Die andere Seite der Verfolgung. Selbstzeugnisse des 19. und 20. Jahrhunderts revisited

Die andere Seite der Verfolgung. Selbstzeugnisse des 19. und 20. Jahrhunderts revisited

Veranstalter
Redaktionsteam "Die andere Seite der Verfolgung. Selbstzeugnisse des 19. und 20. Jahrhunderts revisited"
Gefördert durch
IBB Dortmund, Auswärtiges Amt
PLZ
10967
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Findet statt
Digital
Vom - Bis
08.04.2024 - 15.05.2024
Deadline
15.05.2024
Von
Lara Raabe

Die andere Seite der Verfolgung. Selbstzeugnisse des 19. und 20. Jahrhunderts revisited

Call for Articles für die Onlineplattform "Die andere Seite der Verfolgung. Selbstzeugnisse des 19. und 20. Jahrhunderts revisited".

The Other Side of Persecution. Testimonies of the 19th and 20th Century Revisited

Call for Articles for the online platform "The Other Side of Persecution. Testimonies of the 19th and 20th Century Revisited".

Die andere Seite der Verfolgung. Selbstzeugnisse des 19. und 20. Jahrhunderts revisited

"Die andere Seite der Verfolgung. Selbstzeugnisse des 19. und 20. Jahrhunderts revisited" ist ein Quellenportal zu Selbstzeugnissen, die von Verfolgung berichten. Auf der Online-Plattform werden Selbstzeugnisse verfolgter Menschen als historische Quellen vorgestellt und ihr Potential für die historische Forschungs- und Bildungsarbeit untersucht. Ein weiter Begriff von Verfolgung umfasst dabei politische, rassistische, antisemitische, sozialdarwinistische oder religiöse Motive sowie Verfolgung auf Basis von sexueller Orientierung oder Gender. Dementsprechend vielfältig sind auch die hier vorgestellten Quellen. Sie reichen von schriftlichen Dokumenten wie Tagebucheinträgen, Briefen und Erinnerungsberichten bis hin zu Videointerviews, Fotografien und Musikstücken.

Die Geschichte von Verfolgungsprozessen aller Art wird bis heute hauptsächlich durch von Täter:innen hinterlassene Quellen rekonstruiert. Diese Dokumente können einen tiefen Einblick in die Planung und Durchführung der Verfolgung bieten. Doch wie etwa die Historiographie zur Geschichte des Holocaust in den letzten Jahrzehnten gezeigt hat, genügt es nicht, die Geschichtsschreibung eines Verfolgungsprozesses rein auf Täter:innenquellen zu stützen. Neben den individuellen Erfahrungen der Verfolgten wird durch diesen Fokus auch die Komplexität von Verfolgungspraktiken verkannt. Eng verbunden mit diesem Perspektivwechsel ist das Konzept der „integrierten Geschichte” des Historikers Saul Friedländer. Friedländer zufolge kann sich die Geschichte des Holocausts nicht auf deutsche Entscheidungen und Handlungen beschränken, sondern muss auch die Initiativen und Reaktionen der betroffenen Individuen und Gruppen in den Blick nehmen. Einen wichtigen Zugang bieten dafür Selbstzeugnisse von verfolgten Personen. Durch die Arbeit mit diesen Ego-Dokumenten ergibt sich die Möglichkeit, die individuellen Erfahrungen und Handlungen der Opfer herauszuarbeiten. Dazu gehören beispielsweise ihre Wahrnehmungen und Emotionen sowie ihr Alltag, aber auch Handlungsspielräume und widerständiges Verhalten. All dies sind Aspekte, die wir aus den Dokumenten der Täter:innen kaum erschließen können. Nicht zuletzt hilft uns diese Perspektive auch, Verfolgungsprozesse insgesamt besser zu verstehen. So geben uns die hinterlassenen Quellen tiefere Einblicke in das Verhalten von Kollaborateur:innen oder so genannten Bystander:innen und ermöglichen einen anderen Blick auf Geschichte.

Der Fokus der Online-Plattform liegt auf der Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. Die extreme Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts wurde zurecht bereits häufig hervorgehoben. Mit seinen teils genozidalen Verfolgungsdynamiken kann es auch als Jahrhundert der Verfolgung gelten. Institutionelle Voraussetzungen dieser Dynamiken prägten allerdings schon das 19. Jahrhundert. So sind Schlüsselideologien wie der moderne Rassismus und Antisemitismus und die Herausbildung moderner bürokratischer Apparate samt technischer Zwangs- und Kontrollmechanismen bereits hier wiederzufinden. Das 19. und 20. Jahrhundert umfassen daher eine Zeitspanne, die es möglich macht, fundamentale Dynamiken von Verfolgung nachzuvollziehen und herauszuarbeiten. Dabei verlaufen Kontinuitäten von Verfolgungsgeschichten über klassische Periodisierungen wie Regierungswechsel oder Epochengrenzen hinaus und hinterfragen diese somit.

Gesucht werden Beiträge mit einer Länge von 1.200-1.600 Wörtern, die sich exemplarisch mit einem eigens ausgewählten Selbstzeugnis einer verfolgten Person auseinandersetzen. Die besprochene Quelle wird außerdem als Digitalisat auf der Website zugänglich gemacht. Im Mittelpunkt soll das Selbstzeugnis als geschichtswissenschaftliche Quelle stehen. Die besprochenen Quellen sollten entweder in der Zeit der Verfolgung selbst verfasst worden sein oder einen Bezug zur Verfolgung herstellen. Die Beiträge sollten grundsätzliche Überlegungen zu den jeweiligen Potentialen und Grenzen der vorgestellten Quelle enthalten und diese in den historischen Kontext einordnen. Darüber hinaus könnten folgende Fragen thematisiert werden:

- Welche neuen Perspektiven eröffnen uns die Quellen auf die Geschichte der jeweiligen Verfolgung?
- Welche emotions- und erfahrungsgeschichtlichen Zugänge zur Verfolgungspraxis sind möglich? Wie nahmen die Individuen ihre Verfolgung war?
- Welche Aussagen über Agency lassen sich treffen? Welche Gegenstrategien entwickelten die Verfolgten?

