14 Uhr: Begrüßung
14:10 Uhr:
Frank Bajohr: Holocaust ohne Hitler? Die NS-Führung als Leerstelle gegenwärtiger Forschung
Lange Zeit kreiste die Holocaust-Forschung vor allem um die Frage, was und wer den präzendenzlosen Massenmord an den europäischen Juden in Gang gesetzt hatte. Vor allem die frühe Forschung ging von einem länger gehegten Plan, mindestens jedoch von einem zentralen Mordbefehl Hitlers und einem Top-Down-Geschehen-aus. Diese einstmals dominierende Perspektive auf den Holocaust ist heute in ihr Gegenteil umgeschlagen. Auf den meisten internationalen Konferenzen wird Hitler nicht einmal mehr erwähnt, fristen auch NS-Deutschland und die NS-Täter oftmals nur noch ein thematisches Schattendasein. Demgegenüber erinnert der Vortrag an die zentrale Verantwortung Hitlers und der NS-Führung für die Ingangsetzung des Holocaust, auch wenn dessen Genese nicht durch Pläne, „Führerbefehle“ oder „Grundsatzentscheidungen“ erklärt werden kann; der Massenmord vollzog sich vielmehr in einem hoch fluiden und reversiblen Kommunikationsfeld, dass durch Ermunterungen, Teil-Entscheidungen und stetige Rückkoppelung zwischen Zentrale und Peripherie gekennzeichnet war.
14:40 Uhr: Diskussion
15:10 Uhr:
Paula Rhein-Fischer: Erinnerung per Gesetz? Von den Vorzügen und Gefahren von Erinnerungsgesetzen.
In Deutschland steht es unter Strafe, den Holocaust zu billigen, zu leugnen oder zu verharmlosen. Der Straftatbestand der Holocaustleugnung ist nur eine von vielen Rechtsnormen, die das Erinnern an bestimmte historische Ereignisse rechtlichen Vorgaben unterwerfen. Für solche „Erinnerungsgesetze“ werden verschiedene Ziele angeführt: Sie sollen die Würde der Opfer schützen und sie vor dem Vergessenwerden oder der Verächtlichmachung bewahren, ein Recht auf historische Wahrheit oder ein kollektives Gedächtnis schützen, den demokratischen Bestand der Bundesrepublik und den öffentlichen Frieden sichern und das Zeichen eines friedfertigen Deutschlands nach außen senden. Doch werfen Erinnerungsgesetze auch Probleme auf: Wie lässt sich der besondere Schutz der Erinnerung eines historischen Verbrechens gegenüber den Opfern anderer Verbrechen rechtfertigen? Inwieweit kann die Erinnerung per Gesetz politisch instrumentalisiert werden? Und wann höhlt sie Rechtsstaat, Demokratie und Freiheitsrechte aus?
15:40 Uhr: Diskussion
16:10 Uhr: Kaffeepause
16:30 Uhr:
Elke Rajal: Blindstelle Antisemitismus? Probleme der Holocaust Education und ihrer Universalisierung
Obwohl unbestritten ist, dass es ohne Antisemitismus keine Shoah gegeben hätte, wird Antisemitismus in der zeitgenössischen Vermittlungsarbeit zur Shoah – oft auch Holocaust Education genannt – häufig ausgeklammert oder nur am Rande thematisiert. Der Vortrag beleuchtet das Feld der Holocaust Education international und geht auf das Spannungsfeld zwischen Singularität und Universalisierung ein. Dabei wird für einen stärkeren Einbezug der Thematik des Antisemitismus in die Holocaust Education argumentiert, ohne zu behaupten, dass es alleine die Aufgabe von Holocaust Education wäre, Antisemitismuskritik zu vermitteln.
17:00 Uhr: Diskussion
ab 17:30 Uhr Büffet und Gespräche
Über die Vortragenden:
Prof. Dr. Frank Bajohr leitet seit 2013 das Zentrum für Holocaust-Studien am Institut für Zeitgeschichte und lehrt als außerplanmäßiger Professor am Historischen Seminar der Ludwigs-Maximilians-Universität München
Dr. Paula Rhein-Fischer: Dr. Paula Rhein-Fischer besitzt beide juristischen Staatsexamina, wurde am Institut für Friedenssicherungsrecht der Universität zu Köln promoviert und ist Habilitandin an der Akademie für Europäischen Menschenrechtsschutz der Universität zu Köln. Sie ist Teil des dänischen, niederländischen, deutschen und polnischen Forschungskonsortiums“The Challenges of Populist Memory Politics and Militant Memory Laws (MEMOCRACY)“ und Principal Investigator des deutschen, litauischen und portugiesischen Forschungskonsortiums „Mnemonic Reality: Investigating Memory Law's Impact on Reality and Reality's Impact on Memory Laws“, beides gefördert von der VolkswagenStiftung.
Elke Rajal, M.A., hat an den Universität Wien und Granada Politikwissenschaft mit den Zusatzfächern Soziologie, Sozialphilosophie und Spanisch studiert. 2010 schloss sie ihr Studium mit Auszeichnung ab. Seitdem hat sie an verschiedenen Universitäten und an außeruniversitären Forschungseinrichtungen in Österreich und Deutschland als Lektorin und Forscherin gearbeitet. Seit 2020 arbeitet und promoviert sie am Lehrstuhl für Soziologie der Universität Passau. Neben der wissenschaftlichen Arbeit war und ist Elke Rajal auch in der Lehrer:innenfortbildung und in der historisch-politischen Bildungsarbeit aktiv.