In Europa im Allgemeinen und in Mitteleuropa im Speziellen lassen sich unterschiedlichste Wechselwirkungen zwischen Medien und Macht beobachten. Sei es der vermeintliche Einfluss privater Boulevardblätter auf die öffentliche Meinungsbildung, das hitzig diskutierte ungarische Mediengesetz oder andere Regelungs- und Einflussversuche der Politik gegenüber den Öffentlich-Rechtlichen Sendeanstalten – diese Beispiele stecken nur einen Bruchteil dessen ab, was im Verhältnis von Medien und Macht eine Rolle spielt: Wirkungsforschung, rechtliche Rahmenbedingungen und politische Zielsetzungen.
Doch darüber hinaus sind Erscheinungen von Medien und Macht viel häufiger zu beobachten als in diesen konkreten Situationen. Der Diskurs beider Begriffe zeigt, dass ihre Vielfältigkeit sich nicht bei der Betrachtung von Tageszeitungen und Fernsehprogramm unabhängig vom zeitlichem Rahmen erschöpft. Vielmehr ist die Gesellschaft kontinuierlich von unterschiedlichsten Macht- und Medienformen umgeben. Diese stellen die nun über 20-jährigen Demokratien Mitteleuropas im Hinblick auf die Europäische Integration und Europäisierung vor besondere Herausforderungen. Die Gesellschaften scheinen im Spannungsfeld langer Diktaturerfahrung und anhaltender gesellschaftlicher Transformation besonderen Herausforderungen ausgesetzt. Daher dominieren offenbar Kommunikation von (historischer) staatlicher Unabhängigkeit genauso wie Betonung von „Fremdeinflüssen“ innerhalb der Gesellschaften, um so Machtzentralisierung durch Erinnerungsmedien zu erreichen. Der Umgang mit diesen Entwicklungen im restlichen Europa, das heißt die Diskussionen und die Resonanz gegenüber den Akteuren Mitteleuropas zeigt gleichfalls ein Spannungsverhältnis von Macht und Medien. Womit sich das Thema öffnet für eine Betrachtung durch unterschiedlichste Fachdisziplinen.
Dabei soll ein theoretischer Austausch von Definitionen dieser Begrifflichkeiten keineswegs zu kurz kommen. Im Gegenteil: Beide Begriffe sind facettenreich und abhängig von der Betrachtungsweise lassen sie sich unterschiedlich theoretisch erschließen. Diskutiert wird weiterhin, in welcher Weise normative und deskriptive Medien- sowie Machtvorstellungen zueinander stehen. Ebenso soll die teilweise eindimensionale Besetzung der Begriffe thematisiert werden: Ist Macht gleich Politik? Oder ist Wirtschaft Macht? Bedeutet Macht immer Zwang beziehungsweise Gewalt? Wie sehr lassen sich Medien auf die reinen Verbreitungsmedien wie Rundfunk, Fernsehen und Internet beschränken? Diese und andere Fragen werden bereits in einem eintägigen Workshop vor der Konferenz debattiert. Im besonderen Fokus soll dabei Mitteleuropa stehen. Existieren hier Besonderheiten und wenn ja, wie lassen sie sich spezifizieren? Gefragt wird daher nach den besonderen historischen Machtdispositionen in Mitteleuropa, die konkrete Fallbeispiele hervorgebracht haben, wie Medien Machtpositionen vereinnahmen und wie Macht medialisiert, inszeniert und sichtbar gemacht werden kann. Nicht zuletzt sehen wir diese Prozesse im Kontext einer Gesellschaft des Spektakels (Giorgio Agamben) eingebettet. Diesbezüglich sollen im Rahmen der Konferenz auch spezifische Phänomene im Alltag von Heute und der Vergangenheit beobachtet, diskutiert und kritisch hinterfragt werden.
Final sollen die Diskussionen der Konferenz, fundierend auf dem theoretischen Rahmen, die Einordnung von aktuellen Prozessen sowie historischen Gesellschaftsentwicklungen seit 1650 ermöglichen.
Fragestellungen können sein:
Wie gestaltet sich das Verhältnis zwischen Macht und Sichtbarkeit in den Wirtschafts-, Politik-, Kultur-, Rechts- und Geschichtswissenschaften in Mitteleuropa, bzw. wie wird es analysiert?
Ist im mitteleuropäischen Raum länderübergreifend ein Anwachsen medialer Inszenierungen zu beobachten? Gibt es ggf. gemeinsame Merkmale, welche können das sein?
Welche Medienformen benutzt die Macht, um ihre Ideologien zu verbreiten? Gibt es dabei mitteleuropäische Besonderheiten?
Wie werden Medien analysiert, kategorisiert bzw. eingebettet und welche Grundannahmen liegen den unterschiedlichen Methoden zugrunde?
Kann gesellschaftliche Kommunikation kontrolliert werden und wenn ja, welche Wege wurden in Mitteleuropa beschritten?
Was bindet Medien an oder entfesselt Medien von politischer Macht im Allgemeinen sowie in Mitteleuropa im Besonderen?
Welche Folgen bestehen für Bürokratien bei der Entwicklung von Gleichzeitigkeit durch die Medien?
Wie lässt sich das Verhältnis von Wirtschaft und Politik beschreiben? Wie wird Macht in diesem Verhältnis kommuniziert?
Wir bitten um Zusendung von Themenvorschlägen mit einem Exposé von 1-2 Seiten (max. 5000 Zeichen inkl. Leerzeichen) in Englisch und Deutsch bis zum 16. Juni 2013 an Timea Djerdj / Fabienne Gouverneur / Patrick Jajko unter macht.medien.mitteleuropa@gmail.com.
Gerne stehen wir auch für weitere Fragen zur Verfügung. Über die Annahme der Vorschläge wird bis zum 30. Juni 2013 entschieden.
Stipendien für die Teilnahme am Doktorandenworkshop:
Es werden unter den NachwuchswissenschaftlerInnen 5 Autumn-Stipendien in der Höhe von jeweils 145.000 HUF ausgeschrieben, zusätzliche Reise- und Unterkunftskosten können nicht erstattet werden. Damit das Stipendium an die ausgewählten Personen gezahlt werden kann, muss bis 1. September 2013 ein publikationsfertige Working Paper mit wesentlichen Diskussionsfragen des Vortrages in einer Länge von Mindestens 50 000 Zeichen (inkl. Fußnoten und Leerzeichen) vorliegen. Bis 30. Juni 2013 werden die Bewerberinnen und Bewerber über die Teilnahme und die Annahme zum Stipendium informiert.