(De-)Monumentalisation and Transformations in Etrusco-Italic Sanctuaries

(De-)Monumentalisation and Transformations in Etrusco-Italic Sanctuaries

Organisatoren
Martin Bentz / Dennis Mario Beck, Abteilung Klassische Archäologie, Institut für Archäologie und Kulturanthropologie, Universität Bonn
PLZ
53117
Ort
Bonn
Land
Deutschland
Fand statt
In Präsenz
Vom - Bis
23.05.2024 - 25.05.2024
Von
Dennis Mario Beck, Klassische Archäologie, Universität Bonn

Ausgangspunkt waren neue Forschungen, die Aspekte der (De-)Monumentalisierung und Transformation ins Zentrum stellen, um die Erscheinungsformen von Heiligtümern und Kulten im mittelitalischen Raum zu analysieren. Der Begriff Monumentalisierung bezeichnet in der Forschung zum einen eine gesteigerte Größe von Bauten, Räumen und Ausstattungen, zum anderen – unabhängig von Dimensionen – eine neue Qualität in Bezug auf Materialien, Technik, Baudekor und Ausstattung. (De-)Monumentalisierungsphänomene erlauben Rückschlüsse auf Transformationsprozesse, die auf Formen der Repräsentation, Akteure, historische und gesellschaftliche Veränderungen und soziale Strukturen zurückgehen.

MARTIN BENTZ (Bonn) legte zu Beginn die Ansätze der altertumswissenschaftlichen Forschung zum Thema „Monumentalisierung“ dar und verortete den Ansatz der Tagung innerhalb aktueller Forschungen und Publikationen zum Thema, schwerpunktmäßig zu den etruskischen, griechischen und italischen Heiligtümern in Italien. Das Problem der Definitionen von Monumentalität und (De-)Monumentalisierung sowie Transformationen wurde als Ausgangsfrage skizziert, für deren Analyse politische, soziale, kulturelle, bauliche und religiöse Aspekte in die Betrachtung einfließen.

P. GREGORY WARDEN (Dallas) zeigte im Heiligtum von Poggio Colla nahe Faesulae vier Haupt-Transformationsphasen vom 7.–2. Jahrhundert v. Chr. auf. Als Fixpunkt der ältesten Phase dient eine in den Fundamenten des 1. Tempels gefundene Stele „The Vicchio Stele“ aus der Phase 550–500 v. Chr., die den Übergang in einen ersten monumentalen tuskanischen Tempel markiert. Nachdem dieser Bau am Ende des 5. Jahrhunderts v. Chr. niedergelegt wurde, nahm man eine Vergrößerung und erneute Monumentalisierung des Areals vor und errichtete einen Doppeltempel, den man in hellenistischer Zeit zugunsten der Errichtung einer Verteidigungsanlage abtrug.

JON ALBERS (Bochum) fokussierte sich in seinem Beitrag auf eine bautypologische und chronologische Darstellung der etrusko-latialen Tempelbauten. Diese weisen ein breites Spektrum architektonischer Ausprägungen auf und reichen von Podiumstempeln, über Drei-Raum- Heiligtümer bis hin zu einräumigen Kultbauten. Ferner lenkte er den Blick auf die politische und soziale Funktion von Bauwerken und machte deutlich, dass sich das Konzept von Monumentalisierung im Laufe der Zeit veränderte und von den Betrachtenden abhing, die die Relationen stets neu verhandelten.

TIZIANA D’ANGELO (Paestum e Velia) stellte den Ausgrabungs- und Forschungsstand zu einem spätarchaischen dorischen Tempel im westlichen Stadtareal von Paestum vor. Der Tempel wurde über einem Vorgängerbau errichtet. Durch die spätere Errichtung der Stadtmauer unmittelbar westlich des Tempels wurde die Stadtgrenze neu definiert und der Tempel war von außen, vom Meer, nicht mehr sichtbar. Die Demonumentalisierung / Niederlegung des Heiligtums erfolgte in einem religiösen Akt, in dem Votive zwischen dem Tempel und dem Altar rituell beerdigt wurden.

FRANCESCO SCELZA (Paestum e Velia) stellte die Ergebnisse aktueller Ausgrabungen am Heiligtum auf der Akropolis von Velia vor. Die Anlage weist mehrere Bauphasen auf, jedoch konnte es aufgrund des nur geringen Platzes auf der Akropolis nie zu einem Monumentalbau kommen. Die Einordung der Dimensionen verbindet sich dabei jedoch gezielt mit der topographischen Situation, sodass die Lage zur Monumentalität des Gebäudes beiträgt, die gezielt auch auf Fernsicht ausgelegt war.

