diskussion gestellt werden soll.

Kurzbiographie:
Arne Cypionka (M.A.) studierte Europäische Kultur und Ideengeschichte mit Fokus Technik- und Umweltgeschichte am Karlsruher Institut für Technologie und arbeitet als freier Journalist. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der digitalen Transformation und der Geschichte der Atomkraft.

Montag, 16.12.2024Iva Lučić (Stockholm)
Extracting Nature, Making Peripheries: Global Perspectives on the Balkans as Extractive Periphery, 1870–1990
Abstract
How and why do some regions rich in natural resources become economic and ecological peripheries of extraction? What is the role of political turmoil in their long-term transformation? These questions stand at the core of the project examining peripheralization processes by means of natural resource extraction. It studies forest exploitation in the Balkans between 1870–1990, a period marked by advancing extractive industries and major socio-economic and environmental transformations. The project breaks new ground in more than one sense. First, by exploring the hitherto neglected Balkan region, it challenges mainstream theories on extractivism and center-periphery models as it elaborates a novel methodological approach that studies political governance, ecology and social circumstances through the interplay of bottom-up and top-down perspectives. Second, it explores the multiple peripheralization processes of one region under a variety of shifting polities, including empires, post-imperial nation-state formations and communist regime. Third, it engages with cross-regional comparisons of the Balkans with extractive peripheries in other parts of the world. The project develops new explanatory models about how socio-economic and environmental inequalities emerge and materialize on different spatial and temporal scales. In doing so, it seeks to enhance our comprehension of contemporary conflicts over natural resources and their ultimate social and environmental costs.
Short biography
Iva Lučić is Associate Professor of History at the Department of History, Stockholm University and Pro Futura Scientia Scholar at the Swedish Collegium for Advanced Studies. She is the author of Im Namen der Nation: Der Politische Aufwertungsprozess der Muslime im sozialistischen Jugoslawien 1956-1971 (Harrassowitz, 2018) and Gebrochenes Brot: Ein Frauenorden zwischen zwei Weltkriegen. Die Eucharistieschwestern (Anton Pustet Verlag, 2020). She is currently co-editing Imperial Natures: (Re)Thinking Late Habsburg Governance through the Environment with environmental historian Jawad Daheur (L’École des hautes études en sciences sociales, France) for Berghahn Books. Her longer-term research focuses on the dynamics of extractivism under a variety of shifting polities, including empires, post-imperial state formations, and communist regime. It focuses on forest extraction in Bosnia and Herzegovina from late Ottoman to late socialist period.

