R. Amedick (Hg.): Wunder antiker Technik CD-ROM

Cover
Titel
Wunder antiker Technik. Automaten, Orgeln, Uhren, Wasserspiele


Herausgeber
Amedick, Rita
Erschienen
Stuttgart 2003: Theiss Verlag
Anzahl Seiten
1 CD-ROM
Preis
€ 29,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Sven Urban, Institut für Angewandte Botanik, Universität Hamburg

Die antike Technikgeschichte befindet sich in einem Spannungsfeld zwischen Naturwissenschaft, Altertumswissenschaft und Archäologie, das den Zugang zu ihr erschwert. Einige der antiken Maschinen, die heute fast gänzlich verloren sind, sollen mit dieser CD wieder „zum Leben erweckt“ und ihre Grundlagen und Funktionsweisen erklärt werden. Die Packung enthält neben der CD-ROM ein farbiges DIN A5 Faltblatt. Ein Handbuch sucht man vergebens, aber es ist auch entbehrlich, weil die CD-ROM offenbar mit Macromedia Director produziert wurde, so dass keine Installation erforderlich ist. 1 Die Anforderungen an das Computersystem sind als sehr niedrig einzustufen, so werden lediglich ein Pentiumprozessor ab 200 MHz, eine Soundkarte sowie ein 32-Bit-Windows benötigt. Somit dürften alle Computer ab Baujahr 1997 geeignet sein.2

Die automatisch startende CD spielt zunächst eine Einführung ab, deren Bild- und Tonqualität für ein kommerzielles Produkt nicht mehr zeitgemäß sind. Anschließend erscheint ein Menü, welches in Form einer antiken Wasseruhr ansehnlich gestaltet ist. Neben verschiedenen Rubriken sind von hier aus auch eine Zeittafel, die „Nachhall“ genannte Einführung sowie die Bibliografie zugänglich. Die neun Rubriken, mit Titeln von „Physikalisches“ über „Wunderbrunnen“ bis „Automaten“, enthalten insgesamt 35 Apparate. Wurde ein Thema ausgewählt, so erscheint zunächst eine Zeichnung mit einem erklärenden Text. Häufig gibt es weitere Animationen in 2D oder 3D, die die Funktionsweise am bewegten Modell näher erläutern. Zu manchen Themen können auch Videofilme von rekonstruierten Versuchsaufbauten betrachtet werden. Schließlich werden unter dem Menüpunkt „Spuren“ archäologische Belege aufgeführt. Die Animationen sind von unterschiedlicher Qualität, die von „Kamerafahrten“ in 3D, wie z.B. beim Tierbrunnen, bis hin zu etwas spartanisch gestalteten 2D-Darstellungen, z.B. bei den kommunizierenden Röhren, reicht. Dabei haben leider nicht alle Animationen einen erklärenden Begleittext. Die elf Videosequenzen sind zwar überwiegend anschaulich, aber sie füllen nur etwa ein Sechstel des Bildschirmes, was ebenfalls nicht mehr zeitgemäß wirkt.

Bei der Auswahl der Texte fällt auf, dass praktisch nur Heron von Alexandria und Philon von Byzanz ausgewertet wurden. Vitruv wird zwar gelegentlich zitiert, jedoch wurde in der Bibliografie keine Ausgabe angegeben. Für den Altertumswissenschaftler enttäuschend ist freilich die Tatsache, dass die Originaltexte nicht zur Verfügung stehen, sondern nur die Übersetzungen. Dieses Fehlen erklärt sich wohl aus der erheblich breiteren Zielgruppe für die CD-ROM. Viele der Zeichnungen stammen aus der Teubnerausgabe von Schmidt.3

Die physikalisch-technischen Grundlagen sind durchweg korrekt erklärt. Lediglich bei den Öfen ist die Erläuterung zu ungenau.4 Die Erwähnung von „Zeichnungen“ in den Manuskripten ist verwirrend, weil ein Hinweis darauf fehlt, dass diese Hinzufügungen späterer Kopisten sind. Zu oberflächlich bleibt auch die Einordnung in den technikhistorischen Kontext. Nur im Startbildschirm erwähnt ist auch die Tatsache, dass viele der antiken Erklärungen an die vorsokratische Vier-Elemente-Lehre gebunden sind. Auf die enge Bindung von „Physik“ und „Technik“ an mathematische Betrachtungen, deren Grundlage für den Zeitraum der Antike die Geometrie ist, wird nicht eingegangen. Insgesamt wirken die Texte an vielen Stellen eindeutig zu knapp und vereinfachen dadurch technikhistorisch zu stark. Die archäologischen Belege sind vielfach spärlich und scheinen als Quelle kaum verwendet worden zu sein. So findet sich beispielsweise der so genannte Turm der Winde auf der Athener Agora nur in der Zeittafel nicht aber bei den Wasseruhren. Ergänzungen aus anderen Quellen wurden nicht eingearbeitet.5 Selbst thematisch sehr verwandte Apparate wie die Archimedische Schraube werden nur am Rande erwähnt.6 Auch der hauptsächlich benutzte Autor, Heron, wird nur oberflächlich beschrieben, so hat Heron beispielsweise nicht nur die Pneumatica, sondern auch mathematische Werke wie die Metrica verfasst, die offenbar nicht ausgewertet wurden.

