König Rudolf I. und der Aufstieg des Hauses Habsburg im Mittelalter

König Rudolf I. und der Aufstieg des Hauses Habsburg im Mittelalter

Organisatoren
Bernd Schneidemüller / Stefan Weinfurter, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Ort
Speyer
Land
Deutschland
Vom - Bis
11.04.2018 - 13.04.2018
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Von
Matthias Kuhn / Laura Potzuweit, Historisches Seminar, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Am 1. Mai 1218 wurde Rudolf von Habsburg geboren. Auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin wurde er nach seinem Tod am 15. Juli 1291 in der Herrschergrablege des Doms zu Speyer bestattet. Damit begann im Speyerer Mariendom eine letzte Blütezeit herrscherlicher Sepulturen. Die „Europäische Stiftung Kaiserdom zu Speyer“ nahm daher die diesjährige Wiederkehr des 800. Geburtstags König Rudolfs zum Anlass für eine internationale Tagung über die Herrschaft des ersten Habsburgers im römisch-deutschen Reich und über den Aufstieg des Hauses Habsburg im Mittelalter bis hin zu Weltgeltung.

Die historische Bedeutung Rudolfs resultierte aus seiner – überraschenden – Wahl zum römisch-deutschen König 1273 in Frankfurt am Main. Seinem Sohn bahnte er 1281/82 im Konsens mit den Wahlfürsten den Aufstieg zum Herzog von Österreich und der Steiermark. Seither gehörten die Habsburger zu den Reichsfürsten. Später stellten sie über mehrere Jahrhunderte die Könige und Kaiser im Heiligen Römischen Reich, regierten auf Grund kluger Heiratsverbindungen und Erbschaften in vielen Reichen Europas wie der ganzen Welt und prägten als Kaiser von Österreich-Ungarn (bis 1918) die Weltgeschichte bis an die Schwelle der Moderne entscheidend mit. Noch heute zählt das Haus Habsburg zur Elite des europäischen Hochadels.

Die Tagung betrachtete den habsburgischen Aufbruch im 13. Jahrhundert und seine anschließenden Verstetigungen im 14./15. Jahrhundert bis zum Kaisertum Karls V. (1500–1558). Zudem wurde auch die Bedeutung von Dom und Stadt Speyer für die spätmittelalterlichen Habsburger neu herausgearbeitet. Geleitet wurde das Symposium von den Heidelberger Historikern BERND SCHNEIDMÜLLER und STEFAN WEINFURTER. Für die Referate konnten namhafte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland, Österreich und der Schweiz gewonnen werden.

Den Beginn der Tagung leitete MARTIN KAUFHOLD (Augsburg) mit einem Referat zur Wiederherstellung des zusammengebrochenen Reiches durch den Königsantritt Rudolfs I. ein. Dieser hatte das ‚Interregnum‘ für den Aufstieg seines Hauses genutzt und nach seiner Krönung die Macht des Königtums wiederhergestellt. Durch sein Organisationstalent, sein diplomatisches und kommunikatives Geschick, seine Integrationskraft und eine gewisse Portion Glück gelang Rudolf der „Neustart im traditionellen Gewand“.

In der anschließenden Diskussion wurden noch einmal die Gründe für Rudolfs Erfolge bei der Stabilisierung der Königsmacht debattiert. Wichtig waren das politische Geschick des Habsburgers und der Einfluss der Fürsten und Grafen. Ihre Position im Ranggefüge des Reiches darf nicht unterschätzt werden, da sie immensen Einfluss auf die Königserhebung Rudolfs ausübten.

MARTINA STERCKEN (Zürich) widmete ihren Vortrag den Anfängen der habsburgischen Herrschaft. Der Aufstieg der Habsburger war eine Erfolgsgeschichte, die maßgeblich auf der Herrschaftsbasis der Familie im Südwesten des Reiches und deren Erweiterung nach Osten durch Rudolf I. fußte. Neben der Memorialkultur, dem Totengedenken und dem Burgenausbau bescherte vor allem die Förderung der Städte den Habsburgern große Erfolge. Die geschickte Nutzung vorhandener Herrschaftsinstrumente kann als Grundstein des habsburgischen Aufstiegs gelten.

