Auf Augenhöhe. Vielfalt der Perspektiven auf Kleinwuchs in Kunst- und Kulturgeschichte

Auf Augenhöhe. Vielfalt der Perspektiven auf Kleinwuchs in Kunst- und Kulturgeschichte

Veranstalter
Hessen Kassel Heritage
PLZ
34119
Ort
Kassel
Land
Deutschland
Findet statt
In Präsenz
Vom - Bis
14.05.2025 - 16.05.2025
Deadline
31.08.2024
Von
Malena Rotter

Auf Augenhöhe. Vielfalt der Perspektiven auf Kleinwuchs in Kunst- und Kulturgeschichte

"Auf Augenhöhe. Vielfalt der Perspektiven auf Kleinwuchs in Kunst- und Kulturgeschichte" Mai 2025 in Kassel, Tagung im Rahmen eines Ausstellungsprojekts

At Eye Level. Diversity of Perspectives on Short Stature in Art and Cultural History

"At Eye Level. Diversity of Perspectives on Short Stature in Art and Cultural History", May 2025 in Kassel, conference related to an exhibition project

Auf Augenhöhe. Vielfalt der Perspektiven auf Kleinwuchs in Kunst- und Kulturgeschichte

Künstlerische Auseinandersetzung mit der menschlichen Vielfalt findet sich seit jeher. In der Frühen Neuzeit wirkten sich Neugier, Schaulust und der zunehmende Wissensdurst auch auf den Umgang mit Menschen aus, deren Körpergröße gewissermaßen aus dem Rahmen fiel und zum damaligen Verständnis eines normgerechten Körpers nicht zu passen schien. Innerhalb der europäischen Hofkultur, aber auch in der künstlerischen Auseinandersetzung wurden Interpretationen und Deutungsansätze entwickelt, die unter anderem im Rahmen der Kuriositäten- und Wunderkammern ihren Platz fanden.

Doch wie differenziert waren eigentlich – im Vergleich zu heutigen Debatten – die Diskurse über differente Körperlichkeit und verkörpertes Anderssein in der Frühen Neuzeit? Lassen sich heutige Konzeptionen auf die damalige Lebenswelt übertragen? Oder finden wir in gegenwärtigen Diskussionen die Spuren frühmoderner Repräsentationsweisen? In Kassel wird sich im Frühjahr 2027 eine Sonderausstellung, gefördert von der Ernst von Siemens Kunststiftung, diesen und weiteren Fragen widmen.

Die Tagung dient u.a. zur Schärfung der Themenbereiche und Vorbereitung des Ausstellungskataloges. Durchgeführt wird sie vor dem Hintergrund eines grundlegenden Wandels im gesellschaftlichen Umgang mit Personen, denen heute das Merkmal (schwer-)behindert zugeschrieben wird. Mit diesem Etikett erhalten unter anderem auch kleinwüchsige Menschen den Zugang zu Nachteilsausgleichen; jedoch sehen sie sich gleichzeitig mit einer Vielzahl von Barrieren konfrontiert. 2026 jährt sich die Verabschiedung der UN-Behindertenrechtskonvention der Generalversammlung der Vereinten Nationen zum 20. Mal. Im Ausblick auf dieses Jubiläum sowie auf die Sonderausstellung in Kassel soll im Rahmen der Tagung auch die Frage diskutiert werden, inwieweit die Grundprinzipien der Konvention – Inklusion, Partizipation, Selbstbestimmung, Barrierefreiheit und Gleichstellung – möglicherweise bereits in früheren historischen Kontexten aufzufinden sind.

Wie funktionierten Teilhabe und Inklusion in der Vormoderne? Gab es damals überhaupt ein Verständnis von „Behinderung“? Wie konnten Sicherheit und Freiheit, Würde und Anerkennung für behinderte Menschen hergestellt werden – oder war ihre Lebenswelt von Ausgrenzung und Stigmatisierung dominiert? Hierbei soll es auch um die kritische Reflexion und Revision einer linearen Entwicklungsgeschichte gehen, die einer „rückständigen“ Vormoderne die vermeintlich fortschrittliche Moderne gegenüberstellt. In vielen Bereichen, nicht nur den historischen Wissenschaften, ist dieser Ansatz bereits verfolgt worden, wenngleich sich weiterhin umfassende Forschungsdesiderate formulieren lassen.

Angelehnt an diese allgemeinen, weitreichenden Fragen sind fokussierte Beiträge aus grundsätzlich allen Fachrichtungen erwünscht, die sich in historischer Perspektive mit einem der folgenden Sektionsthemen beschäftigen:

1. Würde / Anerkennung / Sicherheit
Bot das Amt eines „Hofzwergs“ automatisch Garantie für einen würdevollen Umgang? Gingen mit dieser sozialen Rolle auch Sicherheit und der Anspruch auf Versorgung und Unterstützung einher? Gab es für kleinwüchsige Menschen an den Höfen auch Räume der Freiheit oder vornehmlich besondere Zwänge? Wie ist das Verhältnis von „Hofmaler“ (siehe die klassische Studie von Martin Warnke 1985) und „Hofzwerg“ zu fassen?

