Gaposchkin, M. Cecilia; Field, Sean L. (Hrsg.): The Sanctity of Louis IX. Early Lives of Saint Louis by Geoffrey of Beaulieu and William of Chartres. Ithaca (New York) 2014 : Cornell University Press, ISBN 978-0-8014-7818-5 216 S. $ 69,95 (ca. € 56,00)

: The Making of Saint Louis. Kingship, Sanctity, and Crusade in the Later Middle Ages. Ithaca (New York) 2008 : Cornell University Press, ISBN 978-0-8014-4550-7 XVII, 331 S. $ 49,95 (ca. € 39,00)

Rezensiert für H-Soz-Kult von
Christian Oertel, Friedrich-Schiller-Universität Jena

Die fama sanctitatis des 1214 geborenen Ludwig IX. von Frankreich war bereits zu seinen Lebzeiten weit verbreitet und gründete sich sowohl auf seine Versuche, die Ideale mendikantischer Frömmigkeit mit dem Herrscheramt in Einklang zu bringen als auch auf seine zwei Kreuzzüge, 1248 nach Ägypten und 1270 nach Tunis. Auch das Ausbleiben von Erfolgen in beiden Unternehmungen tat seinem Ruf offenbar keinen Abbruch. Trotzdem dauerte es nach seinem Tod, 1270 auf seinem zweiten Kreuzzug, noch 27 Jahre bis seine Heiligkeit auch von päpstlicher Seite anerkannt wurde. Die Kanonisationsbulle wurde von Bonifatius VIII. am 11. August 1297 ausgestellt.

M. Cecilia Gaposchkin untersucht in ihrer 2008 erschienenen Dissertation, „The Making of Saint Louis“, „the process by which Louis was turned from a king into a saint“ (S. 4). Die Quellen, die sie heranzieht, um diesen Vorgang nachvollziehen zu können, sind vor allem hagiographischer Natur. In acht Kapiteln versucht sie sich diesem Ziel zu nähern, wobei die ersten drei Kapitel chronologisch den Prozess der Kanonisation Ludwigs verfolgen, während die Kapitel 4 bis 8, eingeleitet von einem Exkurs zu liturgischen Quellen, die Sichtweisen verschiedener Gruppen (Philipp IV., Mendikanten, ältere Orden, Aristokratie) auf den heiligen König untersuchen. Besonders in diesem zweiten Teil geht Gaposchkin über die bisherige Forschung hinaus. Diese wird vor allem durch Robert Folz’ „Les saints rois du Moyen Âge en Occident“ und durch die zuletzt erschienene monumentale Biographie Ludwigs von Jacques Le Goff vertreten.1 Eine ähnliche Fragestellung wie Gaposchkin, allerdings mit kunsthistorischem Schwerpunkt, verfolgte jüngst die Hamburger Dissertation von Anja Rathmann-Lutz.2

Im ersten Kapitel von „The Making of Saint Louis“ identifiziert Gaposchkin die drei Pfeiler „piety, crusade, kingship“ (S. 47), auf denen die Vorstellung von Ludwig dem Heiligen ruhte und stellt die Unterstützerkreise seiner Heiligsprechung vor. Das zweite Kapitel ordnet die Kanonisation Ludwigs durch Bonifatius VIII. im Jahr 1297 in den politischen Zusammenhang des späten 13. Jahrhunderts ein und wertet sie als Teil der Auseinandersetzung zwischen dem französischen König Philip IV. und Bonifatius VIII., während das dritte Kapitel den Hof Philips IV., die französischen Dominikaner, aber auch hochadlige Höfe als Zentren der frühen Verehrung Ludwigs anführt. Die Besonderheit von „The Making of Saint Louis“ ist die starke Konzentration Gaposchkins auf liturgische Quellen anhand derer sie die Sichtweisen der verschiedenen Gruppen auf Ludwig den Heiligen herausarbeitet. Dabei konzentriert sie sich vor allem auf die sechs Offizien, die zu Ehren des heiligen französischen Königs komponiert wurden.

