Historisches Erzählen – konkret?!

Historisches Erzählen – konkret?! Workshop des AK Sprache und Geschichte

Organisatoren
Viola Schrader, Universität Münster; Max-Simon Gündert, Universität Oldenburg; Georg Marschnig, Universität Wien
PLZ
48149
Ort
Münster
Land
Deutschland
Fand statt
In Präsenz
Vom - Bis
23.06.2023 -
Von
Charlotte Husemann, Universität Potsdam

Das historische Erzählen wird, da Geschichte artikuliert und Sinnbildungsleistungen sprachlich manifestiert werden, als zentrales Element historischen Lernens begriffen. Lernende sollen im Geschichtsunterricht deshalb angeleitet werden, Geschichte herzustellen und mit erzählter Geschichte umzugehen. Was bedeutet historisches Erzählen aber in der konkreten praktischen Umsetzung im Geschichtsunterricht? Wie kann das historische Erzählen mit Blick auf geschichtsunterrichtliche Zusammenhänge beschrieben werden und welche sprachlichen Operationen können konkret daran geknüpft werden? Diesen Fragen ging der Arbeitskreis Sprache und Geschichte in einem Workshop an der Universität Münster nach. Die Organisator:innen konzipierten zur Umsetzung dieses Vorhabens ein Workshopformat, indem (anlehnend an Prinzipien des design based research) Expert:innen aus Theorie, Empirie und Pragmatik zur übergeordneten Frage diskutierten und gemeinsam an der konkreten Umsetzung historischer Erzählanlässe arbeiteten.

Nach der Begrüßung der Teilnehmer:innen aus Wissenschaft und Praxis führten VIOLA SCHRADER (Münster) und MAX-SIMON GÜNDERT (Oldenburg) in die Thematik des Workshops ein. Dabei gingen sie von folgender Beobachtung aus: Das historische Erzählen werde in der geschichtsdidaktischen Theoriebildung als zentrale Handlung des Fachs und die Ausbildung narrativer Kompetenz als oberste Fähigkeit historischen Denkens verstanden. Trotz der immensen Bedeutung des historischen Erzählens bliebe jedoch im Dunkeln, wie historisches Lernen konkret gestaltet werden könne, um narrative Kompetenz zu entwickeln. Sowohl aus theoretischer, als auch aus empirischer und pragmatischer Perspektive wurden in den vergangenen Jahren Ansätze der Operationalisierung vorgelegt. Eine theoretische Zusammenführung sprachlicher Handlungen mit den epistemischen Schritten der historischen Methode hat Saskia Handro mit dem „Prozessmodell historischen Erzählens im Geschichtsunterricht“ eingebracht. Auf Basis der mittleren Abstraktionsebene des Modells wurden zuletzt zahlreiche empirische Untersuchungen von Teiloperationen sprachlichen Handelns im Geschichtsunterricht durchgeführt. Hier kann verwiesen werden auf die Arbeiten von Viola Schrader, Mareike-Cathrine Wickner, Charlotte Husemann und Marcel Mierwald. Zwar wurden einige dieser Überlegungen in die praktische Gestaltung von historischen Lehr-Lernmaterialien überführt, doch fehle weiterhin die Vernetzung von Akteur:innen der drei Handlungsfelder Theorie, Empirie und Pragmatik und ein „Trialog auf Augenhöhe“, so die Referent:innen.

Der Workshop folgte dementsprechend dem Ziel, historisches Erzählen im diskursiven Austausch von Vertreter:innen der Theorie, Empirie, Pragmatik zu konkretisieren und zu operationalisieren. Dazu arbeiteten in einer ersten Phase Teilnehmer:innen in Expert:innengruppen entsprechend ihrer Handlungsfelder (Theorie, Empirie, Pragmatik) zusammen und diskutierten Chancen und Grenzen eines Fallbeispiels. Das bereits im Vorfeld des Workshops bereitgestellte Material umfasste eine Schulbuchseite und drei exemplarische Schüler:innentexte, die von Lernenden eines österreichischen Gymnasiums verfasst wurden. Die Vertreter:innen des Handlungsfelds Theorie prüften, inwiefern sich historisches Erzählen in den Aufgabensettings widerspiegelt, und zeigten Potenziale auf, unter denen Materialien und Aufgaben historisches Erzählen operationalisieren können. Die Arbeitsgruppe Empirie stellte heraus, welche Erzählleistungen die Schüler:innen in ihren Textprodukten leisten und inwiefern diese mit dem Aufgabensetting in Verbindung stehen. Die Pragmatiker:innen reflektierten die Nutzbarkeit der Aufgaben für den Geschichtsunterrichts und skizzierten Chancen und Grenzen der Materialien.