2. Teilhabe / Zugänglichkeit / Selbstbestimmung
Eröffneten Ämter wie das des „Hofzwergs“ Teilhabe und Zugänglichkeit in die Hofkultur? Wurden die Personen Teil der Familie oder galten sie eher als Kuriositäten, die abgeschottet wurden? Welche weiteren Perspektiven gab es für kleinwüchsige Menschen, um die eigene Existenz zu sichern, Karriere zu machen oder ihren sozialen Status (neu) zu definieren?

3. Akzeptanz der Vielfalt / Gleichberechtigung / Nichtdiskriminierung
Was wissen wir über die konkrete Lebenssituation der kleinwüchsigen Menschen in der Frühen Neuzeit? Wie lassen sich die bildlichen Zeugnisse heute lesen: als ein Ausdruck von Inklusion in kulturelle Praktiken, als Wertschätzung menschlicher Vielfalt oder als Zurschaustellung von definierter Andersartigkeit?

Über den zentralen Zeitrahmen der Frühen Neuzeit hinaus kann das Thema auch bedingt von der Antike bis zur Gegenwart ausgeweitet werden. Bitte senden Sie Abstracts (max. 500 Wörter) für 30-minütige Vorträge in Deutsch oder Englisch sowie einen kurzen CV bis zum 31.08.2024 an justus.lange@heritage-kassel.de und malena.rotter@heritage-kassel.de

At Eye Level. Diversity of Perspectives on Short Stature in Art and Cultural History

Artistic exploration of human diversity has existed since time immemorial. In the early modern period, inquisitiveness, curiosity and the increasing thirst for knowledge also had an impact on the treatment of people whose body size was somewhat out of the ordinary and did not seem to fit in with the understanding of a standardised body at the time. Interpretations and attempts for explanation were developed within European court culture, but also in artistic endeavours, which also found their place in the cabinets of art and curiosities.

But how differentiated were the discourses on differentiated corporeality and embodied otherness in the early modern period compared to today's debates? Can today's concepts fit into people’s reality of that time? Or the other way round: do we find traces of early modern modes of representation in current discussions? An exhibition in Kassel in spring 2027, funded by the Ernst von Siemens Kunst Stiftung, will be dedicated to these and further questions.

The conference’s aim is furthermore to sharpen the thematic areas and prepare the exhibition catalogue. The exhibition is related to a fundamental change in the way society deals with people who are now labelled as (severely) disabled. This label also gives people of short stature access to compensation for disadvantages, but simultaneously they are confronted with a multitude of barriers. 2026 marks the 20th anniversary of the passing of the UN Convention on the Rights of Persons with Disabilities by the United Nations General Assembly. Due to this anniversary and the exhibition in Kassel, the conference will also discuss how the basic principles of the convention – inclusion, participation, self-determination, accessibility and equality – can possibly be found in earlier historical contexts.

How did participation and inclusion work in the pre-modern era? Was there even an understanding of „disability“ back then? How could security and freedom, dignity and recognition be established for disabled people - or was their living environment dominated by exclusion and stigmatisation? The aim is also to critically reflect on and revise a linear history of development that contrasts a „backward“ pre-modern age with the supposedly progressive modern age. This approach has already been pursued in many areas, not only in the historical sciences, although comprehensive research desiderata can still be formulated.

Based on these general, far-reaching questions, focussed contributions from basically all disciplines are welcome that deal with one of the following section topics from a historical perspective:

1. Dignity / Recognition / Security
Did the position of „court dwarf“ automatically guarantee dignified treatment? Did this social role go hand in hand with security and the right to care and support? Were there also spaces of freedom for people of small stature at court or were they primarily subject to special constraints? How should the relationship between the „court painter“ (see the classic study by Martin Warnke 1985) and the „court dwarf“ be summarised?

2. Participation / Accessibility / Self-Determination
Did positions such as that of the „court dwarf“ open up participation and accessibility in court culture? Did these people become part of the family or were they regarded more as curiosities who were segregated? What other prospects were there for people of small stature to secure their own livelihood, make a career or (re)define their social status?

3. Acceptance of Diversity / Equal Rights / Non-Discrimination
What do we know about the specific life situation of people of short stature in the early modern period? How can the pictorial testimonies be read today: as an expression of inclusion in cultural practices, as an appreciation of human diversity or as a display of defined otherness?

Beyond the early modern period, the topic can also be extended from antiquity to the present. Please send abstracts (max. 500 words) for 30-minute presentations in German or English as well as a short CV by 31 August 2024 to justus.lange@heritage-kassel.de and malena.rotter@heritage-kassel.de.

Kontakt

Dr. Malena Rotter, Gemäldegalerie Alte Meister, Kassel
malena.rotter@heritage-kassel.de

https://www.heritage-kassel.de/sammlung-und-forschung/forschungsprojekte/kleinwuchs-in-der-bildenden-kunst
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Sprach(en) der Veranstaltung
Englisch, Deutsch
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