Re-Visionen der Zukunft: Perspektiven der Geschlechterforschung

Re-Visionen der Zukunft: Perspektiven der Geschlechterforschung

Organisatoren
Braunschweiger Zentrum für Gender Studies, das Zentrum für interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung (ZFG) in Oldenburg, das Zentrum für interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung (ZIF) in Hildesheim, der Studien- und Forschungsschwerpunkt Gender Studies der Universität Hannover, das Studienfach Geschlechterforschung der Universität Göttingen sowie die Medizinische Hochschule Hannover (MHH)
Ort
Braunschweig
Land
Deutschland
Vom - Bis
04.05.2006 - 06.05.2006
Url der Konferenzwebsite
Von
Annette Vieth, Braunschweiger Zentrum für Gender Studies, TU Braunschweig

Unter dem Titel „Re-Visionen der Zukunft: Perspektiven der GeschlechterforschungBraunschweig/Re-Visioning the Future: Perspectives in Gender Studies“ fand an der TU Braunschweig vom 04. bis 06. Mai 2006 ein großer und hochrangig besetzter internationaler Kongress der Gender Studies statt. (vgl. http://www.re-visioning-gender.de) Veranstalter des Gemeinschaftsprojekts waren das Braunschweiger Zentrum für Gender Studies, das Zentrum für interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung (ZFG) in Oldenburg, das Zentrum für interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung (ZIF) in Hildesheim, der Studien- und Forschungsschwerpunkt Gender Studies der Universität Hannover, das Studienfach Geschlechterforschung der Universität Göttingen sowie die Medizinische Hochschule Hannover (MHH).
Der Kongress wurde gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft, das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur, die Stiftung Niedersachsen sowie die Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz – Braunschweig Stiftung.

Ziel des Kongresses war eine grundlegende fachübergreifende „Re-Vision“ zentraler Ergebnisse und Forschungsansätze aus der Geschlechterforschung, ihre kritische Betrachtung im internationalen Dialog sowie die Konkretisierung von interdisziplinären Forschungsdesideraten. Angestrebt waren „Re-Visionen“ im doppelten Sinne: als kritische Bestandsaufnahme und Standortbestimmung einerseits, als Neuausrichtung auf die Zukunft von Gender Studies, eine Erörterung der Potenziale, die die Geschlechterforschung für künftige Gestaltungsbeiträge in Wissenschaft und Gesellschaft bereithält, und eine Re-Aktivierung von Visionen andererseits. Der Kongress sollte hierfür mit einer hochrangigen (internationalen) wissenschaftlichen Besetzung eine sowohl repräsentative wie innovative Diskussionsplattform bieten. Den inhaltlichen Rahmen gaben dabei die vier Kongressthemen vor, die zentrale und aktuelle Diskussionsthemen der Gender Studies spiegelten: 1. Technologie(n) des Wissens. Re-Visionen des lebenden Körpers; 2. Gender, Class, Ethnicity: Ungleichheiten im gesellschaftlichen Transformationsprozess; 3. Visionen und Visibilität – Sozial- und Medienwissenschaften im Dialog; 4. Wissenschaftskultur, Profession und Geschlecht.

Das ambitionierte Konzept wurde vom Kongressprogramm in Form eines dichten Angebots an wissenschaftlichen Vorträgen, Diskussionsforen, künstlerischen und Film-Beiträgen umgesetzt. Der zweisprachige Kongress (deutsch und englisch) versammelte knapp 40 Vorträge renommierter Genderforscherinnen und -forscher aus Europa, den USA, Südafrika und Neuseeland mit Beiträgen aus den Sozial-, Geistes-, Kultur- und Kunstwissenschaften sowie aus Medizin und Naturwissenschaften. Die Bearbeitung der Themen fand in Form von Einführungsvorträgen im Plenum sowie weiteren Beiträgen in den vier teils parallel verlaufenden Sektionen statt. In Form von Posterpräsentationen, einführend moderiert von Waltraud Ernst (Hildesheim, D), wurden zudem vielfältige Projekte insbesondere des wissenschaftlichen Nachwuchses, aber auch aus der Gleichstellungsarbeit vorgestellt. Auf der politischen Ebene wurde mit verschiedenen Vertreterinnen aus den Bereichen Wissenschaftspolitik, Hochschulentwicklung, Gleichstellung und Genderforschung über weitere Institutionalisierungsmöglichkeiten der Gender Studies nachgedacht. Eine öffentliche Podiumsdiskussion debattierte eingehend die gegenwärtigen Umbrüche im Bildungsbereich und deren hochschulpolitische Konsequenzen für die zukünftige Ausgestaltung von Gender-Themen im Hochschulbereich. (es diskutierten: Ulrike Beisiegel (Wissenschaftsrat (WR), D), Brigitte Doetsch (Landeskonferenz Niedersächsischer Hochschulfrauenbeauftragter (LNHF) und Gleichstellungsbeauftragte der TU Braunschweig, D), Barbara Hartung (Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur, D), Liisa Husu (Helsinki, FIN), Heike Fleßner (Oldenburg, D); Moderation: Ulrike Teubner (Darmstadt, D)).