In dieser Call-Runde sind wir außerdem besonders interessiert an Beiträgen,

- welche die Kategorisierung der besprochenen Quellen als Selbstzeugnisse dezidiert reflektieren. Zu fragen wäre bspw., was ein Selbstzeugnis ausmacht und warum und unter welchen Fragestellungen die besprochene Quelle als solches einzustufen ist.
- die sich mit nicht-schriftlichen Quellen und ihren Potentialen als Selbstzeugnis befassen. Zu nennen sind hierbei bspw. Selbstporträts, Musikstücke oder filmische Werke.
- die sich mit Verfolgungsdynamiken im 19. Jahrhundert und dem frühen 20. Jahrhundert auseinandersetzen.

Vorschläge für Beiträge senden Sie bitte mit einem kurzen Expóse sowie Lebenslauf bis zum 15. Mai 2024 an das Redaktionsteam unter redaktion@selbstzeugnisse-revisited.de. Die Beiträge werden von der Redaktion ausgewählt und erscheinen auf der Plattform http://selbstzeugnisse-revisited.de/. Ein wissenschaftlicher Beirat unterstützt die Redaktion bei der Auswahl. Wir freuen uns auf Ihre Ideen!

Das Projekt ist einer der Gewinner der internationalen Veranstaltung HistoryLab2022 des IBB Dortmund und wird mit finanzieller Unterstützung des Auswärtigen Amtes durchgeführt.

The Other Side of Persecution. Testimonies of the 19th and 20th Century Revisited

"The Other Side of Persecution. Testimonies of the 19th and 20th Century Revisited" is an online platform of primary sources for personal accounts that report on persecution. The platform presents testimonies of persecuted people as historical sources and examines their potential for historical research and educational work. A broad concept of persecution includes political, racist, antisemitic, social darwinist and religious motives as well as persecution based on sexual orientation or gender. The primary sources that are presented on the website are correspondingly diverse. They range from written documents like diary entries, letters and memoirs to video interviews, photographs and musical compositions.

To this day, the history of persecutions of all kinds is reconstructed primarily from sources left by the perpetrators. These documents offer insight into the planning and execution of persecution. However, as the historiography on the Holocaust has demonstrated in the last decades, it is not sufficient to base the history of persecution solely on perpetrator sources. By focusing solely on the documents of the perpetrator, a reconstruction of the individual experiences of the persecuted is not possible. Furthermore, such a focus does not do justice to the complexity of the practices of persecution. This change of perspective is closely connected with the concept of an “integrated history” developed by the historian Saul Friedländer. According to Friedländer, the history of the Holocaust cannot be restricted to German decisions and actions, but must also take into account the initiatives and reactions of the affected individuals and groups themselves. Personal accounts of persecuted people are key to such an approach. Incorporating ego documents into the historical research of persecution offers an opportunity to better understand the individual experiences and actions of the victims. This includes, for example, their perceptions and emotions as well as their everyday lives, but also their agency and resistant behavior. By providing deep insights into the behavior of collaborators and so-called bystanders and by allowing history to be seen in a different light, this perspective, lastly, also helps to deepen an understanding of the processes of persecution as a whole.

The online platform focuses on the history of the 19th and 20th centuries. The history of extreme violence in the 20th century has often been emphasized. With its genocidal dynamics, it could also be described as the century of persecution. However, the institutional preconditions for this dynamic were already in place in the 19th century. Key ideologies such as modern racism and antisemitism were already prevalent, just as the development of modern bureaucratic apparatuses including their technical mechanisms of control. Thus, the 19th and 20th centuries constitute a period in which the fundamental dynamics of persecution can be analyzed and understood. In this context, continuities of persecution histories go beyond classic periodization such as changes of government or epochal periodization shifts, and in this way call them into question. .

We invite contributions with a length of 1.200 – 1.600 words, which include a testimony of a persecuted person as a primary source . These primary sources will be made available as a digital version on the website. The testimony should either have been created during the time of persecution or reflect on that experience retrospectively. As a primary historical source, the testimony should be the center of the article. The articles should include reflections on the potentials and limits of the presented source as well as historical contextualization. The following questions could be addressed:

- What new perspectives on the history of persecution does the testimony bring into view?
- What emotional- or experiential-historical approaches towards the history of persecution can be used? How did the individuals experience their persecution?
- What assumptions regarding the agency of the persecuted person can be made? What counter-strategies did they develop?

We are especially interested in articles,

- ...which reflect on the categorization of the primary source as a testimony. What characterizes a testimony, and why and under what set of questions could the respective primary source be labeled as one?
- ...which include non-written sources and discuss their potential as testimonies. These could be for example self-portraits, musical compositions, or film works.
- ...which examine dynamics of persecution in the 19th and early 20th century.

Proposals should be submitted with a short abstract and CV by May 15, 2024 to redaktion@selbstzeugnisse-revisited.de. The articles will be selected by the editorial team and published on the platform selbstzeugnisse-revisited.de. A scientific advisory board supports the editorial team in the selection process. We are looking forward to your proposals!

The project is one of the winners of the international workshop HistoryLab2022 of the IBB Dortmund and is financially supported by the German Federal Foreign Office.

Kontakt

redaktion@selbstzeugnisse-revisited.de

https://selbstzeugnisse-revisited.de/