Montag, 27.01.2025 Martin Meiske (München):
Der Aufstieg von Kreosot und sein toxisches Erbe. Umwelt- und Stoffwissen in der Infrastrukturwartung und Konflikte um ihre materiellen Altlasten
Abstract:
Wartung und Reparatur gehören zu den prägenden Formen, in denen Menschen mit Technik interagieren, und dennoch weist ihre Historiographie immer noch deutliche Lücken auf. Mit Hilfe der Stoffgeschichte lassen sich historische Wartungspraktiken sichtbar machen, die oft mit prekären Arbeitsbedingungen und toxischen Werkstoffen einhergingen. Ihre Spuren führen bis in aktuelle Diskussionen um Altlasten und Umweltgerechtigkeit. In meinem Forschungsprojekt folge ich dem Steinkohlenteeröl Kreosot, das in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einen rasanten Aufstieg vom ungenutzten Reststoff der Kohle-Verkokung und Leuchtgasproduktion zum begehrten Holz-Imprägniermittel, vor allem für Eisenbahnschwellen, durchlebte. Im Sinne jüngerer Forschung zur Stoffgeschichte (Haumann et al. 2023) und Residual Materialism (Boudia et al., 2022) folge ich Kreosot in einer longue-durée Perspektive durch verschiedene historische Kontexte bis ins 21. Jahrhundert.
Der Vortrag vertieft zwei Aspekte dieses Projektes: In einem ersten Teil möchte ich danach fragen, welche Wissensbestände entscheidend für Wartungsakteure wie Bahnmeister, Streckenläufer und andere Arbeiter:innen des Bahnunterhaltungsdienstes waren. Welche Rolle spielten Umwelt- und Stoffwissen in der Wartungspraxis technischer Infrastrukturen zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Deutschland? Welche Materialitäten und Temporalitäten mussten im Sinne der Bahnsicherheit in Einklang miteinander gebracht werden? Doch das im Rahmen der Imprägnierung mobilisierte Kreosot fand nicht immer seinen Weg in die hölzernen Schwellen. Vielmehr zeigte sich in den 1990er Jahren, als zunehmend Boden- und Grundwasser-Untersuchungen an Standorten alter Imprägnieranstalten durchgeführt wurden, dass diese nahezu ausnahmslos zu Altlasten geworden waren. In den folgenden Jahren entstanden in Deutschland eine Reihe von Bürgerinitiativen, die sich für die umfassende Sanierung dieses toxischen Erbes infrastruktureller Wartungsregime einsetzten. Der zweite Teil zeichnet exemplarisch einige dieser gesellschaftlichen Konflikte nach.
Martin Meiske ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungsinstitut des Deutschen Museums in München und Lehrbeauftragter am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Er studierte Geschichte und Germanistik in Potsdam, Bern und Zürich und wurde in München am Rachel Carson Center for Environment and Society und der LMU promoviert. Forschungsaufenthalte führten ihn an das CIF in Buenos Aires, das GHI Washington, D.C. und das GHI London. Sein Habilitationsprojekt trägt den Titel „Kulturen und Kosten der Wartung. Der Aufstieg von Kreosot und sein prekäres Erbe“.
Ausgewählte Publikationen: Die Geburt des Geoengineerings. Großbauprojekte in der Frühphase des Anthropozäns (Wallstein, 2021); (Hrsg. mit E.-C. Heine) Beyond the Lab and the Field: Infrastructures as Places of Knowledge Production Since the Late Nineteenth Century (University of Pittsburgh Press, 2022); (mit S. Esselborn) Public History: The Infrastructural Utopia of Metropa, in: Technology and Culture 65, no. 4 (2024), 1335-1347.  
Montag, 10.02.2025Britta Oertel/Jan-Henrik Meyer (Berlin):
Informieren, diskutieren, überzeugen? Der Bürgerdialog Kernenergie (1974-1983). Staatliches Handeln in der bundesdeutschen Atomkraftkontroverse
Abstract:
Auch nach dem Atomausstieg 2023 bleibt mit der Suche nach dem Endlager für hochradioaktiven Abfall das Thema der gesellschaftlichen „Akzeptanz“ nuklearer Anlagen weiter auf der politischen Tagesordnung, und damit auch Fragen von Bürgerinformation und zivilgesellschaftlicher Partizipation. Nicht zuletzt deshalb lohnt sich ein Blick zurück: Wie haben zu Zeiten des Ausbaus der Atomkraft in den 1970er Jahren staatliche Akteure versucht, Bürgerinnen und Bürger zu informieren und mit ihnen zu diskutieren, nicht zuletzt mit dem Ziel, sie zu überzeugen?
Angesichts von fast 100.000 Eingaben gegen den Bau des geplanten Reaktors im badischen Wyhl, einigten sich Regierungschefs von Bund und Ländern Ende 1974 im Grundsatz auf eine gemeinsame „Aufklärungsaktion zur Unterrichtung der Öffentlichkeit über die Notwendigkeit des Baues von Kernkraftwerken, die Sicherheitsanforderungen und die Auswirkungen auf die Umwelt“. Zuständig wurde das Bundesministerium für Forschung und Technologie, das den Begriff „Bürgerdialog Kernenergie“ prägte. Dieser Vortrag stellt die wichtigsten Ergebnisse der kürzlich fertiggestellten, vom Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) finanzierten und vom IZT (Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung) Berlin, Dialogik Stuttgart und dem Gorleben Archiv erstellten Studie über den „Bürgerdialog Kernenergie (1974-1983) – Staatliches Handeln in der Auseinandersetzung um die nukleare Entsorgung und seine Bedeutung für das heutige Standortauswahlverfahren“ vor. Diese rekonstruiert erstmals umfassend diese fast völlig vergessene, aber sehr umfangreiche, vielfältige und in vielerlei Hinsicht innovative staatlich organisierte Kommunikationsmaßnahme auf breiter Quellenbasis.
Der Vortrag diskutiert – eingebettet in den historischen Kontext – die Motivationen und Erwartungen aus der Politik, die praktische Umsetzung in Informations- und Dialogaktionen, sowie die gesellschaftliche Wahrnehmung, die sehr relevant für seine Glaubwürdigkeit war. In der kritischen Zivilgesellschaft regten sich rasch Zweifel, ob der Bürgerdialog wirklich „Entscheidungshilfe“, oder doch nur „Durchsetzungsmethode“ sein sollte. Die Studie zeigt die Dilemmata staatlicher Informations- und Kommunikationsaktionen im Rahmen einer in ihren Zielen weitgehend festgelegten Politik. Damit leistet die Studie einen Beitrag nicht nur zur Geschichte von Gesellschaft und Atomkraft in Europa, sondern stellt auch Einsichten bereit, die für zukünftige „Bürgerdialoge“ von Relevanz sind.

