Zisterzienser. Spuren in Brandenburg. Ein interaktiver Führer durch Geschichte und Gegenwart: CD-ROM

Titel
Zisterzienser. Spuren in Brandenburg. Ein interaktiver Führer durch Geschichte und Gegenwart


Herausgeber
-
Reihe
"Geschichte Interaktiv"
Erschienen
Anzahl Seiten
Preis
DM 49,80
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Ilka Minneker, Historisches Seminar, Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Zisterzienser. Spuren in Brandenburg

Die CD-ROM "Zisterzienser. Spuren in Brandenburg" erschien bereits 1998 und somit marktgerecht zum 900jährigen Bestehen des Ordens. Als erste und bislang einzige Veröffentlichung in der Reihe "Geschichte Interaktiv" der multi-media-point Agentur1 ist es laut Booklet erklärtes Ziel der CD, den Nutzer "auf unterhaltsame Weise durch die Geschichte [zu] führen". Möglich wird dies ab einem 486er PC bzw. einem Apple 68040 mit jeweils 8 MB Arbeitsspeicher; als Betriebssysteme sind Windows 95 bzw. Mac OS 7.1. vorausgesetzt. Die Grafikauflösung setzt mindestens 256 Farben bei einer Auflösung von 640 x 480 voraus, eine Soundkarte ist erforderlich.

Die CD-ROM arbeitet hauptsächlich mit der parallelen Präsentation von kurzen Texten und Bildern, wobei der Gebrauch der Abbildungen fast ausschließlich als illustrativ, oft leider auch als beliebig bezeichnet werden kann; dies zeigt sich u.a. in der mehrfachen Verwendung einzelner Bilder in unterschiedlichen Kontexten. Instruktive Animationen (s.u.) sind rar, die Interaktion beschränkt sich zumeist auf die Möglichkeit, Textverknüpfungen anzuklicken, um weitere Informationen in Wort oder Bild zu erhalten. Bei den wenigen Hörbeispielen handelt es sich zumeist um kurze Kommentare und nur selten um Quellenbeispiele bzw. Musiksequenzen. Ärgerlich sind die teilweise fehlenden oder unvollständigen Bildbeschriftungen, Quellenbenennungen bzw. Kennzeichnungen der Hörbeispiele.

Zunächst präsentiert sich, nach problemloser Installation und dem Eröffnungstrailer, das klar gegliederte Hauptmenü. Von hier aus gelangt man zur "Einführung in die Geschichte des Mönchtums" und - subsumiert unter der Überschrift "Der Orden" - zu den Hauptinhalten "Kirche im Mittelalter", "Gesellschaft im Mittelalter" und "Klöster in Brandenburg". Zusätzlich bietet das Menü den Zugriff auf eine Hilfeoption, das Impressum sowie ein "Lexikon", dessen ca. 150 Einträge über die Ausführlichkeit eines Glossars oftmals leider nicht hinausgehen.2 Die Gestaltung der CD-ROM zeichnet sich insgesamt durch eine nutzerfreundliche Übersichtlichkeit aus, das Design vermittelt den Eindruck einer liebevoll gestalteten "Altertümlichkeit".

Die "Einführung in das Mönchtum" bietet eine sehr knappe, chronologische Darstellung zur Geschichte monastischer Gemeinschaften. Die einzelnen Texte können mittels einer sechsstufigen "Bildertreppe" aktiviert werden. Nach Anklicken der Links erscheinen zumeist leider nur Einträge des Lexikons bzw. Bilder ohne weiteren Textkommentar. Wenn beim Begriff "Skulptur" ein Bild der Kultstätte Stonehenge gezeigt wird oder zum Hinduismus eine gerade sechszeilige Erklärung folgt, so sind diese Stichproben beispielhaft für die geringe inhaltliche Qualität des Abschnitts.

