Formen der In-Diskretion

Formen der In-Diskretion

Veranstalter
Graduiertenkolleg "Die Figur des Dritten", Universität Konstanz
Veranstaltungsort
Ort
Konstanz
Land
Deutschland
Vom - Bis
08.10.2008 - 10.10.2008
Deadline
15.01.2008
Von
Robert Seyfert

Eine Diskretion kann als taktvolles Verhalten, aber zugleich auch als Geheimnistuerei gewertet werden. Indiskretion kann sich als Verletzung der Verschwiegenheit, Mangel an Taktgefühl und Verstoß gegen Höflichkeits- und Etiketteregeln darstellen, genauso wie umgekehrt als ‘aufklärerisches’ Handeln, sprich: im Sinne einer kritischen Aufdeckung geheimer Machenschaften fungieren. Die Beobachtung, dass Formen von Diskretion und Indiskretion historisch variant und sozialkontextuell relativ sind, führt zu der Frage nach ihren spezifischen Logiken und Strukturen. Wie unterscheiden sich die verschiedenen Kulturen der In-Diskretion voneinander, bzw. lassen sich evtl. generalisierte Schemata entdecken? Die Tagung möchte sich dem Versuch widmen, Formen und Strukturen von Diskretion und Indiskretion näher zu bestimmen; und zwar im Hinblick auf die Tragfähigkeit und Reichweite des Begriffs für kulturwissenschaftliche Analysen.

Bei dem Versuch, Phänomene von Diskretion und Indiskretion zu beschreiben, kommt zuerst einmal ihre wechselseitige Abhängigkeit in den Blick: Man kann nur dann etwas preisgeben, wenn es zuvor zu einem Geheimnis gemacht wurde; eine Taktlosigkeit lässt sich nur dann begehen, wenn (fast) alle wissen, was sich gehört. Aber auch umgekehrt gilt, dass allzu große Indiskretionen (Ununterschiedenheiten) den Wunsch nach Diskretion (Unterschiedenheit) hervorrufen können. Hier stößt man in einem zweiten Schritt auf die Begriffe von Geheimnis und Grenze: jenes wird gemacht bzw. gelüftet, diese etabliert bzw. übertreten.

In Sektion I sollen ‘Strukturen der Geheimhaltung’ und ‘Modalitäten der Grenzziehung’ behandelt werden. Gefragt wird nicht nur nach den Bedingungen, unter denen Geheimnisse und Grenzen konstituiert und übertreten werden, sondern auch nach dem spezifischen Verhältnis von Diskretion und Indiskretion zu Lust und Macht. Die lustvolle Neugierde am Auf- bzw. Verdecken des vermeintlich Geheimen und Verbotenen erweist sich als ebenso anziehend, wie die Mittel und Wege dahin: Dann erscheinen nicht so sehr die Informationen selbst, als ihr Erlangen oder Verbergen reizvoll, erfordern sie doch gleichermaßen Erfindungsreichtum, Geschicklichkeit und Raffinement. In Frage steht ebenso der Reiz des Verbotenen wie die Attraktivität des Geheimen und die Lust am Entlarven und Verbergen. Ebenfalls denkbar ist eine Untersuchung, die sich dem Phänomen des offenen Geheimnisses und dem Tabu beziehungsweise dem Tabubruch widmet.
Darüber hinaus können zurückhaltende Verschwiegenheit und unautorisierte Verlautbarungen von Informationen über zugleich ein- wie ausgeschlossene Dritte auf Machtstrukturen verweisen; und zwar deshalb, weil sie – teilweise auch mit Gewalt – auf deren Absicherung bzw. Übernahme abzielen. Macht ist das Stichwort, das den Begriff der Grenze ins Spiel bringt. Thematisierungen der Formen von Diskretion und Indiskretion rufen folglich dazu auf, Strukturen der Grenzziehungen und -überschreitung zu untersuchen: Wie werden kulturelle, soziale und rechtliche Grenzen etabliert, abgesichert und legitimiert? Unter welchen Umständen können deren Überschreitungen als legitim gelten? Konstituieren solche Grenzüberschreitungen möglicherweise wiederum Formen der Diskretion? Daran schließt sich auch die Frage nach den Strategien der Wertung an, die solche Grenzziehungen entweder als destruktives oder als produktives Moment erscheinen lassen. Erschließt man sich die Formen der Diskretion und Indiskretion ausgehend vom Begriff der Grenze, dann kann man die daran geknüpften Bewertungen im Hinblick auf die Gesellschafts-, Klassen-, und Geschlechterordnungen, die dabei entweder zerstört oder bestätigt werden, analysieren. Abhängig davon erscheint dann z.B. die Indiskretion als Bedrohung einer existierenden Ordnungsstruktur, also subversiv, oder als innovativ, insofern sie gesellschaftliche Grenzen neu zur Diskussion stellt und damit Veränderungen initiiert.

