H. Jedin (Hg.): Hdb. Kirchengeschichte CD-ROM

Cover
Titel
Handbuch der Kirchengeschichte.


Herausgeber
Jedin, Hubert
Reihe
Digitale Bibliothek 52
Erschienen
Anzahl Seiten
1 CD-ROM
Preis
€ 49,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Prof. Dr. Christoph Markschies, Historische Theologie, Wissenschaftlich-Theologisches Seminar der Universität Heidelberg

Bei dem "Handbuch der Kirchengeschichte", das nun nicht nur in zwei Paperback-Ausgaben des Verlages (1985 bzw. 1999), sondern auch in der hier anzuzeigenden digitalisierten Form vorliegt, handelt es sich um einen der Klassiker der Disziplin. Mindestens im katholischen Bereich ist seither kein vergleichbares Werk erschienen - die auf vierzehn Bände geplante "Geschichte des Christentums", die seit 1991 im Verlag Herder erscheint und nahezu abgeschlossen ist, stellt eine je nach Band mehr oder weniger bearbeitete Übersetzung eines französischen Werkes dar, das mit dem alten deutschen Opus schon aufgrund eines durchgängigen Interesses an sozial- und mentalitätsgeschichtlichen Fragestellungen kaum mehr etwas gemeinsam hat.

Die Charakterisierung des Handbuchs der Kirchengeschichte als "Klassiker" impliziert zunächst ein gewisses Alter: 1962 begann das Werk zu erscheinen, das vor allem die damaligen Bonner katholischen Kirchenhistoriker Theodor Klauser (1894-1984) und Hubert Jedin (1900-1980) konzipiert hatten, und wurde 1979 mit siebenten Band abgeschlossen. Mit dem Stichwort "Klassiker" ist allerdings auch impliziert, daß Methode und Ergebnisse einen veralteten Stand widerspiegeln. Den methodologischen Standort des ganzen Werkes ebenso wie der meisten seiner Autoren beschreibt ausführlicher Hubert Jedins Einleitung im ersten Band (Bd. I, S. 17-55) und knapper die Formulierung im letzten Band: "Alle Mitarbeiter jedoch waren sich einig im Glauben an die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche, einig auch in der Überzeugung, daß Kirchengeschichte, auch kirchliche Zeitgeschichte, der historischen Methode zu folgen hat" (Bd. VII, S. VIf.). In einer knappen Vorbemerkung zum vierten Band beschreibt der Bandherausgeber Erwin Iserloh (1915-1996) nochmals ausdrücklich, daß "hier doch keine ökumenische Kirchengeschichte geboten werden" sollte, "sondern eine Geschichte der Kirche in katholischer Sicht" (Bd. IV, S. XI). Entsprechend wird, obwohl Iserloh aus souveräner Quellenkenntnis schreibt und sich bemüht, die seinerzeitige Forschungslage sensibel nachzuzeichnen, beispielsweise der "von der Wurzel" her "subjektivistisch" angelegte Martin Luther (S. 23) und andere Vertreter der "Reformation" einer "katholischen Reform" ganz anderer, nämlich objektiverer Prägung gegenübergestellt.

Die vom heutigen Forschungsstand her gesehen erheblichen inhaltlichen Probleme des Handbuchs werden bereits am ersten Band deutlich; die ausführlichen Literaturnachträge für die Paperback-Edition von 1985, die die digitalisierte Fassung übernimmt, haben diese Mängel nicht beheben können: Der 1994 verstorbene Bonner Kirchenhistoriker Karl Baus läßt das Christentum vor dem Hintergrund des Verfalls der "altgriechischen" und "altrömischen" Religion auftreten (S. 103-115), aus dem Osten eingedrungene Formen wie die Mysterienkulte (bezeichnenderweise fehlt ein Hinweis auf Eleusis) beeindrucken nur wenige Menschen, "die große Masse des Volkes wandte sich daher den niedrigen Bezirken des Aberglaubens zu" (S. 112). Auch die Geschichte des Christentums führt pfeilgerade auf die entfaltete Reichskirche des vierten Jahrhunderts zu: Die Briefe des Bischofs Ignatius von Antiochien zeigen, daß in der Metropole schon "im 2. Jahrzehnt des 2. Jh. der monarchische Episkopat" existiert (S. 175), der Opfercharakter der Eucharistie ist auch bei Justin vorausgesetzt, obwohl dieser ihn mit keinem Wort erwähnt (S. 321). Baus schöpft vor allem aus den Werken der gebildeten Theologen, Inschriften, Papyri und vergleichbare Quellen berücksichtigt er kaum, selbst dort, wo er über die Frömmigkeit in den Gemeinden schreibt.

Man könnte diese Aufzählung veralteter Sichtweisen fortsetzen, das wäre freilich ungerecht, da es vor allem Schüler von Karl Baus und deren Schüler waren, die unser Bild von der Entwicklung christlicher Frömmigkeit wie kirchlicher Institutionen tiefgreifend verändert haben. Von all dem kann man natürlich in den Bänden nichts lesen. Hätte man das Werk also überhaupt ohne Ergänzungen nachdrucken bzw. digitalisieren sollen? Für eine positive Antwort könnte man zwei Argumente anführen. Zum einen gilt die eben entfaltete Mängeldiagnose natürlich nicht für alle Partien des Werkes gleichermaßen: Was beispielsweise im letzten Band über die Geschichte des Kirchenrechtes und der Konkordate im zwanzigsten Jahrhundert geschrieben wurde (Georg May), ist trotz aller seitherigen Veränderungen - immerhin erschien 1983 ein neuer Codex Iuris Canonici - nach wie vor lesenswert. Zum anderen erlaubt die Digitalisierung einen anderen Umgang mit dem Werk: 18 Seiten Register erschließen beispielsweise den ersten Band der Druckausgabe, aber es war bisher nicht möglich, gezielt nach einzelnen Autoren oder Stellen zu suchen. Das ist über die einfache Suchfunktion ebenso leicht möglich wie die Übernahme von bibliographischen Angaben aus dem Werk in eigene Dateien ohne Probleme gelingt.

Zur technischen Realisierung von Digitalisierungen im Rahmen der "Digitalen Bibliothek" ist in H-Soz-u-Kult schon mehrfach Stellung genommen worden; vgl. hierzu beispielsweise die recht ausführliche Rezension von Fotis Jannidis in H-Soz-u-Kult: hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensio/digital/cdrom/datenban/jafo0799.htm. Man kann mit der Suchfunktion alle sieben Bände durchsehen, leicht von der Bildschirmzählung auf die Buchzählung umschalten und alle Passagen leicht in eigene Dateien kopieren, auch der Druck ist einfach möglich. Eine besondere Häufung von Fehlern, die gewöhnlich beim Einscannen von Texten auftreten, ist dem Rezensenten nicht aufgefallen. Mit den genannten Einschränkungen kann die CD-ROM also kundigen Benutzern durchaus empfohlen werden.

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