M. Connelly u.a. (Hrsg.): War and the Media

Cover
Titel
War and the Media. Reportage and Propaganda, 1900-2003


Herausgeber
Connelly, Mark; Welch, David
Erschienen
London 2005: I.B. Tauris
Anzahl Seiten
256 S.
Preis
$ 59.50
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Jürgen Wilke, Institut für Publizistik, Johannes Gutenberg Universiät Mainz

Dass die seit Anfang der 1990er-Jahre wieder geführten Kriege in einem engen Konnex mit den Kommunikationsmedien standen und stehen, ja geradezu als „Medienkriege“ bezeichnet werden konnten, hat auch das historische Interesse an diesem Zusammenhang wieder entfacht. Inzwischen hat dies in einer ganzen Reihe von Publikationen seinen Niederschlag gefunden. Hier fügt sich auch der vorliegende Band ein, der auf eine Konferenz des „Centre for the Study of Propaganda“ der University of Kent im September 2001 zurückgeht. Im Untertitel greift dieses Buch aber über dieses historisch gewordene Datum hinaus und schließt den daraus resultierenden Irak-Krieg mit ein.

Der Band enthält außer Einleitung und Nachwort 18 Beiträge, die sich zeitlich auf ein Jahrhundert verteilen, beginnend mit dem zweiten südafrikanischen Burenkrieg bis zu den NATO-Operationen auf dem Balkan im Zuge des Kosovo-Konflikts. Im Zentrum stehen mit jeweils vier Beiträgen der Erste und der Zweite Weltkrieg. Zwei weitere behandeln Episoden aus dem „Kalten Krieg“. Das überrascht doch etwas, zumindest fehlt eine Erklärung, warum dieser „psychologische Krieg“ umstandslos neben die militärischen gestellt wird. Zumal daran anschließend zwei Beiträge sich mit dem desaströsen Vietnam-Krieg befassen und in einem weiteren der Falkland-Krieg 1982 Gegenstand der Untersuchung ist. Greifen die meisten Beiträge Vorgänge einzelner Kriege im 20. Jahrhundert auf, so sind die restlichen übergreifenden Aspekten gewidmet. Bei den Autor/innen handelt es sich überwiegend um Historiker/innen aus dem anglo-amerikanischen Bereich, wobei unterschiedliche „Schulen“ vertreten sind, von der eher klassischen Militärgeschichte bis zur Kulturgeschichte. Zudem kommen auch (Ex-)Angehörige der Royal Military Army zu Wort. Die unterschiedliche Provenienz macht sich denn auch im Charakter der Beiträge bemerkbar.

Insgesamt hinterlässt der Band einen heterogenen Eindruck. Die einzelnen Beiträge stellen in sich geschlossene Teile von doch recht unterschiedlicher Signifikanz dar. Das Manko eines das Gesamtthema integrierenden Ansatzes macht auch die Einleitung nicht wett, in der die nachfolgenden Beiträge eher vorgestellt als inhaltlich miteinander verknüpft werden. Die Gliederung des Bandes in „Chapters“ suggeriert einen – über die Chronologie hinaus – im Grunde nicht vorhandenen systematischen Aufbau.

Nachdem im ersten Kapitel dargestellt worden ist, wie die Presse über drei Belagerungen im (zweiten) Burenkrieg berichtete (J. Beaumont), schildert D. Welch die Organisation der deutschen Propaganda im Ersten Weltkrieg. Er ist schon durch andere Arbeiten zu diesem Thema bekannt, bewegt sich aber – trotz sehr guter Kenntnis auf diesem Gebiet – nicht ganz auf dem Stand der deutschen Literatur. Ausdrücklich gegen so genannte „revisionistische Militärhistoriker“ richtet Stephen Badsey seinen Versuch einer „Ehrenrettung“ der seiner Ansicht nach unterschätzten britischen Westfront 1918. Die Ausgrabung der Edinburgher Wochenzeitschrift „Everyman“ und ihres Herausgebers Charles Saroléa durch S. T. Johnson mag insofern gerechtfertigt sein, als an diesem Autor die Stilisierung des Ersten Weltkriegs zum „Heiligen Krieg“ dokumentiert werden kann. Dies erscheint aktuell angesichts der islamistischen Parole vom Dschihad und verweist auf die universelle Neigung zur religiösen Überhöhung. Ein Beispiel zum Thema Film in der Kriegspropaganda steuert R. Smither mit seiner Fallstudie zu dem deutschen Streifen „Der Magische Gürtel“ bei. Sie ist Ergebnis einer am Imperial War Museum mit Mitteln der Europäischen Union geförderten Restaurierung dieses vom Bild- und Film-Amt (BUFA) produzierten deutschen Films zum propagadaträchtigen U Boot-Krieg.