Den kunsthistorischen Zugang eröffnete MATTHIAS MÜLLER (Mainz) anhand der ‚Grabplatte‘ Rudolfs I., welche sich heute in der Krypta des Speyerer Doms befindet. Aufgrund ihres schlechten Erhaltungszustands wurde die Platte im 19. Jahrhundert in großen Teilen restauriert und zeigt daher eine Darstellung, die sich stark an Bildnissen Maximilians I. orientierte. Damit wirkt Rudolf als „typischer“ Habsburger. Im Fokus der Betrachtung standen vor allem die erhaltenen Stirnrunzeln Rudolfs, die z. B. für Darstellungen des Heiligen Johannes nicht untypisch waren. Rudolf I. wurde auf der Grabplatte demnach nicht als Herrscher, sondern vielmehr im Stile des trauernden Apostels Johannes dargestellt. Das Referat führte zu einer lebhaften Diskussion, in der es unter anderem um den Zerstörungsgrad der Grabplatte bei ihrer Auffindung zu Beginn des 19. Jahrhunderts ging. Einzelne Voten unterstrichen, dass Rudolfs Gesicht weniger stark zerstört gewesen sei als bisher angenommen; daraus ließen sich andere Deutungsschemata für das Bild Rudolfs eröffnen.

GABRIELE KÖSTER (Magdeburg) erweiterte die Sektion mit einer neuen kunsthistorischen Einordnung eines Kaiserdenkmals Maximilians I., das für eine Aufstellung im Speyerer Dom bestimmt war. Ausstehende Zahlungen sowie der Tod Maximilians I. und des Bildhauers brachten das Projekt im 16. Jahrhundert zunächst zum Stocken und schließlich zum Erliegen. Die überlieferten Gestaltungsvorstellungen lassen einen ungewöhnlichen, komplexen Planungsentwurf erkennen. Die Authentizität der vorhandenen Rekonstruktion aus Salzburg (2010), stark von einer Rekonstruktion von 1910 und neuzeitlicher Architektur beeinflusst, hätte aus statischen Gründen kaum umgesetzt werden können und muss daher mit Skepsis betrachtet werden.

Dass die Tagungsergebnisse in ein größeres Ausstellungsprojekt münden könnten, kündigten SIMONE HEIMANN und SABINE KAUFMANN (Speyer) an. Demnach plant das Historische Museum der Pfalz in Speyer für 2021 eine kunst- und kulturgeschichtliche Ausstellung zu den Habsburgern von Rudolf I. bis Maximilian I. Der besondere Bezug ergibt sich durch den Wunsch Rudolfs, in Speyer begraben zu werden. Die kuriose Wiederentdeckung seiner Gebeine soll ebenso Teil der musealen Präsentation sein wie noch unveröffentlichte Grabungsdokumente zur Bestattung Rudolfs.

Mit dem Vorsatz „Geschichte aus Geschichten“ zeichnete BERND SCHNEIDMÜLLER (Heidelberg) beim öffentlichen Abendvortrag im Speyerer Dom das Image Rudolfs I. nach. In seinem Blick auf mittelalterliche „Anekdoten, Scheltworte und Lobpreisungen“ betonte Schneidmüller, dass man keine Heldenverehrung betreiben möchte. Vielmehr sollte mit Hilfe mittelalterlicher ‚Facetien‘ Bilder Rudolfs für die Öffentlichkeit erfahrbar gemacht werden.

Den zweiten Tagungstag begann CHRISTINA LUTTER (Wien) mit einer Darstellung der habsburgischen Herrschaftsdurchsetzung in Österreich. Für den Aufstieg der Familie wurde die Etablierung der habsburgischen Erbländer im 14. Jahrhundert maßgeblich. Lutter betonte insbesondere den Faktor des Zufalls, stellte aber auch permanente und erfolgreiche Verhandlungsprozesse der „fremden habsburgischen Fürsten“ mit regionalen Eliten als Faktor für Durchsetzung und Etablierung herrschaftlicher Autorität vor.

Der Vortrag von DIETER SPECK (Freiburg im Breisgau) fokussierte die dynamische Herrschaftsentwicklung der Habsburger im Südwesten des Reiches (‚Vorderösterreich‘). Diese Expansion war für die Habsburger eine besondere Herausforderung, da sie gleichzeitig ihre angestammten Herrschaftsräume im Aargau an die Eidgenossen verloren. Von dort aus verschob sich seit den 1330er-Jahren das habsburgische Interesse in Richtung des südwestdeutschen Raums.

Der habsburgische Aufstieg gelang vor allem durch eine geschickte Heiratspolitik. Die „geglückten“ Eheschließungen mit den Großen Europas bildeten den Mittelpunkt des Vortrags von JULIA HÖRMANN-THURN UND TAXIS (Innsbruck). Die Motivkonstellationen im Hause Habsburg reichten von Ehen zum Zweck von Bündnissen über die damit verbundenen finanziellen Vorteile bis hin zu friedlicher Expansion oder Zukunftssicherung der Dynastie. Bei den habsburgischen Eheschließungen trat zudem der Zufall als Faktor von Erfolg oder Misserfolg hervor. Zahlreiche Heiratspläne erledigten sich nämlich durch geänderte politische Bedingungen oder durch Todesfälle.