FAUSTO LONGO (Salerno) legte den Fokus auf das Nord-Heiligtum, das sogenannte Athena- Heiligtum, in Paestum und stellte das Fundmaterial und die um den Tempel liegenden Gebäude in den Vordergrund, die ins 6.–5. Jahrhundert v. Chr. datiert werden. Zu den Gebäuden im Nahbereich des Tempels gehört ein distyles Gebäude in antis (thesauros) mit Terrakottaverkleidung, deren Versatzmarken Aufschluss über den Bauvorgang und Aufbau des Gebäudes geben.

NATALIE WAGNER (Rom) referierte zu Votiv- und Architekturterrakotten aus Capua und stellte die Fundorte, Typologie und Chronologie des Materialspektrums vor. Anhand des extraurbanen Heiligtums vom Fondo Patturelli zeigte sie beispielhaft die Vielfalt an Einflüssen auf die Terrakotten aus umliegenden Gebieten auf und konnte damit enge Verbindungen innerhalb verschiedener kultureller Region darlegen.

SALVATORE DE VINCENZO (Viterbo) analysierte die städtischen und extraurbanen Heiligtümer im Süden Etruriens (Pyrgi, Veio, Tarquinia, Vulci) im Hinblick auf ihre Transformationsprozesse in römischer Zeit. Vielerorts zeigt sich eine Kontinuität bis in die frühe Kaiserzeit hinein, wohingegen in der Forschung meist auf Grundlage von Ausgrabungen der 1950er- bis 1960er-Jahre eine Demonumentalisierung der Kultbezirke vorgeschlagen wurde. Da kaum stratigraphische Daten für die Datierung herangezogen werden können, basiert die Analyse weitgehend auf motivischen und stilistischen Veränderungen im Votivspektrum, wobei anatomische Weihegaben für meist chtonische sowie agarische Kulte bis in die frühe Kaiserzeit verbreitet sind und Aufschluss über die Weihenden geben.

MARION BOLDER-BOOS (Bonn) legte in ihrem Beitrag die verschiedenen Handlungsmuster und Vorgehen bei der Errichtung von Heiligtümern in römischen Kolonien im etruskischen Bereich dar. Sie zeigte auf, dass eine oft postulierte „Religiöse Romanisierung Italiens“ als Modell nicht haltbar ist und es viel eher lokale Einzellösungen gab. Wenngleich das Vorgehen bei der Anlage von römischen Kolonien über die Quellen bekannt ist und eine Dreierkommission (tresviri) eingesetzt wurde, die auch für die Anlage öffentlicher Kultstätten zuständig war, ergibt sich daraus kein einheitliches Vorgehen.

ELISA LASCHI (Perugia) analysierte diachron verschiedene, meist auf Anhöhen liegende umbrische Sakralbezirke und ging der Frage nach, ob und inwiefern diese lokalen Kulte im Zuge der Romanisierung transformiert wurden. Die meisten von ihnen werden verlassen bzw. ohne einen nachweisbaren Akt aufgegeben. In einer Monumentalisierungsphase von der Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. bis ins späte 1. Jahrhundert v. Chr. werden vor allem die Heiligtümer in den Tälern entlang der neuen Straßen aus- oder neu gebaut.

CLAUDIA WIDOW (Bonn) stellte die Heiligtümer und Höhenbefestigungen als wichtigste archäologische Hinterlassenschaften der Samniten vor. Sie befasste sie sich mit den Heiligtümern Schiavi d’Abruzzo, San Giovanni in Galdo, Pietrabbondante, Casalbore und Campochiaro, wobei in den meisten drei Monumentalisierungsphasen von 300– 80 v. Chr. zu unterscheiden sind. In Phase 1 sind unterschiedliche Bautypen und Ausrichtungen der Tempel vorhanden, während Phase 2 die Hauptphase der Monumentalisierung ist, in der es zu einer Standardisierung durch eine Vielzahl von tetrastylen Podiumstempeln mit Orientierung nach SO kommt. Grundsätzlich ist die Monumentalisierung in den Heiligtümern mit der Repräsentation der lokalen Eliten zu erklären.