Im engeren Sinne medienhistorisch von Interesse ist, wie kein anderer Beitrag, vielleicht derjenige von J. Fox. Sie stellt dar, wie das Radio in einem britischen und einem deutschen Film 1940/41 funktionalisiert worden ist: als Mittel des Untergrundkampfs einerseits, als Mittel der Vergemeinschaftung andererseits. I. Favretto und O. Bergamini untersuchen das Bild Italiens in der alliierten Kriegspropaganda 1943-45. Deren Motto lässt sich mit „temperamentally unwarlike“ umschreiben. Kriegspropaganda in dichterischer Form wird am Beispiel des Dokumentarfilmers Humphrey Jennings aufgezeigt (J. Richards). Ein weniger „individualistischer“ als professioneller Untersuchungsgegenstand sind die Entstehung des „War Reports“ und die Arbeit der Kriegskorrespondenten bei der BBC (S. Nicholas). Dieser Beitrag, der auf der Auswertung interner Quellen der BBC basiert, schließt gewiss eine Lücke in der Geschichte der Kriegsberichterstattung im britischen Rundfunk.

Auch wenn das Wort vom „Kalten Krieg“ nur eine Metapher ist und aus ihm zum Glück kein „heißer“ Krieg geworden ist, so blieben in seinem Gefolge doch die Jahre nach 1945 eine Hochphase der Propaganda. T. Shaw geht es um solche Propaganda in amerikanischen und britischen Kinofilmen, N.J.Cull untersucht die Rolle von Carl T. Rowan als Direktor der United States Information Agency 1964-1965. Freilich vermisst man hier zum Teil das Zeitkolorit und die Einbeziehung der kommunistischen Gegenpropaganda, ohne die die damalige Situation nicht zu verstehen ist. Ohnehin wird der Propagandabegriff vielfach undefiniert verwendet, als erkläre er sich hinreichend von selbst. D. Culbert und C. Whittacker liefern Nachträge zum Vietnam-Krieg, dessen Bedeutung als „Medienkrieg“ bereits notorisch geworden ist. Auch welche Rolle dabei der „Tet-Offensive“ 1968 zukam, ist im Prinzip nicht neu. Dass schließlich noch der Falkland-Krieg (von K. Dodds) behandelt wird, liegt im Kontext der britischen Tradition des Themas nahe. Er verdient diese Aufmerksamkeit aber auch aus sachlichen Gründen. Hatte die britische Regierung doch aus den amerikanischen Erfahrungen in Vietnam gelernt und Konsequenzen für das „Medienmanagement“ gezogen, was ihr angesichts der Lage des Kriegsgebiets auch leicht fiel.

Mit Aspekten der „Virtualisierung“ des Krieges im digitalen Zeitalter beschäftigt sich S.L. Carruthers. Das (scheinbare) Verschwinden des „realen“ Krieges ist nur eine der irritierenden Fragen, die durch neue Informationstechnologien aufgeworfen werden. P.M. Taylor, im Grunde der einzige Kommunikationswissenschaftler unter den Autor/innen des Bandes, konstatiert bei westlichen Militärs ein gespaltenes Bewusstsein hinsichtlich psychologischer Kriegsführung und ein diesbezügliches Vakuum an Information, dem er selbst zu begegnen sucht. Ob oder inwieweit er damit recht hat, lässt sich an den beiden abschließenden Beiträgen der Militärexperten (A. Taverner, M. Laitey) überprüfen. Sie sind sich jedenfalls bewusst, welche „Mitagenten“ die Medien in Kriegsoperationen und Friedensmissionen sind – und sie schildern diese Rolle mitunter fast etwas zu konfliktfrei.

Eine Gesamtlektüre des Sammelbandes muss man deutschen Lesern nicht unbedingt empfehlen. Aber eine Reihe von Beiträgen dürfte auch für diese von Interesse sein.

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