Kurzbiographie:
Britta Oertel studierte Informationswissenschaft und Geografie an der Freien Universität Berlin (MA, 1995). Seit 1993 arbeitet sie am Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT) in Berlin. Schwerpunkte ihrer Forschungsarbeit sind Zukunftsstudien und die Analyse von neuen Technologien in Wirtschaft und Gesellschaft. Dabei stehen die Abschätzung und Bewertung von Chancen und Gefahren sowie die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Folgen im Mittelpunkt. Des Weiteren evaluiert sie Förderinitiativen und Programme zur Förderung neuer Technologien und Energiewende u. a. im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, der Europäischen Kommission, des WWF und der Medienanstalt Berlin-Brandenburg. Seit 2013 bearbeitet und leitet sie Projekte im Rahmen der Konsortialmitgliedschaft des IZT beim Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB). Ende 2014 wurde sie in den Fachausschuss Wissenschaft der Deutschen UNESCO-Kommission berufen. 2023 wurde sie in die Deutsche UNESCO-Kommission gewählt.

Jan-Henrik Meyer forscht am Max-Planck-Institut für Rechtsgeschichte und Rechtstheorie in Frankfurt a.M. zur Geschichte des EU-Umwelt- und Energierechts, und leitet am IZT Berlin (zusammen mit Britta Oertel) das vom Bundesamt für Strahlenschutz finanzierte Projekt „Diskursgeschichte der EMF-Kritik in Deutschland – Akteure und Positionen“, und 2020-2023 (ebenfalls mit Britta Oertel) das Projekt „Bürgerdialog Kernenergie (1974-1983) – Staatliches Handeln in der Auseinandersetzung um die nukleare Entsorgung und seine Bedeutung für das heutige Standortauswahlverfahren“. Zuvor war er an den Universitäten Kopenhagen und Aarhus, NTNU Trondheim und an der University of Portsmouth tätig. Seine Forschungsschwerpunkte umfassen die Umwelt- und Energiegeschichte, europäische Integration und Europäische Öffentlichkeit, sowie die Geschichte von Gesellschaft und Atomkraft.
Jüngst erschienen: Nuclear Power and Geography: How the European Communities Failed to Regulate the Siting of Nuclear Installations at Borders in the 1970s and 1980s. Historical Social Research 49, 1 (2024): 167-192; The European Parliament and the Origins of Environmental Policy. European Parliament History Series (PE 757.644 – February/March 2024): 1-45 & 1-10; Ein Fanal gegen "ökologisch unverantwortbar[e]" Technik. Die Selbstverbrennung des Atomkraftgegners Hartmut Gründler 1977. Didactica historica 9 (2023):63–68; Atomenergie – das Scheitern einer technischen Innovation? In Atom. Strom. Protest. 50 Jahre Wyhl und anderswo, (Hgg.) Beata Lakeberg und Hans-Christian Pust, 26-35. Ostfildern 2023.

Kontakt

Astrid Kirchhof astrid.m.kirchhof@hu-berlin.de
Jan-Henrik Meyer meyer@zzf-potsdam.de

https://www.academia.edu/125653906/Berlin_Brandenburg_Colloquium_on_Environmental_History_BBC_Winter_2024_2025_final