Der Algerienkrieg: Erinnern, debattieren, lehren

Der Algerienkrieg: Erinnern, debattieren, lehren

Veranstalter
Georg-Eckert-Institut für Internationale Schulbuchforschung, Braunschweig; Ruprecht-Karls-Universität, Heidelberg
Veranstaltungsort
Georg-Eckert-Institut, 38114 Braunschweig, Celler Str. 3
Ort
Braunschweig
Land
Deutschland
Vom - Bis
06.02.2004 - 08.02.2004
Von
Kohser-Spohn, Christiane

Das Georg-Eckert-Institut für Internationale Schulbuchforschung, Braunschweig und die Ruprecht-Karls-Universität, Heidelberg laden ein:

Der Algerienkrieg: Erinnern, debattieren, lehren / La Guerre d'Algérie: mémoire, débat public, enseignement
Internationale Konferenz/colloque international

6. - 8. Februar 2004, Georg-Eckert-Institut für internationale Schulbuchforschung

Gefördert von der Volkswagen Stiftung

organisiert von
Christiane Kohser-Spohn, Georg-Eckert-Institut Braunschweig
Frank Renken, Centre Marc Bloch Berlin
Edgar Wolfrum, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Die interessierte Öffentlichkeit ist herzlich eingeladen, an der Tagung teilzunehmen. Konferenzsprachen sind deutsch und französisch; eine Simultanübersetzung ist vorgesehen.

Der Algerienkrieg (1954 - 1962) war der blutigste aller französischen Kolonialkriege. Über zwei Millionen Soldaten wurden mobilisiert, um die algerische Unabhängigkeit zu verhindern. Dennoch galt dieser Konflikt in Frankreich über Jahrzehnte hinweg als der "Krieg ohne Namen". Verbissen hielt der Staat auch nach dem Waffenstillstandsabkommen von Evian an der Fiktion fest, es habe sich bei dem Algerienkrieg um bloße "Operationen zur Wiederherstellung der Ordnung" gehandelt. Kein Gedenktag, kein Straßenname, keine öffentliche Rede des Präsidenten sollte an ihn erinnern.

Mit dem Krieg wurden auch seine Erscheinungsformen verleugnet: Die Folter, die Zwangsumsiedelungen, die standrechtlichen Erschießungen algerischer Gefangener. Ebenso wurden den französischen Soldaten lange Zeit die offizielle Anerkennung - und die damit verbundenen Renten - verweigert.

In den Jahren 2000 bis 2002 kam es in Frankreich zu einer bis dahin beispiellosen öffentlichen Debatte über den Algerienkrieg. Auslöser war ein Artikel in Le Monde vom Juni 2000, in dem der Leidensweg des Folteropfers Louisette Ighilariz beschrieben wurde. Die im Grunde nicht neue Botschaft, dass die französische Armee im Algerienkrieg gefoltert hatte, wurde zum nationalen Skandal. Zwölf namhafte Gegner der Folter riefen Präsident Chirac und den damaligen Premierminister Jospin zu einer öffentlichen Verurteilung der durch die französische Armee verübten Praktiken auf. Beide sahen sich schließlich gedrängt, öffentlich ihre Empörung über die im Namen Frankreichs verübten Verbrechen zu bekunden. Doch zu einem formellen "Pardon" ist es nie gekommen.

Weitere Aspekte des Algerienkrieges entfalteten in der Folgezeit ihre polarisierende Wirkung, so die Frage nach der blutigen Niederschlagung einer algerischen Demonstration durch die Pariser Polizei am 17. Oktober 1961 oder der Streit um einen gesetzlichen Gedenktag für die Toten des Algerienkrieges. Patrick Rotmans Fernsehdokumentation L'ennemi intime, für den er Interviews mit Opfern und Tätern im Algerienkrieg führte, erreichte in diesem Klima ein Millionenpublikum. Der Algerienkrieg ist heute enttabuisiert, doch hat er offenbar nichts von seiner Schärfe verloren.

Seit das Tabu in der französischen Geschichtswissenschaft entdeckt wurde, findet eine lebhafte Debatte über seine Ursachen und Wirkungen statt, die einen wichtigen Beitrag zu den Auseinandersetzungen um das "kollektive Gedächtnis" liefert. Unter welchen Umständen wird ein "Krieg ohne Namen" Gegenstand der kontroversen politischen Debatte? Die Konferenz am Georg-Eckert-Institut in Braunschweig zeichnet diese Entwicklung nach und wird auch auf andere wichtige Aspekte eingehen: Wie wurde der Unabhängigkeitskrieg in Algerien selbst rückblickend wahrgenommen? Wie kann ein derart grausamer Krieg an die nächsten Generationen in den Schulbüchern vermittelt werden? Welche Stellung nahmen die beiden deutschen Staaten zum Algerienkrieg ein? Schließlich: Welchen Beitrag kann die Wissenschaft außerhalb des frankophonen Raums zu seiner Erforschung beitragen? Gibt es Bezüge zur Diskussion um "Vergangenheitsbewältigung" in Deutschland?