Im Rahmen des kulturellen Begleitprogramms, das aus einer Performance-Darbietung der Braunschweiger Künstlerin Iris R. Selke sowie einer 5-tägigen Filmreihe unter dem Titel „Blurring Gender. Visionen der Uneindeutigkeit“ (Organisation: Markus Brunner (Hannover, D)) bestand, wurden darüber hinaus die wissenschaftlichen Themen Aspekten der künstlerischen Auseinandersetzung gegenübergestellt und so um künstlerische Perspektivierungen erweitert. Vorträge zu den Filmen mit anschließender Diskussion wurden hier gehalten von: Judith Halberstam (L.A., USA), Andreas Jahn-Sudmann (Göttingen, D), Heike Klippel (Braunschweig, D), Skadi Loist (Frankfurt/Main, D), Iris R. Selke (Braunschweig, D), Susanne Tönsmann (Bremen, D).

Allen Themenschwerpunkten des Kongresses gemeinsam war das Ziel, herkömmliche Dichotomien bei der theoretischen (epistemologischen) und praktischen (sozialen, politischen, ökonomischen und kulturellen) Herstellung und Durchsetzung hierarchisierender Geschlechterordnungen aufzubrechen. In der Sektion 1/ Technologie(n) des Wissens. Re-Visionen des lebenden Körpers (moderiert von Brigitte Lohff (Hannover, D)) sollten dabei insbesondere biologisierende und biologistische Argumentationsweisen in den Körperkonzepten der neuen Biowissenschaften sowie der Medizin einer eingehenden Kritik unterzogen werden. Die vorgestellten Ansätze umfassten hier sowohl methodisch als auch vom Untersuchungszeitraum her ein weites Spektrum. So stellte Victoria Grace (Christchurch, NZ) eine mit Elementen der Systemtheorie argumentierende Kritik des aktuellen Leib-Seele-Dualismus der modernen Biomedizin vor, während Ilana Löwy (Paris, F) die ambivalenten, die Geschlechterdifferenz potenziell auflösenden und sie gleichzeitig wieder herstellenden Effekte modernster Forschungsergebnisse zur nicht keimbahngebundenen Weitergabe genetischen Materials (FISH) herausarbeitete. Smilla Ebeling (Oldenburg, D) nahm eine historische Dekonstruktion dualistisch-heteronormer Kategorien in der Zoologie im 19. und 20. Jahrhundert vor, während Bettina Wahrig (Braunschweig, D) im historischen Durchgang durch verschiedene patriarchale Denkmuster im Prozess der Herausbildung des modernen Organismusbegriffs die Verschränkung von Machbarkeitsideologien und Geschlechterbildern aufzeigte. Mary Baine Campbell (Waltham, USA) analysierte die Vergeschlechtlichung des Traumsubjekts im 17. Jahrhundert bei gleichzeitiger Entleerung und Abstraktion des Traumbegriffs. Barbara Duden (Hannover, D) kontrastierte den Körperbegriff der modernen Biowissenschaften mit einem phänomenologisch und körperhistorisch argumentierenden Leibbegriff und insistierte darauf, dass bereits der Begriff „lebender Körper“, ebenso wie der Begriff „Leben“, eine historisch unzulässige Abstraktion sei. Die Kommentatorinnen Elvira Scheich (Berlin, D) und Angelika Voss (Hannover, D) würdigten in ihren Kommentaren das breite Spektrum der Ansätze und forderten aus unterschiedlichen Perspektiven eine stärkere Fokussierung der impliziten Wissen/Macht-Konstellationen der in den Vorträgen untersuchten Diskurse und Forschungsergebnisse.