CHRISTOPH LEHNERT (Marburg) diskutierte die Entwicklungen in extraurbanen Heiligtümern in Relation zu den römischen Kolonien in Zentralitalien. Anhand einiger Beispiele (Terracina, Castrum Novum, Minturnae, Kroton, Paestum) zeigte er, dass vielerorts eine Verehrung in extraurbanen Heiligtümern bis in die Kaiserzeit andauert, obgleich sich Votivspektra verändern und kaum neue Gebäude in den Heiligtümern errichtet wurden. Aufgrund einiger Beispiele von Aufgaben der Heiligtümer und der Weiternutzung zu profanen Zwecken, zum Beispiel als Werkstattquartiere, wirft er die Frage auf, ob eine Profanisierung gleichzeitig eine Demonumentalisierung darstellt. Ebenso ist der Wegzug von Siedlern und die Entvölkerung ein Faktor für eine Demonumentalisierung und evtl. damit verbundener Umnutzung.

BIANCA FERRARA (Neapel) ging auf die baulichen und rituellen Transformationen des Hera- Heiligtums am Foce del Sele in Paestum ein. In römischer Zeit wird im Heiligtum ein tetrastyler Antenbau errichtet, der wohl als thesauros gedeutet werden kann. Das Gebiet des Heiligtums war durch eine Straße in der Kaiserzeit mit dem Stadtareal verbunden. Münzfunde sind vom mittleren 3. Jahrhunderts v. Chr. bis in die mittlere Kaiserzeit vorhanden und belegen die Aktivitäten im Areal. In der Spätantike wurde das Areal als Steinbruch genutzt und es wurden Kalköfen eingerichtet.

EMANUELE MARIOTTI (San Casciano dei Bagni) präsentierte Ergebnisse aus den aktuellen Ausgrabungen im Heiligtum von San Casciano dei Bagni, das eine kontinuierliche Nutzung mit etruskischen, römischen und spätrömischen Phasen mit jeweiligen baulichen Transformationen aufweist und partiell bis heute als Thermalbad genutzt wird. Eine Serie exzellent erhaltener Bronzestatuen, aber auch anatomischer Votive, belegen den Kult der Fortuna Primigenia. Mehrere Weihungen wurden mit Inschriften in etruskischer oder lateinischer Sprache versehen und an die „heißen Quellen“ dediziert. Zu allen Zeiten war das zentrale Bad mit Altären und Statuen ausgestattet, die als Votive Rückschlüsse auf die Kulte und Stiftenden erlauben.

MARIA ROMANA PICUTI (Foligno) nahm das Heiligtum von Aisilio in der Nähe von Bevagna (Perugia) in seiner baulichen Entwicklung in den Blick. Aufgrund der Nähe zum Aiso-See, in dem Bronzevotive des 6.–5. Jahrhunderts v. Chr. gefunden wurden, ist die Kultaktivität am Ort spätestens zu dieser Zeit bezeugt. Das Heiligtum wurde in spätrepublikanischer Zeit durch neue Fußböden und ein Becken aus opus caementicium monumentalisiert. Zudem wurden mehrere Serien architektonischer Terrakotten als Dekor innerhalb des Heiligtums verwendet. Nach dieser Phase der Monumentalisierung und Neuausstattung kamen keine Neubauten mehr in der Nutzungsdauer bis in die Spätantike hinzu.

FRANCESCA DIOSONO (München) und MIRIAM KNECHTEL (München) berichteten über Ergebnisse aus ihrem Forschungsprojekt sowie Transformationsphasen der einzelnen Bauwerke auf dem Monte Sant’Angelo in Terracina. Sie zeigten, dass die jeweiligen baulichen Veränderungen im Areal mit rituellen Aspekten und der Wegeführung im Komplex zusammenhängen. Die Möglichkeit eines Orakelkultes sowie die Verehrung von Jupiter und Feronia als ältere am Ort bezeugte Gottheiten sind wahrscheinlich in das Konzept des neu errichteten Sakralbereichs eingebunden worden. Zudem ist die Topographie des Berges und des Heiligtums als Teil der Monumentalität in der Nah- und Fernsicht zu verstehen.

DENNIS BECK (Bonn) unternahm eine Diskussion der in der Forschung verbreiteten Modelle der „Hellenisierung“, „Romanisierung“ und „Marmorisierung“ und zeigte anhand einiger spätrepublikanischer und frühkaiserzeitlicher Tempel in Mittelitalien auf, dass eher lokale Umsetzungen als schematische Paradigmata vorzufinden sind. Im Hinblick auf die Gleichsetzung von Marmorisierung und Monumentalsierung in der Tempelarchitektur hielt er fest, dass Marmor als Baumaterial in diesem Zeithorizont nur in Rom vorkommt, wo sich die Tempel an Größenspektren in ihrem Nahbereich orientieren. Einige Tempel integrieren marmorne Architekturglieder, die zwar nicht ihren Aufbau, aber ihr Aussehen und die Wahrnehmung veränderten. Das Nebeneinander von marmornen und aus Tuff und Travertin bestehenden Tempeln war in den Stadtbildern der Untersuchungsregion die Regel.