Am Beispiel der habsburgischen Universitätsgründungen in Wien (1365) und Freiburg im Breisgau (1455–1458) behandelte CHRISTIAN LACKNER (Wien) die Frage, ob die Habsburger als alleinige Stifter gelten können. Während die Wiener Universität als ein prestigeträchtiges habsburgisches Gesamtprojekt angesehen werden kann, agierte in Freiburg die Stadtgemeinde als Mitbegründer der Universität und übernahm wesentliche finanzielle Lasten. Der Vortrag warf neues Licht auf das ‚Filiationsverhältnis‘ von Wien und Freiburg.

Anhand Friedrichs von Bolanden und seiner Wahl zum Bischof von Speyer 1272 demonstrierte GERHARD FOUQUET (Kiel) die engen Verflechtungen regionaler Eliten mit Königtum und Reich. Nach Rudolf Königswahl suchten Friedrich und seine Familie bewusst dessen Nähe. Das Beispiel Bolanden steht exemplarisch für die hohen Erwartungen, die regionale Stauferanhänger um Speyer mit dem neuen König verknüpften.

Rudolfs Verhältnis zur Stadt Speyer kann anhand von insgesamt 14 Besuchen oder 59 Aufenthaltstagen erhellt werden. KURT ANDERMANN (Freiburg im Breisgau) leitete daraus eine Präferenz des Habsburgers für die Stadt Speyer ab, die sich in einem guten Verhältnis zu den Bürgern, aber einem belasteten Verhältnis zu den Speyerer Bischöfen äußerte. Der Konflikt der Stadt mit ihren Bischöfen steigerte sich über die Jahrzehnte und kulminierte unter Rudolf I.

Der habsburgische Griff nach der Kaiserkrone gelang erst im zweiten Versuch. MARTIN KINTZINGER (Münster) demonstrierte am Kaisertum Friedrichs III. und Maximilians I. die Etablierung der Habsburger als dominierendes Herrschaftsgeschlecht und die sukzessive Weiterentwicklung älterer mittelalterlicher Traditionen. Der Bedeutungsvergleich von Vater und Sohn zeigt, dass Maximilian die domus Austriae zwar vom Mittelalter in eine neue Zeit führte. Allerdings wurden durch die Dynastie- und Reichspolitik Friedrichs III. wesentliche Grundlagen für die Dominanz der Habsburger in der Neuzeit geschaffen.

„Der Aufstieg der Habsburger – von Rudolf I. bis Maximilian I.“ lautet der Arbeitstitel der für 2021 geplanten kulturhistorischen Ausstellung des Historischen Museums der Pfalz in Speyer. ALEXANDER SCHUBERT (Speyer) zeigte auf, dass die museale Präsentation von mittelalterlichen Herrschergeschlechtern immer noch eine „ungebrochene Faszination“ auf das Publikum ausübe. Ein Überblick über vergangene Ausstellungen zu den Habsburgern machte deutlich, dass diese bisher einen Schwerpunkt auf Maximilian I. legten und vor allem in Österreich präsentiert wurden.

Am letzten Tagungstag stellte JULIA BURKHARDT (Heidelberg) die komplexen politischen Entwicklungen im spätmittelalterlichen Ostmitteleuropa dar und diskutierte die Tauglichkeit der Vorstellungen von der ‚politischen Region‘. Durch biologische Zufälle, politisches Geschick und Ausdauer setzten sich die Habsburger sowohl in Böhmen als auch in Ungarn durch und leiteten eine Phase des Friedens für Ostmitteleuropa ein.

KLAUS OSCHEMA (Bochum) referierte über das Ausgreifen der Habsburger nach Westeuropa. Die Kinder Maximilians I., Philipp der Schöne und Margarethe, prägten die Gemengelage des Bündnisses Burgund-Habsburg und ebneten schließlich den keinesfalls zwangsläufigen Erfolg der Habsburger in Spanien. Oschema widersprach in der anschließenden Diskussion dem Vorwurf, wonach Maximilians Griff nach Westen eine reine Geschichte des Scheiterns sei.

Das Verhältnis zwischen den Habsburgern und den Osmanen (1452/53–1519) stand im Zentrum des Vortrags von CLAUDIA MÄRTL (München). Dabei erschienen die Beziehungen zwischen Habsburgern und Osmanen nicht durchweg antagonistisch. Gerade im gewählten Untersuchungszeitraum ließen sich intensive und vielfältige Kontakte und Austauschprozesse feststellen. Diese genauere Betrachtung der Jahrzehnte vor den direkten Konfrontationen des 16./17. Jahrhunderts führte zu wichtigen neuen Einsichten.