An diese Diskussion der Dichotomien und Dualismen im Bereich der Biowissenschaften und der Medizin(-geschichte) schlossen sich in der Sektion 2/ Gender, Class, Ethnicity: Ungleichheiten im gesellschaftlichen Transformationsprozess (moderiert von Sybille Küster (Hannover, D)) unter dem Stichwort „intersectionality“ vor allem weitreichende theoretische Erwägungen zu ‚Differenz’ in sozialen Ungleichheitsstrukturen an. Anhand von Gender, Class und Race/ Ethnicity als zentralen strukturtheoretischen Analysekategorien wurde damit eine paradigmatische Erweiterung der soziologischen Theorien diskutiert, die darauf zielt, die Überschneidung (intersection) von Ungleichheit zwischen den Geschlechtern mit anderen Strukturgebern von Ungleichheit zu erfassen und so das Zusammenwirken von Kategorien kultureller Differenzierung und sozialer Strukturierung neu zu überdenken. Unter den Bedingungen gesellschaftlicher Transformation (z.B. europäische Integration, Globalisierung, Migrationsbewegungen) gerät eine solch integrierte Sicht auf gesellschaftliche Ungleichheit zu einer entscheidenden Zukunftsfrage, wie die verschiedenen Beiträge verdeutlichten.

Ann Phoenix (Open University, UK) arbeitete hier zunächst die Notwendigkeit der Konzeptualisierung angemessener Methodologien und einer angemessenen Gewichtung des zu berücksichtigenden Spektrums von Differenzindikatoren heraus, u.a. um einen Rückfall in Identitätspolitiken zu vermeiden. Daran anschließend diskutierte Gudrun-Axeli Knapp (Hannover, D) den Nutzen des Intersektionalitätsansatzes für die Analyse gesellschaftlicher Transformationsprozesse (auf der Makro-Ebene; historisch) und plädierte für eine entsprechend sozial- und makrostrukturell angelegte Re-Vision der Formation „europäische Moderne“. Sheila Meintjes (Johannesburg, ZA) gewährte einen aufschlussreichen Einblick in die Arbeit der nach dem Ende der Apartheid in Südafrika eingesetzten ‚Commission on Gender Equality’ und stellte daran kritisch die Beharrlichkeit sozialer und historisch gewachsener Strukturen und der geschlechtlichen Codierung politischer Macht und Institutionen heraus. Myra Marx Ferree (Madison, USA) analysierte die Analogien, die der Rhetorik von ‚Race’ und Gender in den Geschlechterpolitiken der EU unterliegen, und zeigte hier sowohl verhängnisvolle Widersprüche als auch vielversprechende Komplementaritäten auf. Helma Lutz (Münster, D) verwies in ihrem Beitrag auf die unterschiedliche Genese und gesellschaftliche Verankerung von Race, Class und Gender und kritisierte in diesem Zusammenhang eine Verstellung des Blicks auf Kontinuitäten und Diskontinuitäten ethnisch-rassistischer Strukturen und Einstellungen – von der Kolonialzeit über den NS bis zur Gegenwart – in der deutschsprachigen Debatte. Auf der Mikro-Ebene stellten Helma Lutz (am Beispiel von Migrantinnen als Angestellte in deutschen Haushalten) sowie Renate Bitzan (Göttingen, D), die die verschiedenen Faktoren, die die Partizipations- und Interessenvertretungsoptionen von polnischen Arbeiterinnen in deutschen Privathaushalten in ländlichen und strukturschwachen Regionen prägen, untersuchte, darüber hinaus Überlegungen zu den wirkungsmächtigen und sich wechselseitig durchdringenden Prozessen des ‚Doing Gender’ und des ‚Doing Ethnicity’ an. Claudia Gather (Hildesheim, D) verwies in ihrem Kommentar diesbezüglich nochmals auf die soziale und ökonomische Einbettung der von Lutz diskutierten ethnischen und geschlechtsbezogenen Zuschreibungen und Interaktionsweisen.

In der Sektion 3/ Visionen und Visibilität – Sozial- und Medienwissenschaften im Dialog wurde insbesondere der Begriff „Sichtbarkeit“ (visibility) sowie die vielfältigen Semantiken und politischen Gebrauchsweisen und Visionen, die mit ihm einhergehen, kritisch und aus den unterschiedlichen Perspektiven der hier eingebundenen Disziplinen heraus diskutiert. Ziel war ein kultur- und sozialwissenschaftlicher Fächerdialog, um Bilder und mediale Inszenierungen von Geschlecht in ihrem Spannungsverhältnis zwischen Repräsentation und subjektiver Wirklichkeit zu befragen. Dabei ging es vor allem darum, genauer zu bestimmen, wie mediale Inszenierungen und Visualisierungen von Geschlecht wirken (können) – bspw. als utopische Avantgarde oder stereotype Reduktion. Hinterfragt wurde außerdem das Bedürfnis kritischer, z.B. feministischer Bewegungen nach ‚positiven (Gegen)Bildern’ und einer ‚positiven Sichtbarkeit’ unter Verweis auf deren ambivalente Effekte. Zugleich wurde gefragt, ob und inwieweit Sichtbarkeit des und der bisher Übersehenen, Verdrängten, Verworfenen – wie in der queer theory, in feministischen Theorien und/oder in post-colonial studies immer wieder gefordert und eingelöst – mit deren Anerkennung im politischen und ethischen Sinne einhergeht. Von den Beiträgen wurden hier insbesondere Themen aus den Queer Studies verhandelt.