Sektion II widmet sich den Figurenkonstellationen und der Räumlichkeit von Diskretion und Indiskretion. Von unserem Rahmenprogramm her – der Figur des Dritten – ergibt sich natürlich eine besondere Aufmerksamkeit auf die tiadische Verfasstheit der indiskreten Rede/Schau. Ob sich Figuren von Diskretion und Indiskretion bestimmten sozialen Milieus zuordnen lassen, soll ebenso verhandelt wie die Frage nach dem Geschlechterverhältnis. Zur Diskussion steht ferner die Frage nach der Prominenz bestimmter Figuren, nach den damit einhergehenden Stereotypisierungen von Berufsbildern und/oder Gesellschaftsschichten und nach den kulturellen und epochenspezifischen Kategorien, die dabei von Einfluss sind. Was gewinnt oder verliert man, wenn man sich diskret oder indiskret verhält? Ebenfalls in dieser Sektion untersucht werden sollen typische Orte solchen Verhaltens, wie zum Beispiel Markt- und Waschplätze, Konferenzräume, Schlaf- und Bürozimmer oder die virtuellen Sphären des Internet: Eignen sich irgendwelche Räume besonders und welche Raumstrukturen und Symboliken zeichnen sich hier aus?

Sektion III beschäftigt sich mit der Gattungsaffinität und der Funktion von Formen der Diskretion und Indiskretion in verschiedenen Medien. Akte des Verbergens und Verratens haben in vielen literarischen Texten eine Initialfunktion: Sie sind handlungsauslösende Momente, treiben die Geschichte sowohl vorwärts und auf ihren Höhepunkt zu, als auch ihrem Endpunkt entgegen und sind in bestimmten Genres sogar der Motor des Erzählens: Welche Darstellungsverfahren werden dabei bevorzugt angewandt? Wie etwa werden solche Handlungen in Szene gesetzt und welche medienspezifischen Unterschiede lassen sich bei ihrer Inszenierung im Vergleich von Internet, Film und literarischen Texten beobachten? Welche Rolle kann dabei beispielsweise der Erzähler spielen? Und, gibt es so etwas wie eine Poetik des Vertrauensbruchs beziehungsweise der Verschwiegenheit?
Hierzu gehören auch moderne Kommunikationsmittel wie SMS und Email, die unbeabsichtigte Effekte der Indiskretion nach sich ziehen können. Man denke etwa an die cc und reply-to-all Funktion, das Verwechseln von Senden und Weiterleiten, oder ganz allgemein: die Kontingenz technologischer Vermittlungsprozesse.

Der Call for Papers richtet sich an alle Disziplinen der Kultur- und Sozialwissenschaften. Bitte schicken Sie ihre max. 1 DIN A4-Seiten lange Abstracts zu ihrem Themenvorschlag (Beiträge: 20 Minuten) bis zum 15. 01. 2008 zusammen mit einem kurzen Lebenslauf an eine der folgenden Email-Adressen oder an die angegebene Postanschrift:

Ansprechpartner:
Eva Esslinger (eesslinger@yahoo.de)
Charlton Payne (cgpayne@ucla.edu)
Florian Sedlmeier (Florian.Sedlmeier@uni-konstanz.de)
Robert Seyfert (Robert.Seyfert@uni-konstanz.de)

Programm

Kontakt

http://www.uni-konstanz.de/figur3
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Sprach(en) der Veranstaltung
Deutsch
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