HEINZ-DIETER HEILMANN (Paderborn) beschrieb die Weltherrschaftskonzeption „Plus ultra“ Karls V. Sie präsentierte einen vollkommen neuen Herrschaftsgedanken und löste sich deutlich von den Traditionen des mittelalterlichen Kaisertums. Besonderen Wert legte Heimann auf symbolische Kommunikationsformen und mediale Kompetenzen, welche Karls Herrschaft prägten. An seiner Hauptaufgabe – die Bewahrung christlicher Einheit – scheiterte der Kaiser schließlich.

Das Symposium schloss mit einer Zusammenführung durch STEFAN WEINFURTER (Heidelberg), in der er die Ergebnisse unter der mehrfach angesprochenen Beurteilung „Glück“/„glücklicher Zufall“ reflektierte. Bei der zusammenfassenden Abschlussdiskussion blieb jedoch die Frage offen, wie das Verhältnis von Zufall und planvollem Handeln beim habsburgischen Aufstieg zu bewerten ist. Das Symposium profitierte besonders von der regen Diskussionsbereitschaft der etwa 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Als Moderatorin oder Moderatoren fungierten ANNETTE KEHNEL (Mannheim), KLAUS NIEHR (Osnabrück), KARL-HEINZ SPIESS (Greifswald), JÜRGEN DENDORFER (Freiburg im Breisgau) und THOMAS ZOTZ (Freiburg im Breisgau). Eine Publikation der Ergebnisse ist für 2019 im Verlagsprogramm der WBG Darmstadt geplant.

Konferenzübersicht:

Sektion 1: Die Erneuerung der Königsgewalt im Reich

Martin Kaufhold (Augsburg): Ehre und Wiederherstellung des Reiches: Neue Instrumente der Königspolitik unter Rudolf von Habsburg

Martina Stercken (Zürich): Herrschaft gestalten. Die Anfänge der Habsburger

Sektion 2: Skulptur und Grablege im Dom zu Speyer

Matthias Müller (Mainz): Das Stirnrunzeln des Königs Rudolfs von Habsburg vermeintliches Grabbildnis im Speyerer Dom als interpretatorische Herausforderung

Gabriele Köster (Magdeburg): Der Dom zu Speyer als Memorialort des Reichs um 1500

Simone Heimann / Sabine Kaufmann (Speyer): Rudolf von Habsburg – Traditionen in Herrschaft und Grablege

Öffentlicher Abendvortrag im Dom zu Speyer

Bernd Schneidmüller (Heidelberg): Rudolf von Habsburg. Geschichten vom Regieren im Reich und vom Sterben in Speyer

Sektion 3: Herrschaftsräume und Aufstieg der Habsburger zur europäischen Dynastie

Christina Lutter (Wien): Die Habsburger und Österreich (13. bis 15. Jahrhundert)

Dieter Speck (Freiburg im Breisgau): Der habsburgische Herrschaftsraum ,Vorderösterreich‘ und die Eidgenossenschaft

Julia Hörmann-Thurn und Taxis (Innsbruck): Heirat als politisches Instrument – die habsburgischen Ehen im 13. und 14. Jahrhundert

Christian Lackner (Wien): Die habsburgischen Universitätsgründungen im Spätmittelalter

Sektion 4: Speyer, das Reich und die Habsburger

Gerhard Fouquet (Kiel): Der Speyerer Domklerus und das Reich im Spätmittelalter oder die Speyerer Bischofswahl von 1272

Kurt Andermann (Freiburg im Breisgau): König Rudolf von Habsburg und die Stadt Speyer

Martin Kintzinger (Münster): Das Habsburgische Kaisertum im Spätmittelalter. Erfolg im zweiten Versuch

Alexander Schubert (Speyer): Die Habsburger im Museum. Von König Rudolf I. bis Kaiser Maximilian I.

Sektion 5: Habsburg auf dem Weg zur Weltmacht

Julia Burkhardt (Heidelberg): Ostmitteleuropa als politische Region: Österreich – Ungarn – Böhmen im 15. Jahrhundert

Klaus Oschema (Bochum): Wege des Hauses Habsburg in den Westen Europas 1477 bis 1519

Claudia Märtl (München): Habsburger und Osmanen (1452/53–1519)

Heinz-Dieter Heimann (Paderborn): „Plus ultra?“ Habsburgs Aufbrüche in die Welt und das Scheitern imperialer Weltherrschaft Kaiser Karls V.


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