Die zwei Hauptkapitel "Kirche im Mittelalter" und "Gesellschaft im Mittelalter" erschließen sich mittels einer am linken Rand ein- und ausblendbaren Menüleiste. Über die dort aufgelisteten Haupt- und Unterthemen werden die entsprechenden, zumeist eine Seite umfassenden, Dokumente aktiviert. Beide Kapitel täuschen dabei durch ihre Titel eine umfassende Komplexität vor, die nicht eingelöst wird.3 Insbesondere die außerhalb der Thematik der Zisterzienser angesiedelten Texte bieten nur die Wiedergabe von schlichten Allgemeinheiten.4 Aber auch die Seiten zum Orden erscheinen unbefriedigend blass. Zu generell und zu kurz bleiben beispielsweise die Aussagen zur gesellschaftlichen und politischen Funktion5 oder wirtschaftlichen Bedeutung der Klöster. Kein kritisches Wort fällt zum Mythos der zisterziensischen Kulturleistungen bzw. der Übernahme bereits kultivierten Landbesitzes insbesondere im Zuge der sog. "Ostsiedlung"; auch die Darstellung im Kapitel "Slawen" entfernt sich nicht vom alten Klischee des einseitigen Kulturtransfers.

Als hätte es die jüngere Forschung und die grundlegende Ausstellung von 1980 nie gegeben,6 sind die Texte in ihrer verkürzenden Darstellung einem imaginierten Idealbild verpflichtet und nicht einer differenzierten "Wirklichkeit". Aus eben diesem Grund finden Themen wie z.B. das Verhältnis von Orden und Laien, die seelsorgerischen Tätigkeiten, Zisterzienserklöster als Wallfahrtsstätten, Laienbestattungen oder das Problem weiblichen Publikums in Männerkonventen keine Berücksichtigung. Ähnlich holzschnittartig fallen auch die Bemerkungen zu den "mindergestellten" Konversen aus, kein Wort zu ihren leitenden Funktionen in Landwirtschaft, Handel, Verwaltung, Kirchenbau, Rechtsgeschehen etc. Diese durchgängige Reduktion von Komplexität zeigt sich insbesondere in den sehr schmal geratenen Seiten zur Kunst. In einseitiger Betonung der regelgebundenen zisterziensischen Schlichtheit wird die prächtige Vielfalt gerade auch ihres mittelalterlichen Schaffens in Architektur und bildender Kunst durch Nichtbeachtung negiert, die spätestens seit dem Ende des 12. Jahrhunderts feststellbare regionale und stiftergebundene Konzessionsbereitschaft weit weg vom Idealplan bleibt unerwähnt.

Der dritte Hauptteil "Brandenburgische Klöster" erschließt über eine Karte die 16 zisterziensischen Männer- und Frauenklöster innerhalb der Grenzen des heutigen Bundeslandes.7 In der Kopfleiste sind zu den einzelnen Beispielen die Themen "Lage", "Geschichte", "Klostergebäude" und "Tourismus" abrufbar. Die Möglichkeit, das Material eines Kloster kontinuierlich durchzublättern, ist jedoch zu bevorzugen, da die gewählten Kategorien nicht immer konsequent eingehalten werden. Bildschirmfüllende Abbildungen, über die jeweils in einem zweiten Schritt die Texte geblendet werden, bestimmen das Erscheinungsbild dieses Inventars. Der Umfang des Materials zu den einzelnen Klöstern variiert sowohl hinsichtlich des Textes als auch der Abbildungen stark. Die inhaltlichen Beschränkungen der vorgenannten zwei Kapitel werden durch Details in den Darstellungen des dritten Hauptteils partiell wieder zurückgenommen. Leider wird jedoch weder auf der Textebene ein Zusammenhang der einzelnen Kapitel aufgezeigt, noch sind die thematischen Teile und Klosterbeispiele durch Links verbunden, so dass der Nutzer z.B. angesichts der Informationen zu den Themen "Kunst" und "Architektur" über die Abbildungen prächtiger Glasfenster, figurenreicher Altäre, üppiger Grabplatten und farbiger Ausstattungen nur staunen kann. Die Verknüpfungen leisten leider auch keine Vernetzung der einzelnen Klöster untereinander, wie es z.B. im Fall gleicher Bauteile interessant wäre, sondern bieten in Bild und Text zusätzliche Informationen nur zum jeweiligen Gegenstand.

