Die neue Ausgabe des "Jahrbuchs für Antisemitismusforschung" vereinigt Beiträge zur Geistesgeschichte und politischen Geschichte des 19. Jahrhunderts mit solchen zur ungebrochenen Persistenz eines über Jahrzehnte in die Kommunikationslatenz verschobenen Antisemitismus in Deutschland und Österreich. Außerdem wird der Blick auf einen „postmodernen Antisemitismus“ gerichtet, der sowohl kosmopolitisch-individualistische Vorstellungen in sich aufnehmen kann, als auch auf seit Jahrzehnten tradierte und bis heute virulente Verschwörungstheorien in Chile und der Türkei. Mit der bewussten Grenzverschiebung bzw. intendierten Neuakzentuierung in Bezug auf die deutsche Vergangenheit hatten wir es auch hierzulande in den vergangenen Monaten immer wieder zu tun, wobei jedoch antijüdische Ressentiments wohlweislich nicht offen bedient, sondern eher indirekt über Begriffe wie „Denkmal unserer Schande“ oder „Vogelschiss“ transportiert werden. Vor diesem Hintergrund stellt sich uns allen immer wieder die Frage, ob, wo und mit wem genau man sich über rechtspopulistische Inhalte auseinandersetzen soll. Der den mittlerweile 27. Band des "Jahrbuchs für Antisemitismusforschung" abschließende Debatten-Teil nimmt dieses Thema auf und stellt vier unterschiedliche Positionen vor.
INHALTSVERZEICHNIS
STEFANIE SCHÜLER-SPRINGORUMVorwort
ANTISEMITISMUS IN LITERATUR UND MUSIK
RAHEL STENNESDer Jude und der Philister. Die Konstruktion komplementärer Feindbilder bei Clemens Brentano
BORIS BLAHAKDer mauschelnde Mime. Zur Sprache „verdächtiger“ Operngestalten Richard Wagners im Kontext seiner antijüdischen Musikkonzepte
ANTISEMITISMUS IN EUROPA IN GESCHICHTE UND GEGENWART
CORDELIA HEßEine Fußnote der Emanzipation? Antijüdische Ausschreitungen in Stockholm 1838 und ihre Bedeutung für eine Wissensgeschichte des Antisemitismus
ANDREAS BRÄMERTierschutzbewegung und Antisemitismus in der frühen Bundesrepublik – Karl-Ferdinand Finus und der Protest gegen die rituelle Schlachtpraxis der Juden
MARGIT REITERAntisemitismus in der FPÖ und im „Ehemaligen“-Milieu nach 1945
NORA LEGE/STEFAN MUNNESPostmoderner Antisemitismus? Im Spannungsfeld von Individualismus und Gemeinschaftsorientierung. Ergänzende Betrachtungen zu den „Mahnwachen für den Frieden“
VERSCHWÖRUNGSTHEORIEN
MAX LAUBEDie Verschwörungstheorie „Plan Andinia“ Eine Medienanalyse des chilenischen Falls „Rotem Singer“ (2011–2016)
EREN YILDIRIM YETKINImperialer Wahn und Untergangsfantasien Zum Antisemitismus der konservativ-nationalistischen Szene in der Türkei
DEBATTE: MIT RECHTEN REDEN
SINA ARNOLDParty für Alle
MARCUS FUNCKWer redet, ist nicht tot
SABINE HARKWenn Rechte reden
SAMUEL SALZBORNMit Rechten (öffentlich) reden? Nein
DIE AUTORINNEN UND AUTOREN