screen strike! Gender, Medien, Kritik

screen strike! Gender, Medien, Kritik

Veranstalter
Arbeitsgruppe „Gender & Medien“ der Gesellschaft für Medienwissenschaft (GfM)
Veranstaltungsort
Semperdepot
Ort
Wien
Land
Austria
Vom - Bis
10.05.2012 - 12.05.2012
Deadline
15.11.2011
Von
Hedwig Wagner

Was kommt nach dem Postfeminismus in Gender Studies und Medienwissenschaft?
Welche Befunde lassen sich an der Schnittstelle medialer und geschlechterpolitischer Ordnungen aktuell ausmachen?
Welche Rolle spielen Begriffe wie „Ermächtigung“, „agency“ und „choice“ in der aktuellen Medien- und Populärkultur?

Hintergrund
An der Schnittstelle von Medienwissenschaft und Gender Studies wurden in der Vergangenheit äußerst produktive Instrumente entwickelt, um nicht nur Geschlechterdarstellungen in Medien, sondern auch die medialen Anteile innerhalb von Geschlechterentwürfen und -konzepten zu untersuchen. Medien wurden dabei als „Technologien des Geschlechts“ (de Lauretis) untersucht und kritisiert. Gefragt wurde aber auch, welches Geschlechterwissen in Technologien einfließt oder in welcher Weise Techniken der Selbstführung auf Medien basieren. Es ist der komplexe Zusammenhang von Diskursen, Ästhetik, Gesellschaft und Technik, den die Gender Studies anhaltend befragen, und der auch für die Medienwissenschaft zentral ist.
Seit den Diskussionen um die Schriften von Teresa de Lauretis oder Judith Butler, von denen seit den 1990er Jahren zentrale Impulse für die Gendertheorie ausgingen, hat das Nachdenken über den Zusammenhang von prozessual verstandenen Selbsttechnologien, sozialen Technologien und Medientechnologien weitreichende Verschiebungen erfahren. Die theoretischen Grundpfeiler der Gender Studies wie Diskursanalyse, Performativitätsanalyse und Dekonstruktion haben spezifische Versionen dieses Verhältnisses bereitgestellt, die in jüngster Zeit in verschiedener Hinsicht befragt werden. Von besonderer Relevanz scheint für die Gender Studies vor allem das Hinterfragen des Kritikpotentials dieser Ansätze. War dieses in den 1990er Jahren noch Gegenstand einer internen Auseinandersetzung in der Frauen- und Geschlechterforschung, so ist diese interne Debatte einer umfassenderen Diskussion gewichen, in der poststrukturalistische Methoden und Analyseverfahren einer kritischen Revision unterzogen werden. Aus kulturwissenschaftlicher Perspektive wird bezweifelt, ob der Gestus der Distanznahme und der Fokus auf die Prozesshaftigkeit von Bedeutungsproduktionen aktuell noch eine angemessene Form der kritischen Intervention in hegemoniale Diskurse darstellen können. Auch aus der Sicht der Governmentality Studies wird das kritische Potenzial der für die Gender Studies bislang zentralen Theoriegebäude (Diskursanalyse, Dekonstruktion) mittlerweile bezweifelt. Dabei wird konstatiert, dass die aktuellen gesellschaftspolitischen Entwicklungen mit einer Theoriebildung, die an Fragen der Normierung (und deren Überschreitung) ausgerichtet ist, nicht mehr einzuholen wären. Es wird argumentiert, dass neoliberale Formen der Selbstregierung sich dadurch auszeichnen würden, dass sie Distinktion statt Konformität, Überschreitung statt Regelbefolgung fordern.

‚Anders’ zu sein, sich selbst zu vervielfältigen, sich neu zu erfinden, seien nicht länger als Auswege oder als subversive Praxis zu betrachten, sondern seien mittlerweile selbst Teil des Systems.
Aus der Sicht der Gender Studies ist dieser Befund, besonders mit Blick auf aktuelle Reality-TV-Formate, TV-Serien, Filmproduktionen, Sendeplätze, Online-Medien, Games etc., zu befragen. Wird hier die Abweichung zur Norm oder verschiebt sich nur das Verhältnis von Norm und Abweichung? Lässt sich mit dem feministischen Vokabular der ‚agency’ und des ‚empowerment’ unter diesen veränderten Bedingungen noch operieren? Oder sind diese längst in aktuelle Subjektivierungsimperative eingegangen? Wie lässt sich politische Kritik an herrschenden Geschlechterverhältnissen in den Medien formulieren ohne mit zeitgeistigen Distinktionsformen verwechselt zu werden?
Gender, Medien, Kritik – die Frage nach dem Kritikpotenzial von Gender Studies und Medienwissenschaft gerät somit in den Blick. Wenn die Abweichung zur Norm wird, wo ist dann der Ansatzpunkt für Kritik? Haben die Gender Studies das Konzept der ‚agency’, d.h. einer Handlungsmacht durch verschiebende Wiederholung, womöglich zu positiv und optimistisch eingeschätzt? Haben sie übersehen, dass gerade die Bereitstellung von Handlungsmöglichkeiten einen wesentlichen Faktor liberaldemokratischer Gesellschaften darstellt? Und dass es schon in Foucaults Sexualitätsdispositiv nicht um die Einschränkung, sondern vielmehr um Anreizung, Bereitstellung und Ermöglichung von Verhaltensweisen und Lüsten ging? In welchem Verhältnis stehen Feminismus und neoliberale Verschiebungen der Geschlechterdifferenz als Ressource der Selbstverwirklichung? Selbst wenn es nicht einen einzigen, gesicherten Ort der Kritik und Analyse von Medien geben kann, stellt sich aktuell die Frage, ob die für die Gender Studies bislang zentralen Strategien der Verflüssigung und der Vervielfältigung der Geschlechterentwürfe als ein politisches Instrument weiterhin gewinnbringend sind, und dem aktuellen Flexibilisierungsimperativ etwas entgegensetzen können.