Die Beiträge in dieser Sektion, die von Paula-Irene Villa (Hannover, D) moderiert wurde, umspannten ein fachliches Spektrum von den Kunst- und Medienwissenschaften bis zu diskursanalytischen und kultursoziologischen Perspektiven, die es in einen interdisziplinären Dialog zu überführen galt. Zu Beginn unternahm Judith Halberstam (L.A., USA) in ihrem Plenarvortrag eine Aufwertung des „Scheiterns“ als einer verworfenen und gewissermaßen tabuisierten ‚Figur’ im akademischen und neoliberalen Kontext des gegenwärtigen Kapitalismus und plädierte demgegenüber für die Anerkennung des Scheiterns als potenziell widerständiger Strategie und ‚Waffe der Schwachen’ im Sinne Gramscis. ‚Queerness’ als Verweigerung eindeutiger Identitäts- und Subjektpositionen deutete sie als eine solche positive Strategie des Scheiterns. Das hier gewonnene Wissen gelte es gerade für die Akademie fruchtbar zu machen, die sich ansonsten mit Foucault nur selber struktur- und inhaltskonservativ reproduziere. Sabine Hark (Berlin, D) schloss hier an und übte in der Auseinandersetzung mit Sichtbarkeiten/ Unsichtbarkeiten queerer Positionen/ Positionierungen Kritik an der Heteronormativität a) in der Akademie, b) in den feministischen Ansätzen selbst. Linda Hentschel (Berlin, D) vollzog anschließend eine gelungene, an Derrida orientierte dekonstruktive Lektüre der ‚Abu Ghraib’-Fotos und ihrer medialen Kontexte, während Faith Wilding (Chicago, USA) die außergewöhnliche künstlerische und politische Arbeit des cyberfeministischen Kollektivs „subRosa“ vorstellte, das mittels Performance-Kunst eigene und kritische Diskursbeiträge zu den Themen Geschlecht, Sexualität und Differenz im Kontext von Reproduktions- und Biotechnologien zu entwerfen sucht. Hedwig Wagner (Weimar, D) analysierte am Beispiel des japanischen Films „Tokio Decadence“ in Medien selber eingelagerte Geschlechtsnormen und ihre exemplarische (Un)Sichtbarkeit.

Die Sektion 3 zielte explizit auf einen engeren interdisziplinären Dialog zwischen Sozial- und Medienwissenschaften, was im Ergebnis in Form eines durchaus erfolgreichen ‚Auftakts’ gelang, der zugleich deutlich machte, dass noch weitere ‚Übersetzungsleistungen’ zur Verständigung notwendig sind. Einen wichtigen Übersetzungsbeitrag leistete an dieser Stelle der Abschlusskommentar von Silke Wenk (Oldenburg, D), der die unterschiedlichen disziplinären Zugangsweisen kenntnisreich reflektierte und somit für den Dialog ‚aufschloss’.

In der Sektion 4/ Wissenschaftskultur, Profession und Geschlecht (moderiert von Sabine Brombach (Braunschweig, D)) ging es um die Analyse aktueller Wissenschaftskulturen und ihrer Auswirkungen auf die Geschlechterverhältnisse im Berufsfeld Hochschule. Orientiert an Konzepten von Differenz und sozialer Ungleichheit wurde hier danach gefragt, welche Vergeschlechtlichungsdynamiken sich in Wissenschaftskulturen und wissenschaftlichen Laufbahnen ausmachen lassen und welche (erfolgreichen/ nicht erfolgreichen) Strategien und Effekte genderbezogene Interventionen im Hochschul- und Wissenschaftssystem aufweisen. Ein Fokus lag dabei auf den mathematisch/ naturwissenschaftlich/ technischen Wissenschaftsdisziplinen sowie weiteren ausgewählten Berufsfeldern im Bildungsbereich.