Die Analyse dieser Offizien wird in den Kapiteln 4 bis 6 und 8 unternommen und jeweils durch Einbeziehung weiterer schriftlicher und bildlicher Quellen ergänzt, wenn diese für das Verständnis des in den Offizien gezeichneten Bildes Ludwigs hilfreich sind. In Kapitel 4 werden die Offizien Nunc laudare (dominikanisch) und das darauf aufbauende, im Umfeld König Philips IV. entstandene Ludovicus decus regnantium untersucht. In Kapitel 5 widmet sich Gaposchkin dem Offizium Lauda celestis, das in drei unterschiedlichen Redaktionen überliefert ist. Ursprünglich ein zisterziensisches Offizium (1), wurde es für den säkularen Gebrauch zunächst gekürzt (2), um später von Pariser Benediktinern in St.-Germain-des-Prés und/oder St.-Denis wieder erweitert zu werden (3). Die starke Abhängigkeit des franziskanischen Offiziums Francorum rex vom Franziskus-Offizium Franciscus vir wird in Kapitel 6 auf einen generell starken „imitative approach […] particularly among the mendicant orders“ (S. 162) zurückgeführt: „If Francis had been a type of Christ, Louis was a type of Francis“ (S. 166). Mit Kapitel 7 verlässt M. Cecilia Gaposchkin kurzzeitig das Untersuchungsgebiet der liturgischen Quellen und stellt den schwer zu klassifizierenden Bericht Jean von Joinvilles vor, der Elemente sowohl einer Heiligenvita als auch eines Kreuzzugsberichtes aufweist und ein zeitgenössisches – wenn auch zeitgenössisch wenig verbreitetes – Dokument der aristokratischen Sicht auf Ludwig den Heiligen darstellt. In Kapitel 8 werden schließlich die zwei restlichen Offizien Exultemus Omnes, das an Ludwigs Translationsfest seine Anwendung fand und Sanctus voluntatem, das für das Stundenbuch (Horarium) Ludwigs komponiert wurde, vorgestellt.

Anhand des von ihr ausgewählten Materials kann Gaposchkin überzeugend aufzeigen, wie divergent die Perspektiven auf Ludwig IX. als Heiligen in den verschiedenen Gruppen der französischen Gesellschaft des späten 13. und frühen 14. Jahrhunderts waren. So legen etwa die Quellen aus dem Umfeld der Kapetinger großes Gewicht auf das Königtum Ludwigs, während das franziskanische Offizium, statt auf seine göttliche Erwählung abzuheben, seine Taten in der Tradition mendikantischer Frömmigkeit wie Almosengeben oder Fußwaschungen an Kranken in den Vordergrund stellt. Gaposchkins Buch liefert einen weiteren Beweis für den oft unterschätzten Wert liturgischer Quellen zur Rekonstruktion von ‚Heiligenkarrieren‘. Es wäre allerdings wünschenswert gewesen, der starken Konzentration auf liturgische Quellen im (Unter-)Titel des Bandes Rechnung zu tragen und damit anders gelagerten Erwartungen, die mit dem sehr allgemein formulierten Titel einhergehen könnten, entgegenzuwirken. Gleichwohl muss der Band nicht nur als wichtiger Beitrag zur Erforschung Ludwigs des Heiligen bezeichnet werden, sondern kann auch als Vorbild für ähnliche zukünftige Untersuchungen von (Königs-)Heiligen dienen, für die mehrere Offizien komponiert wurden.

Nach der Veröffentlichung von „The Making of Saint Louis“ zeichnete M. Cecilia Gaposchkin für zwei weitere Bücher (mit-)verantwortlich, die es sich vor allem zur Aufgabe machten, lateinische Quellen zu Ludwig dem Heiligen einer breiteren Öffentlichkeit in englischer Sprache zugänglich zu machen. Das erste dieser Bücher mit dem Titel „Blessed Louis, Most Glorious of Kings” erschien 2012 und enthält lateinische Editionen und Übersetzungen zweier anonymer Viten (Gloriosissimi regis und Beatus Ludovicus), den Texte der Messe Gaudeamus Omnes und des am königlichen Hof benutzten Offiziums Ludovicus decus regnantium sowie zweier Predigten Jakobs von Lausanne über Ludwig den Heiligen.3 Alle diese Texte entstanden nach der Kanonisation Ludwigs IX. und waren vor 2012 nicht oder nicht vollständig ediert.