ROMAN ROTH (Kapstadt) fokussierte sich in seinem Beitrag auf die Entwicklung und Einführung von römischem opus caementicium in die Architektur im Laufe des 3. und 2. Jahrhunderts v. Chr., die es ermöglichte, neue Maßstäbe hinsichtlich der Größe von profanen und sakralen Gebäuden zu erreichen. Der Einsatz von opus caementicium brachte eine Monumentalisierung der Heiligtümer sowie eine günstigere und schnellere Alternative zum kompletten Steinbau hervor, wie beispielsweise an den Heiligtümern der Fortuna Primigenia in Praeneste und des Hercules Victor in Tivoli zu sehen ist. Dabei wurden stets lokale Lösungen den verschiedenen topographischen oder städtebaulichen Notwendigkeiten angepasst.

In der Abschlussdiskussion wurden Kriterien aufgelistet, die Monumentalisierungsphänomene in Heiligtümern der Untersuchungsregion kennzeichnen. Das sind: Größe, Quantität, Lage, Dekoration, Material, Haltbarkeit, Komplexität und sozialer und/oder ökonomischer Wert. Transformationsprozesse lassen sich einerseits durch verschiedene Formen der Demonumentalisierung definieren: Aufgabe, rituelle Deponierung/Bestattung, Ersetzen durch etwas Neues. Andererseits durch Monumentalisierung, die sich anhand von Kontinuität, Erweiterung, Kultwandel oder komplette Neugründungen zu erkennen geben. Beachtet werden müssen die starken regionalen Unterschiede, die verschiedenen chronologischen Phasen sowie die Akteure (individuelle, politische, kulturelle/ethnische).

Konferenzübersicht:

Martin Bentz (Bonn): Einführung

P. Gregory Warden (Dallas): Transformation and Ritual at the Etruscan Sanctuary of Poggio Colla (7th – 2nd c. BC)

Jon Albers (Bochum): Monumental Times: Materiality and Complexity in Archaic Cult Buildings in Northern Central Italy

Tiziana D’Angelo (Paestum e Velia): A new Doric temple in Paestum: architectural and cult transformations

Francesco Scelza (Paestum e Velia): Recenti scavi a Paestum e a Velia. Il sacrario dell’Acropoli di Elea

Fausto Longo (Salerno): Costruzione, distruzione e ricostruzione del santuario urbano di Athena a Poseidonia tra VI e V sec. A. C

Natalie Wagner (Rom): Votiv- und Architekturterrakotten aus Capua zwischen dem 4. und 1. Jh. v. Chr.: Das komplexe Geflecht von kultureller Konnektivität

Salvatore de Vincenzo (Viterbo): Einige Überlegungen zu den Heiligtümern Südetruriens in der Römerzeit

Marion Bolder-Boos (Bonn): Heiligtümer in Etrurien. Zwischen einheimischer Tradition und römischer Kolonisation

Elisa Laschi (Perugia): Forme della monumentalizzazione e trasformazioni in Umbria antica tra processi identitari e memoria religiosa

Claudia Widow (Bonn): What is monumental in Samnium? A diachronic discussion about Samnite sanctuaries

Christoph Lehnert (Marburg): Transformationsprozesse extraurbaner Heiligtümer während der römischen Kolonisation Italiens

Bianca Ferrara (Neapel): Un santuario alla periferia di Paestum. Aspetti della romanizzazione

Emanuele Mariotti: Building and Dismantling on top of a sacred hot spring: new data from the excavation at Bagni Grande of San Casciano dei Bagni

Maria Romana Picuti (Foligno): La fase tardo republicana del Santuario dell’Aisilio a Bevagna (PG)

Francesca Diosono (München) & Miriam Knechtel (München): Through the ages – The sanctuary on Monte Sant’Angelo in Terracina

Dennis Mario Beck (Bonn): Monumentalization = Marmorization? On interactions of late republican marble import on architecture and its perception using the example of selected Etrusco-Italic sanctuaries

Roman Roth (Kapstadt): Concretisation: The Size and Status of Latial Sanctuaries (II.-I. BCE)

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Englisch, Deutsch, Italienisch
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