Zentrale Fragestellungen
Die Kritik steht offenbar vor der Aufgabe, anders ‚anders’ zu sein. Wie aber könnte dies aussehen? Und wie wäre die in jüngster Zeit viel diskutierte Frage der verteilten Handlungsmacht, die nicht mehr nur humanen Akteuren, sondern auch Akteuren im Übergang von Mensch, Ding und Artefakt zugesprochen wird, für die Gender Studies zu operationalisieren?
Folgenden Fragen soll im Rahmen der Tagung nachgegangen werden:
-Haben die medienwissenschaftlichen Gender Studies die Frage der Technik bislang zu sehr vernachlässigt? Wie verändert sich der Blick auf Medien, wenn diese nicht mehr als Dispositive, sondern als Netzwerke von humanen und nicht-humanen Aktanten angesehen werden?
-Welche Öffnungen ergeben sich aus der Aufhebung der Trennung von nicht-/humanen Aktanten für benachbarte Dichotomien (Subjekt/Objekt, Passivität/Aktivität, Handeln/Behandeln), die die Gender Studies ebenso seit langer Zeit in den Blick nehmen und problematisieren?
-Welche Interventionsmöglichkeiten ergeben sich vor dem Hintergrund oben beschriebener Vereinnahmungen diversifizierter Praxis- und/oder Analysemodelle?
-Inwiefern haben die aktuellen Fragestellungen von Gender Studies und Medienwissenschaft bestehende Herrschaftsverhältnisse aus dem Blick verloren, beispielsweise im Hinblick auf eine zunehmende Prekarisierung der Lebens- und Arbeitsbedingungen (nicht nur) von Frauen?
-Und nicht zuletzt: An welche feministischen Utopien wäre heute noch bzw. wieder anzuknüpfen? Gibt es neue Entwürfe, Ideen, Visionen und wie könnten sie aussehen?

Programm

Einreichungen
Ausgehend von diesen Fragestellungen sollen im Rahmen der Tagung Beiträge aus unterschiedlichen Perspektiven versammelt werden. Herangehensweisen, die methodisch oder theoretisch argumentieren sind ebenso willkommen wie solche, die konkrete mediale Formate (Filme, Websites, Games, Serien, TV-Formate etc.) thematisieren.
Folgende Bereiche und Disziplinen (Liste nicht erschöpfend) sind als Hintergrund der Vortragsvorschläge denkbar:
- Feministische Film-, Fernseh-, Medienwissenschaft
- Queer Theory
- Medienwissenschaftliche Governementality Studies
- Gender Media Studies
- Film- und Fernsehgeschichtsforschung
- Performativitätstheorie
- Feministische Medienpraxis und Medienaktivismus
-Postcolonial Studies

Call for Papers: Bitte schicken Sie uns ein Abstract von 300 - max. 500 Wörtern zum geplanten Vortrag sowie einen Kurz-CV incl. Angabe der wichtigsten Veröffentlichungen.
Call for Panels: Bitte schicken Sie uns Abstracts mit ca. 200 Wörtern zum Panelkonzept und den jeweiligen Einzelvorträgen des Panels sowie Kurz-CVs aller Beteiligten incl. Angabe der wichtigsten Veröffentlichungen.
Call for Workshops: Bitte schicken Sie uns ein Abstract zum geplanten Workshop (offenes Format, je nach Konzept der Einreichenden) und Kurz-CV incl. Angabe der wichtigsten Veröffentlichungen.

Einsendeschluss für die Abstracts ist der 15. November 2011.
Mailadresse: synema@chello.at

Wir freuen uns auf Ihre Einsendungen!

Das Organisationsteam:
Andrea B. BRAIDT (Akademie der bildenden Künste Wien)
Angela KOCH (Institut für Medien, Kunstuniversität Linz)
Brigitte MAYR (Synema. Gesellschaft für Film und Medien, Wien)
Sabine NESSEL (Institut für Theaterwissenschaft, FU Berlin)
Andrea SEIER (Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft, Universität Wien)
Hedwig WAGNER (Europäische Medienkultur, Bauhaus Universität Weimar)

Kontakt

Hedwig Wagner

Bauhaus-Universität Weimar
Bauhausstr.11, 99423 Weimar
03643/583705
03643/583751
hedwig.wagner@uni-weimar.de

http://www.uni-weimar.de/cms/medien/europaeische-medienkultur/personen.html
Redaktion
Veröffentlicht am
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Land Veranstaltung
Sprach(en) der Veranstaltung
Deutsch
Sprache der Ankündigung