Die Beiträge dieser Sektion teilten sich in drei Bereiche: der theoretischen Reflexion von Genderingprozessen in Organisationen verbunden mit makrostrukturellen Fragen sozialer Ungleichheit (Joan Acker (Eugene, USA); Angelika Wetterer (Graz, A); Beate Krais (Darmstadt, D)) und weiteren professionssoziologischen Analysen am Beispiel von Reformprozessen im Gesundheitswesen (Ellen Kuhlmann (Bremen, D)); der Präsentation umfangreichen empirischen Materials aus dem internationalen Vergleich zum Thema Gender und Hochschule, das den hohen Grad der Geschlechterungleichheit auf nahezu allen Ebenen des deutschen Hochschul- und Wissenschaftssystems sichtbar machte (Liisa Husu (Helsinki, FIN)); und einer Expertinnenrunde zum Thema „Geschlechterordnungen und Karrierewege von Frauen an Hochschulen“. Ausgehend von der historischen Perspektive (mit einem Beitrag von Ilse Costas (Göttingen, D), die Beratungsprotokolle aus dem akademischen Bereich für Frauen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts analysierte) wurde in dem Round Table im Ergebnis sowohl auf der Ebene der weiblichen und männlichen Promotionsförderung (Almut Kirschbaum (Berlin, D)) und der Wissenschaftskarrieren von Frauen in der Mathematik (Irene Pieper-Seier (Oldenburg, D)) als auch in spezifischen Fachkulturen (Ulrike Vogel (Braunschweig, D)) und beim Hochschultyp: Fachhochschule (Monika Schlegel (Oldenburg, D)) eine signifikante Geschlechtersegregation konstatiert. Diese zeige sich sowohl auf qualitativer Ebene (eigene Identität, Habitus) als auch auf quantitativer Ebene (weibliche Unterrepräsentanz).

Cornelia Klinger (Wien, A) vom Institut für die Wissenschaften vom Menschen (IWM) hielt schließlich einen ebenso kritisch resümierenden wie auf die Zukunft gerichteten Abschlussvortrag „Erkenntnis und Veränderung in den Perspektiven der Geschlechterforschung“. In ihrer Reflexion der Auswirkungen der Beteiligung von Frauen am Wissensbetrieb und deren Rückwirkungen auf die Entwicklung des Wissens selbst hob sie zum einen ein „beharrliches Be-Schweigen“ feministischer Gender-Forschung vor allem durch die männlichen Kollegen und eine damit einhergehende institutionelle Abwehr als Kritikpunkt hervor. Zum anderen problematisierte sie aber auch die entstandenen (berechtigten) Zweifeln und Verunsicherungen des feministischen Diskurses selbst. Als Ausweg aus dieser Sackgasse helfe möglicherweise nur eine „Re-Politisierung“ der Geschlechterforschung, sowohl im Sinne eines wieder stärkeren Eingreifens in gesellschaftliche Diskurse als auch eines geschärften kritischen Verständnisses der Geschlechterordnungen im Wissenschaftsbetrieb.

Mit 240 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, 51 Referentinnen und Referenten (darunter 12 Expertinnen aus Europa und Übersee) sowie 40 Posterpräsentationen war der Kongress sehr gut besucht. Es wurden zahlreiche neue Forschungsergebnisse aus den Gender Studies präsentiert und interdisziplinär wie auch mit einem internationalen Fachpublikum reflektiert. Die Vielzahl an engagierten und lebhaften Diskussionen spiegelte zudem die große Resonanz von Seiten der TeilnehmerInnen auf die angebotenen Themen, und auch die organisatorische Durchführung erhielt viel Anklang. Die positiven Rückmeldungen, das hohe inhaltliche Niveau und die Internationalität der Beiträge sowie die gelungene Kooperation zahlreicher Einrichtungen der niedersächsischen Geschlechterforschung zeichnen somit ein ausgesprochen positives Bild vom gegenwärtigen Stand und vom Entwicklungspotenzial der interdisziplinär ausgerichteten Geschlechterforschung. Die Vorträge des Kongresses werden der größeren Fachöffentlichkeit in Form von einer oder mehreren Publikationen zugänglich gemacht.

Kontakt

Prof. Dr. Bettina Wahrig
TU Braunschweig
Abt. Geschichte der Naturwissenschaften
mit Schwerpunkt Pharmaziegeschichte
Pockelsstr. 14
38023 Braunschweig
Tel. 0531/391-5990
E-Mail: b.wahrig@tu-bs.de


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