„Wunder antiker Technik“ bietet nur minimale Interaktionsmöglichkeiten, so können lediglich bei den Zeichnungen einzelne Bauteile angeklickt werden, die dann näher erläutert werden. Eine Verlinkung der einzelnen Apparate untereinander gibt es ebenso wenig wie ein Glossar. Bei den Animationen oder den Videofilmen gibt es für den Anwender keine Eingriffsmöglichkeiten. Ferner bietet die CD keinerlei Such- oder Recherchefunktionen. Die einzelnen Apparate stehen daher weitgehend isoliert nebeneinander, ein didaktisches Konzept lässt sich nicht ausmachen. Insgesamt wirkt die CD mit ihrer relativ eindimensional erscheinenden Bedienung eher wie eine Sammlung von Begleittexten einer Ausstellung als eine moderne Lernsoftware.

Die Bibliografie befindet sich als letzter Eintrag auf der Seite mit den Texten, die vom Menü durch Anklicken einer Feder erreichbar ist. Am Bildschirm ist die Bibliografie so klein geschrieben, dass sie ausgedruckt werden muss, um sie lesen zu können. Erstaunlich ist, dass übliche Standardwerke für die antike Technikgeschichte fehlen.7 Die ebenfalls unter den Texten eingeordneten „Bauanleitungen“ verdienen diesen Namen nicht. Abgesehen von dem Waschbecken mit Seifenspender handelt es sich nur um die Funktionsbeschreibungen und die Zeichnungen, die auch schon zu den einzelnen Geräten zu sehen sind. Ein Nachbau dürfte für interessierte Laien nicht möglich sein, da keine Umsetzung in Baupläne mit zeitgenössischem Material geboten wird.8 Das ist bedauerlich, weil sich viele Apparate für den Nachbau im Physikunterricht durchaus eignen würden. Als Unterrichts- oder Anschauungsmaterial können sie jedoch verwendet werden, da sie sich ausdrucken lassen. Leider fehlen auch hier die Quellenangaben vollständig.

Insgesamt hinterlässt die CD einen gemischten Eindruck. Einige Animationen in 3D erklären die Funktionsweisen sehr anschaulich, aber die Möglichkeiten zur Interaktion wirken etwas zu begrenzt. Die grafische Darstellung mag an einigen Stellen überholungsbedürftig sein und die Bauanleitungen sollten überarbeitet werden. Die CD bietet jedoch einen interessanten Ansatz, sich der antiken Technikgeschichte zu nähern.

Anmerkungen:
1 Lediglich der Quicktime-Player wird für das Abspielen der Videosequenzen benötigt; ist er auf dem System nicht vorhanden, wird er von der CD-ROM automatisch installiert.
2 Die Funktionsfähigkeit wurde auf Systemen mit Windows 98 SE, Windows 2000 und Windows XP Prof. vom Verfasser erfolgreich getestet.
3 Schmidt, Wilhelm, Heronis Alexandrini opera quae supersunt omnia. Leipzig 1899. Auf dieses Werk gehen die Zeichnungen des Altars, des Badeofens und der Tempeltüren zurück, wie auf der Startseite zu lesen ist.
4 Es steigt kein Wassergas beim Püsterich auf, sondern Wasserdampf, der erst durch das Leiten über den glühenden Kohlenstoff zu Wassergas (ca. 50% H, 40% CO, 5% N, 5% CO2) wird.
5 Als stellvertretendes Beispiel sei hier die Beschreibung einer Wasseruhr mit Dach genannt, die Scipio Nasica 159 v. Chr. der Stadt Rom stiftete (Plinius, nat. 7,215).
6 Die Archimedische Schraube wird lediglich in der Zeittafel kurz beschrieben.
7 So z.B. Schneider, Helmut, Einführung in die antike Technikgeschichte, Darmstadt 1992; Gray Landels, John, Die Technik in der antiken Welt, München 1989; White, K. D., Greek and Roman Technology, London 1984.
8 Überraschenderweise fehlen die Umsetzungen auch dort, wo sie zur Produktion der CD vorgenommen wurden; so z.B. beim unerschöpflichen Brunnen, dessen Funktionsweise in einem Video mit einem Versuchsaufbau anschaulich dargestellt wird, aber die Bauanleitung bietet nur die einfache Zeichnung aus dem beschreibenden Text.

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