In großer Runde wurden die theoretischen, empirischen und pragmatischen Perspektiven auf die Schulbuchaufgaben zusammengeführt. Die Teilnehmer:innen diskutierten, inwiefern der innere Kern der Sinnbildung durch die Aufgaben deutlich würde. Dabei herrschte zwischen den drei Gruppen Konsens bezüglich der Bedeutung problemorientierter, zum Erzählen anregender Leitfragen. Auch die Forderung, mehr Hinweise zum Schreibprodukt in Aufgabenstellungen zu implementieren, wurde von den Teilnehmer:innen geteilt. Neben der Kritik an der fehlenden Umsetzung epistemischer Prinzipien des Fachs kritisierten die Teilnehmer:innen, dass auch sprachbildende Unterstützungsangebote, z.B. Scaffolds, im Material fehlen.

In einer zweiten Phase des Workshops arbeiteten Vertreter:innen aus Theorie, Empirie und Pragmatik in „gemischten“ Gruppen und stellten sich gemeinsam der Aufgabe, die Aufgabensettings der Schulbuchseite so zu überarbeiten, dass historisches Erzählen bestmöglich initiiert und gefördert werden kann. Dabei führte die konkrete Gestaltung von Aufgabensettings zur Operationalisierung historischen Erzählens zu Kontroversen. Darin wurden wiederkehrendende Herausforderungen der Konkretisierung historischen Erzählens deutlich.

In der Abschlussdiskussion wurden dann Möglichkeiten erörtert, wie man diese Herausforderungen angehen könne, um historisches Erzählen konkreter zu machen: Hier wurde festgehalten, dass Erzählen durch klare Zieldefinitionen transparent gemacht werden muss, um zu gelingen. Dazu zählt das Herausarbeiten einzelner Sprach- und Denkhandlungen, wie zum Beispiel Beschreiben, Deuten und Bewerten und die Definition von Qualitätskriterien historischen Erzählens. Insbesondere die Sprachhandlungen müssten jedoch in das Erzählen eingebettet werden, damit die Bearbeitung entsprechender operatorengestützter Aufgaben nicht zur Reproduktion eingeübter Schemata verkomme. Zudem sollen sinnhafte, produktive Erzählaufträge dazu beitragen, narrative Kompetenz auszubilden. Als Möglichkeit, fachsprachliche Fähigkeiten zu entwickeln, wurde außerdem auf die Rolle von Schulbuch- oder Lehrer:innentexte als Modell, anhand derer sprachliche Spezifika von Erzähltexten identifiziert werden können, verwiesen.

Ertrag des intensiven inhaltlichen Austauschs lag nicht nur in der Erkenntnis, dass das Kernkonzept des historischen Erzählbegriffs durchaus weiterer Schärfung verlangt, sondern auch darin, dass dieses Vorhaben eine phasenübergreifende Zusammenarbeit erforderlich macht. Daneben wurde auch das Format – zum einen die Form des Workshops, zum anderen der Austausch der Expert:innen aus Theorie, Empirie und Pragmatik – der Veranstaltung diskutiert. Hervorgehoben wurde hier der gewinnbringende Austausch, vor allem in den Gruppenphasen, der Akteur:innen verschiedener Handlungsfelder zusammengeführt und den angestrebten Trialog eröffnet hat. Wiederholt betont wurde zudem, dass eine Klärung von Begriffen wie beispielsweise dem Textsorten- bzw. Genrebegriff, ein zentrales Fundament für die Fortführung des Trialogs sein muss. Die fruchtbare Auseinandersetzung mit dem historischen Erzählen wurde von den Ausrichter:innen somit hervorragend initiiert und wird in weiteren Veranstaltungen des AK Sprache und Geschichte ihre Fortsetzung finden.

Konferenzübersicht:

Ankommen

Viola Schrader (Münster) / Max-Simon Gündert (Oldenburg): Begrüßung und inhaltliche Einführung

Historisches Erzählen konkret? Leitfragengestützte Analyse und Diskussion der exemplarischen Aufgabensettings in Expert:innengruppen (Theorie/Empirie/Pragmatik)

Vorstellung der Ergebnisse aus den Expert:innengruppen

Historisches Erzählen konkret! – Weiterentwicklung der exemplarischen Aufgabensettings in gemischten Gruppen (Theorie <-> Empirie <-> Pragmatik)

Georg Marschnig (Wien): Vorstellung der Ergebnisse und Diskussion

Ausblick

Redaktion
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Land Veranstaltung
Sprache(n) der Konferenz
Deutsch
Sprache des Berichts