Archiv für Mediengeschichte No. 11 "Takt und Frequenz"

Archiv für Mediengeschichte No. 11 "Takt und Frequenz"

Veranstalter
Bernhard Siegert (Weimar); Joseph Vogl (Berlin); Friedrich Balke (Weimar)
Veranstaltungsort
Ort
Weimar
Land
Deutschland
Vom - Bis
10.04.2011 -
Deadline
10.04.2011
Von
Gregor Kanitz

„Von t zu 1/t: Takt und Frequenz“

Mediengeschichte, die – wie es den programmatischen Zielen des Archivs für Mediengeschichte entspricht – über die Geschichte von Einzelmedien und insbesondere über Apparate-Geschichten hinausgehen will, fragt nach den Konstitutionsbedingungen, unter die Medientechniken und operative Formen der Medialität wissensgeschichtliche Formationen und kulturelle Praktiken stellen. Nur selten allerdings stellt die Medien-, Wissens- und Kulturgeschichtsschreibung ästhetische Inhalts- und Ausdruckssubstanzen oder die physikalische Materialität von Zeichenträgern in den Mittelpunkt der historischen Analyse epistemischer, ästhetischer, ökonomischer oder politischer Phänomene bzw. von Dispositiven der Macht.

Daher wird das 11. Heft des Archivs für Mediengeschichte der Frage gewidmet sein, welche Kontinuitäten und Brüche in Kunst, Wissenschaft und kulturellen Praktiken sichtbar werden, wenn man sie abbildet auf eine Wissens-, Technik- und Kulturgeschichte von Takt und Frequenz.

Während der Takt der Ordnung der Zeit und der Geschwindigkeit zugehört, in der er Rhythmisierungen, Skandierungen und Serialisierungen in den verschiedensten kulturellen Bereichen hervorbringt, ist Frequenz selbst definiert als der Kehrwert der Zeit (1/t). Eine (nicht mehr ganz neue) Vermutung ist, dass, während das 19. Jahrhundert das Jahrhundert der Geschwindigkeit war – orientiert an den Signallaufzeiten der elektrischen Telegraphie oder der
tierischen und menschlichen Nerven –, das 20. Jahrhundert das Jahrhundert der Frequenzen war – orientiert an der Eroberung des elektromagnetischen Spektrums. Indes lassen sich Belege beibringen, mit denen sich eine derart einfache Zäsursetzung bestreiten lassen. Johann Wilhem Ritter schrieb bereits 1803: „Aller Sinnesempfindung liegt Oscillation zum Grunde [...] In aller Zustandsänderung ist Oscillation begründet. [...] Kurz überall, wo nur etwas geschieht, geschieht es auch nothwendig oscillatorisch.“ William Turners späte Seestücke lösen den Raum der bildhaften Repräsentation in ein Feld oszillatorischer Sensationen auf, in denen die Materie erscheint als wäre sie zusammengesetzt aus Summen unendlich vieler Schwingungen, ähnlich wie sie Fourier um 1820 der Analyse der Wärme zugrundegelegt hat.

Weniger Chronologien und historische Periodisierungen mögen folglich im Fokus der erwünschten Beiträge zu diesem Heft stehen als Erwägungen, die sich am historiographischen Potential des Verhältnisses von Figur und Grund, Signal und Medium, Inhalts- und Ausdruckssubstanz orientieren. Während Takt und Rhythmus analysiert werden können als Artikulationen eines Signals, als Figurationen eines rohen Klang-, Farben- oder anderen Materials, ist Frequenz ein Parameter des Kanals selbst oder allgemein des Mediums. Von Interesse wären entsprechend Studien zu Beispielen aus dem Bereich der Literatur oder der bildenden Kunst, an denen sich ein Übergang von der Figur oder dem Zeichen zum Grund, zum Zeichenträger, zum Kanal diagnostizieren lässt, wo mithin nicht mehr die Aussage, die vollendete Repräsentation oder die Figur das Bild oder den Text ausmachen, sondern die Äußerung, die Figuration als unendlicher Prozeß oder das Werden. Wenn Elstir, der impressionistische Maler aus Prousts Recherche, der vor allem ein Maler von Seestücken ist, am Ende seines Lebens den Wunsch äußert, elektromagnetische Wellen malen zu können, so liegt hier ein solcher Übergang von der Welle als darstellbarem Gegenstand zur Welle als Grund von Darstellung überhaupt vor.

Indes erhoffen sich die Herausgeber Beiträge, die das mögliche Themenspektrum in seiner größtmöglichen Breite repräsentieren. So sind Takt und Rhythmus nicht allein Mittel, die Klangkörper artikulieren, sie sind auch Mittel der Lyrik, sie prägen Wahrnehmungsweisen, sie diktieren physiologische und biologische Prozesse, sie strukturieren Arbeitswelten, Verkehr, militärische Operationen oder den öffentlichen Raum. Frequenzen organisieren nicht nur das analoge Klangfarbenspektrum, das Feld der sichtbaren und unsichtbaren Farben und den Spektralraum des elektromagnetischen Äthers, dessen nachrichtentechnische und militärische Bedeutung bekannt ist; in einer episteme der Wahrscheinlichkeiten organisieren sie auch die Räume diskreter Zeichenelemente wie zum Beispiel den der Kryptoanalyse.

Beiträge, die sich einem dieser Themen oder verwandten Überlegungen widmen, sind den Herausgebern und der Redaktion des "Archivs für Mediengeschichte" höchst willkommen. Sie sollten 30.000 Zeichen nicht überschreiten und bis zum 31. August vorliegen. Wir erbitten Kurzfassungen (Abstracts, Exposés) bis zum 10. April 2011 an die Redaktion (gregor.kanitz[@]uni-weimar.de).

Programm

Kontakt

Gregor Kanitz

Internationales Kolleg für Kulturtechnikforschung und Medienphilosophie

gregor.kanitz[@]uni-weimar.de

http://www.uni-weimar.de/cms/medien/projekte/archiv-fuer-mediengeschichte.html