Programm

Freitag, 6.2.2004

Themenschwerpunkt: Tabu, Instrumentalisierung und Erinnerung

16.00 Uhr: Begrüßung: Wolfgang Höpken (Georg-Eckert-Institut)

16.15 - 18.00 Uhr:
Frankreich nach Evian - Von der Verleugnung zur Verdrängung des Krieges
Referenten:
Dietmar Hüser (Historisches Institut, Universität des Saarlandes)
Claire Mauss-Copeaux (Centre National de Recherches Scientifiques/CNRS, Groupe de recherches et d'études sur la Méditerranée et le Moyen-Orient, Lyon)

18.15 - 20.30 Uhr:
Algerien - Die Erinnerung an den nationalen Befreiungskampf zwischen Staatsdoktrin und Widerspruch
Referenten:
Werner Ruf (Politikwissenschaft, FB Gesellschaftswissenschaften, Universität Gesamthochschule Kassel)
Fouad Soufi (Archives nationales d'Algérie, Oran; Centre de recherche en anthropologie sociale et culturelle, Université d'Oran)
Gilbert Meynier (UFR sciences historiques, Université de Nancy II)
Schlusswort:
Mourad Bencheikh, Botschafter der Demokratischen Volksrepublik Algerien in Deutschland (unter Vorbehalt)

Abendessen

Samstag, 7. 02. 2004

Themenschwerpunkt: Debatte und Politik vierzig Jahre nach Ende des Krieges

10.00 - 12.00 Uhr:
Die französische Politik und ihre dunkle Vergangenheit: Wie kam es zur Enttabuisierung des Algerienkrieges?
Referenten:
Patrick Eveno (IDHE/Institutions et Dynamiques Historiques Economiques, Université Paris-I Panthéon-Sorbonne)
Jacques Floch (Député de la Loire-Atlantique; ancien Secrétaire d'État à la Défense, chargé des Anciens Combattants)
Kommentar:
Mechtild Gilzmer (Frankreich-Zentrum, Technische Universität Berlin)

12.00 - 13.00 Uhr: Mittagessen

Themenschwerpunkt Forschung und Lehre

13.00 - 15.30 Uhr:
Die Geschichtswissenschaft und die späte Entdeckung des Algerienkrieges: Von einem konfliktträchtigen Erinnern zur historiographischen Aussöhnung?
Referenten:
Daho Djerbal (Institut d'Histoire, Université d'Alger)
Guy Pervillé (G.R.H.I./Groupe de Recherche en Histoire Immédiate, Université Toulouse-II Le Mirail)
Kommentar:
Etienne François (Frankreich-Zentrum, Technische Universität Berlin)

15.30 - 15.45 Uhr: Pause

15.45 - 19.00 Uhr:
Der Algerienkrieg in den Schulbüchern: eine vergleichende Analyse

a. 15.45 - 17.15 Uhr: Schulbücher in Frankreich
Referenten:
Sandrine Lemaire (Lycée Européen Villers-Cotterets)
Frank Renken (Centre Marc Bloch, Berlin)
Kommentar:
Ute Daniel (Historisches Seminar, Technische Universität Braunschweig)

b. 17.30 - 19.00 Uhr: Schulbücher in Algerien
Referenten:
Hassan Remaoun (Centre de recherche en anthropologie sociale et culturelle, Université d'Oran)
Tayeb Chenntouf (Centre d'études et de recherches Maghreb et Méditerranée occidentale, Université d'Oran)
Kommentar:
Christiane Kohser-Spohn (Georg-Eckert-Institut für Internationale Schulbuchforschung, Braunschweig)

Abendessen

Sonntag, 8.2.2004

Themenschwerpunkt: Algerienkrieg und Deutschland - Eine Standortbestimmung

9.00 - 11.30 Uhr:
Geteilte Reaktionen in einem geteilten Land: Ost- und Westdeutschland während des Algerienkrieges

a. 9.00 - 10.15 Uhr: Die Bundesrepublik und der Algerienkrieg
Referent:
Jean-Paul Cahn (UFR des Lettres et Sciences humaines, Université Paris-XII Val de Marne)
Kommentar:
Mathilde von Bülow (University of Cambridge, DHI Paris)

b. 10.15 - 11.30 Uhr: Die DDR und der Algerienkrieg
Referent:
Fritz Taubert (UFR de Droit et de Sciences Politiques, Université Paris-XII Val de Marne)
Kommentar:
Edgar Wolfrum (Historisches Seminar, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg)

11.30 - 11.45 Uhr: Pause

11.45 - 13.00 Uhr:
Der Algerienkrieg - Auch ein Thema für die Wissenschaft außerhalb des franko-algerischen Raums?
Referent:
Hartmut Elsenhans (Institut für Politikwissenschaft, Universität Leipzig)
Kommentar:
Gilbert Meynier (UFR sciences historiques, Université de Nancy II)

Schlusswort: Christiane Kohser-Spohn (Georg-Eckert-Institut für Internationale Schulbuchforschung Braunschweig)

Mittagessen

Kontakt

Informationen und Anmeldung:
Christiane Kohser-Spohn
Tel.: 0531- 590 99-60
kohser-spohn@gei.de

http://www.gei.de
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