Die "Multimedialität" der vorliegenden CD-Rom kann kaum überzeugen, zu wenig werden die Möglichkeiten des Mediums genutzt. Zwar gibt es einige anschauliche Animationen (z.B. sind die Tätigkeiten der Mönche und Konversen im Tagesablauf des Klosters anhand einer Uhr ablesbar, Gebäude und Gebäudeteile des Klosters bzw. des Klausurbereiches werden in Modellskizzen beim Anklicken der Bezeichnungen hervorgehoben,8 die Struktur des Ordensverbandes baut sich kontinuierlich in einem Schaubild auf), von einer großen Interaktion kann anhand der geringen Vernetzung des Inhalts jedoch nicht gesprochen werden. Wenn z.B. zu den Konversen oder dem Zinnaer Marienpsalter9 an zwei Stellen der CD-ROM Informationen ergänzender Art vorhanden sind, kann sich der Nutzer wegen fehlender Hinweise oder Links nur auf sein Gedächtnis verlassen, wenn er die Inhalte zusammenführen will. Nicht nur in diesen Fällen macht sich das Fehlen einer Suchfunktion für die CD-ROM bemerkbar, denn auch die Items der Menüleisten und Kopfzeilen weisen dem Nutzer nicht immer den richtigen Weg. Ärgerlich ist auch, dass auf das Lexikon nur teilweise aus den Hauptkapiteln zugegriffen werden kann, der Rückweg sogar immer nur über das Hauptmenü möglich ist.

Nimmt man sich das zum Kapitel "Klöster" im Booklet empfohlene "Begleitbuch"10 zur Hand, so werden die Ursachen der bislang angeführten Kritikpunkte schnell evident. Bild-, Grafik- und Textmaterial dieses Buches sind in einem solchen Ausmaß mit dem der CD-ROM identisch, dass man sie getrost als (schnelles) Produkt einer Zweitverwertung bezeichnen kann.11 Dabei wurde der Textteil auf ca. 1/3 abgespeckt sowie einige wenige Abbildungen hinzugefügt; das Zerhacken und Kürzen der ehemals kontinuierlichen Texte führt mitunter zu logischen Brüchen. Neu erstellt wurden allein das wenig überzeugende Kapitel zur "Geschichte des Mönchtums", das "Lexikon" sowie die touristischen Informationen zur Umgebung der Klöster. Die kaum vorhandene Vernetzung der einzelnen Kapitel, die geringe Multimedialität der CD-ROM und das Fehlen einer Suchfunktion überzeugen indes nicht von der Notwendigkeit der Übertragung des Buchtitels auf die Scheibe. Auch das "cui bono?" des Produktes bleibt unklar. Der Historiker und Kunsthistoriker wird angesichts der inhaltlichen Schwächen, des Fehlens von Literaturangaben und des Forschungsbezugs - auch in schneller Form - bereits weitaus besser bedient.12 Der interessierte Laie, dem vor allem das touristische Material geschuldet ist, bleibt bei Planung und Durchführung seiner Reise vor Ort weiterhin auf Karte und Buch angewiesen, da die CD-ROM keine Möglichkeit zum Ausdruck bereithält. Einen präziseren Einblick in die Welt der Zisterzienser erlauben ihm die zahlreichen Druckerzeugnisse um das Jubiläumsjahr 1998.13 "Cui bono CD-ROM?" In diesem Fall - bei entsprechenden Verkaufszahlen - wohl am ehesten multi-media-point.