Das 2014 erschienene, hier zu rezensierende, Buch stellt quelleneditorisch gewissermaßen ein prequel der Edition von 2012 dar, da hier vor allem Texte berücksichtigt wurden, deren Entstehungsdaten deutlich vor der Heiligsprechung des französischen Königs liegen. In diesem Band wurden den Übersetzungen ins Englische allerdings nicht die lateinischen Texte gegenübergestellt. Die Herausgeber schicken den zwei Viten zunächst drei Briefe voraus. In dem ersten unterrichtete Ludwigs Sohn, Philipp III., im September 1270 den französischen Klerus vom Tod seines Vaters. Dieser Brief wurde von den dominikanischen Autoren der weiter hinten im Buch übersetzten Viten, Gottfried von Beaulieu und Wilhelm von Chartres, zusammen mit dem Franziskaner Johann von Mons nach Frankreich gebracht. Der zweite Brief vom März 1272 enthält die Aufforderung des – noch nicht geweihten und gerade erst in Italien eingetroffenen – Papstes Gregor X. an Gottfried von Beaulieu, so schnell wie möglich eine Vita Ludwigs zusammenzustellen. Der dritte Brief, ausgestellt im September 1275, stellt ein Schreiben der französischen Dominikaner an das Kardinalskollegium dar, in dem die Kardinäle gebeten werden, für die Heiligsprechung Ludwigs zu wirken. Die Aufnahme dieser drei Briefe in den Band ist logisch und absolut gerechtfertigt, da durch sie einerseits deutlich wird, dass sowohl Ludwigs Nachfolger als französischer König, Philipp III., als auch der neu gewählte Papst, Gregor X., ein dringendes Interesse an der Eröffnung des Kanonisationsverfahrens Ludwigs IX. hatten. Darüber hinaus machen sie die zentrale Rolle der Autoren der beiden Viten unter den Unterstützern dieses Verfahrens deutlich.

Den größten Teil der Quellenübersetzungen nehmen die beiden Viten „Life and Saintly Comportment of Louis, Former King of the Franks, of Pious Memory“ (Vita et sancta conuersatio piae memoriae Lvdovici quondam Regis Francorum) Gottfrieds von Beaulieu und „On the Life and Deeds of Louis, King of the Franks of Famous Memory, and on the Miracles That Declare His Sanctity [sic!]” (De vita et actibus inclytae recordationis Regis Francorum Ludouici) Wilhelms von Chartres ein. Während die zeitgenössische Wirkmächtigkeit der Vita Wilhelms begrenzt gewesen zu sein scheint, bildete diejenige Gottfrieds die Grundlage der folgenden Kanonisationsprozesse. Den chronologischen Anschluss an den Band Gaposchkins aus dem Jahr 2012 schaffen die Herausgeber mit der Übersetzung der Kanonisationsbulle Bonifatius’ VIII. aus dem Jahr 1297.

Übersetzungen von lateinischen Quellen in moderne Sprachen erfreuen sich – besonders, aber nicht nur unter Studenten – großer Beliebtheit und können dazu beitragen, den horror fontis zu mildern. Auch der moderate Preis dürfte der Verbreitung des Bandes in studentischen Kreisen Vorschub leisten. Um den didaktischen Wert des Bandes noch zu steigern, wäre allerdings eine lateinisch-englische Edition wünschenswert gewesen. Besonders im Falle der Vita Gottfrieds von Beaulieu, in der die Übersetzer nach eigenen Angaben (S. 173) ein bisher nicht für Editionen herangezogenes Manuskript berücksichtigten, macht es das Fehlen des zuvor erstellten lateinischen Textes stellenweise schwierig, den Anmerkungen im textkritischen Apparat der Übersetzung zu folgen. Die gut lesbare Einleitung verfällt nicht den hagiographischen Tendenzen, die auch wissenschaftliche Texte über Heilige hin und wieder annehmen, sondern zeichnet ein gut balanciertes Bild von Ludwigs Charakter und problematisiert auch aus heutiger Sicht abzulehnende Taten Ludwigs (z. B. die antisemitischen Tendenzen in seiner Gesetzgebung). Zusammen mit dieser Einleitung bilden die übersetzten Quellen ein besonders in der akademischen Lehre gut einsetzbares Instrument.

Anmerkungen:
1 Robert Folz, Les saints rois du Moyen Âge en Occident (VIe–XIIIe siècles), Brüssel 1984; Jacques Le Goff, Saint Louis, Paris 1996.
2 Anja Rathmann-Lutz, „Images” Ludwigs des Heiligen im Kontext dynastischer Konflikte des 14. und 15. Jahrhunderts, Berlin 2010.
3 M. Cecilia Gaposchkin, Blessed Louis, Most Glorious of Kings. Texts relating to the Cult of Louis IX of France. Translation with Phyllis B. Katz, Notre Dame, Indiana 2012.