Anmerkungen:
(*) Im Programm der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft Darmstadt für 44,90 DM.
1http://www.multi-media-point.com.
2 Die Einträge erweisen sich allzu oft als zu kurz bzw. unausgewogen. Ein Blick in ein allgemeines Lexikon eröffnet zumeist weitaus mehr an Informationen und weiteren Verweisen.
3 Unter der Überschrift "Kirche im Mittelalter" finden sich ausschließlich Informationen zu den Zisterziensern: "Ordensverfassung", "Persönlichkeiten", "Ausbreitung des Ordens", Politische Funktion", Geistliches Leben" (mit "Kunst" und "Architektur").
4 Die Oberthemen des Abschnittes "Gesellschaft im Mittelalter" heißen: "Bauern und Adel", "Grundherrschaft", "Recht", "Wirtschaft", "Brandenburg".
5 Beispielhaft zur politischen Funktion vgl. Fritz Heinrich: Zwischen Machtkalkül und Seelenheil. Die Gründung eines Zisterzienserklosters als Instrument der mittelalterlichen Territorialpolitik, in: Arnd Friedrich/Fritz Heinrich (Hrsg.): Die Zisterzienser und das Kloster Haina, Petersberg 1998.
6 Kaspar Elm (u.a.) (Hrsg.): Die Zisterzienser. Ordensleben zwischen Ideal und Wirklichkeit, Bonn 1980. Beispielhaft für jüngere Forschungsarbeiten seien genannt die Reihe "Studien zur Geschichte, Kunst und Kultur der Zisterzienser 1(1996)ff.; Wolfgang Erdmann: Zisterzienser-Abtei Chorin. Geschichte, Architektur, Kult, Frömmigkeit, Fürsten-Anspruch und -Selbstdarstellung, klösterliches Wirtschaften sowie Wechselwirkungen zur mittelalterlichen Umwelt, Königstein/Taunus 1994; Ulrike Seeger: Zisterzienser und Gotikrezeption. Die Bautätigkeit des Babenbergers Leopold VI. in Liliental und Klosterneuburg, München 1997; Michael Töpfer: Die Konversen der Zisterzienser. Untersuchungen über ihren Beitrag zu mittelalterlichen Blüte des Ordens, Berlin 1983.
7 Altfriedland, Boitzenburg, Chorin, Doberlug-Kirchhain, Güldenstern (Mühlberg), Heiligengrabe, Himmelpfort, Jüterborg, Lehnin, Lindow, Marienfleiß (Stepenitz), Neuzelle, Seehausen, Zehdenick, Ziesar, Zinna.
8 Dieselben Grafiken finden auch unter den Items "Konventsgebäude" und "Wirtschaftsgebäude" Verwendung. Die Animation wird hier allerdings nicht ausgeführt (bug?), so dass eine dreifache Zuordnung von Begriff, Photo und Gebäudeteil nicht erfolgt.
9 Zum Kloster Zinna sei auf die umfangreiche Präsentation des Museums hingewiesen unter http://www.dhm.de/museen/zinna.
10 Oliver H. Schmidt/ H. Jürgen Feuerstake (Hrsg.): Zisterzienserklöster in Brandenburg. Ein kulturhistorisch-touristischer Führer, Berlin 1998. (34,80 DM). Hingewiesen sei auch auf vergleichbare Konkurrenzprodukte wie Georg Bieniek: Die Zisterzienserklöster in der Mark Brandenburg, 2. Aufl. Berlin 1998 und Klaus-Martin Bresgott/Arnt Cobbers: Die Zisterzienserklöster im Land Brandenburg, Berlin 1999.
11 Herausgeber Jürgen Feuerstake wird neben Carmen Sabernak im Impressum als Redakteur der CD-ROM geführt, die Autoren des Buches (Stephan Worch, Oliver H. Schmidt, Stephan Warnatsch und Uta Puls) als wissenschaftliche Berater benannt.
12 Gerhard Schlegel (Hrsg.): Repertorium der Zisterzen in den Ländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, Langwaden 1998 (Der Band bietet einen historischer Überblick, ein Literaturverzeichnis und ein Verzeichnis der wichtigsten Archivalien zum jeweiligen Kloster); Karla Bilang: Die Frauenklöster der Zisterzienser im Land Brandenburg, Berlin 1998.
13 Als Auswahl sei vor allem auf die anschaulichen Kataloge und Bildbände verwiesen: Buchmalerei der Zisterzienser. Kulturelle Schätze aus sechs Jahrhunderten. Katalog zur Ausstellung "Libri Cisterciensis" im Ordensmuseum Abtei Kamp, Stuttgart (u.a.) 1998; Ulrich Knefelkamp/ Wolfgang F. Reddig (Hrsg.): Klöster und Landschaften. Zisterzienser westlich und östlich der Oder, Begleitband zur Ausstellung der Europa-Universität Viadrina Frankfurt an der Oder, Frankfurt/Oder 1999; Judith Oexle (u.a.) (Hrsg.): Zeit und Ewigkeit. 128 Tage in St. Marienstern, Ausstellungskatalog, Erste sächsische Landesausstellung, 13. Juni 1998 - 18. Oktober 1998, Halle/Saale 1998; Terryl N. Kinder, Die Welt der Zisterzienser, Würzburg 1997.

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