20 Jahre nach der deutschen Asylrechtsreform: Niedergang oder Transformation des Flüchtlingsschutzes?

20 Jahre nach der deutschen Asylrechtsreform: Niedergang oder Transformation des Flüchtlingsschutzes?

Veranstalter
Dr. J. Olaf Kleist / Apl. Prof. Dr. Jochen Oltmer, Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS), Universität Osnabrück
Veranstaltungsort
Deutsches Historisches Museum, Auditorium im I.M. Pei Bau,
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Vom - Bis
28.06.2013 -
Von
Dr. J. Olaf Kleist, Apl. Prof. Dr. Jochen Oltmer

Aus Anlass des zwanzigsten Jahrestages der bundesdeutschen Asylrechtsreform wird diese Tagung sowohl renommierte als auch junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus diversen Disziplinen und Ländern zusammenbringen, um die Geschichte und Gegenwart des politischen Asyls in Deutschland und Europa neu zu beleuchten. Dabei stehen insbesondere die Entwicklung des politischen Asyls in Deutschland, die gegenwärtige Asylpolitik in Europa sowie die Erfahrungen und Situationen von Flüchtlingen im Mittelpunkt. Ziel ist die Wiederbelebung der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit internationaler Zwangsmigration, Flucht und Asyl in der deutschen Forschung.

Am 1. Juli 1993 trat die Änderung des Asylartikels 16a im Grundgesetz in Kraft, der eine jahrzehntelange, kontroverse Debatte über die bundesdeutsche Verantwortung für Flüchtlinge vorausgegangen war. Kritiker der Reform sprachen von der faktischen Abschaffung des liberalen Rechts auf politisches Asyl während die Befürworter ihr Ziel insofern erreicht sahen, als in den folgenden Jahren die Anzahl der Asylbewerber zunächst drastisch, dann kontinuierlich abnahm. Obwohl inzwischen nur noch rund ein Zehntel so viele Anträge auf Asyl gestellt werden wie zur damaligen Hochzeit, ist Deutschland heute noch immer das weltweit viert wichtigste Zielland für Asylbewerber, deren Zahl seit einigen Jahren wieder leicht ansteigt. Flüchtlinge, vor allem aus Asien, Afrika und Südosteuropa, suchen auf zum Teil widrigsten Wegen Schutz in Europa allgemein und in Deutschland im Speziellen. Dabei haben sich in den letzten 20 Jahren die Bedingungen der Zuflucht mit den politischen Rahmenbedingungen drastisch verändert. Von einer vermeintlich peripheren Lage ist Deutschland in die Mitte eines europäischen Grenzregimes gerückt. Dabei wird das Prinzip der 1993 eingeführten ‚sicheren Drittstaatenlösung‘ inzwischen sowohl innerhalb der Schengengrenzen, als auch mit außereuropäischen Nachbarn wie Libyen und der Ukraine praktiziert. Asylbewerber werden transferiert und rückgeführt, aber auch innerhalb Deutschlands zwischen regionalen Lagern verschoben. Zugleich entstand ein europäisches Asylsystem, das zum einen, aufbauend auf einer größeren menschenrechtlichen Basis, mehr und neue Fluchtgründe anerkennt. Zum anderen sind zeitgleich die Hindernisse auf dem Weg zu einem solchen Schutz durch Abschottung der Grenzen und Verfahrensschikanen für Asylbewerber immer schwieriger zu überwinden und zumal gefährlicher geworden.

Nachdem vor 20 Jahren mit der Asylrechtsreform ein Schlussstrich unter eine der heftigsten Debatten der Bundesrepublik Deutschland gezogen wurde, sind sowohl die akademische als auch die öffentliche Auseinandersetzung mit der Asylpolitik und der Situation von Flüchtlingen weithin zum Erliegen gekommen. Es ist nun an der Zeit, die Politik und Praxis des Asyls wieder auf den Prüfstand zu stellen und dabei sowohl in die Geschichte, die Gegenwart als auch die Zukunft des Flüchtlingsschutzes zu blicken. Was sind die langfristigen Auswirkungen der Grundgesetzänderung gewesen? Welche Konsequenzen hat die heutige Asylpolitik sowohl für undokumentierte Migranten als auch für die deutsche und europäische Gesellschaft. Hat Asyl eine Zukunft als Flüchtlingsschutz? Eine Politik, an der nicht nur unzählige Schicksale von Menschen hängen, sondern an der sich auch ein gesellschaftliches Selbstverständnis Deutschlands und Europas ausweist, bedarf einer verstärkten akademischen und öffentlichen Auseinandersetzung. Diese Tagung, die Forscher aus diversen Disziplinen zusammenbringt, soll dazu dienen, den Stand der Asylpolitik zu dokumentieren und Wege aufzeigen, für die zukünftige wissenschaftliche und politische Beschäftigung mit Asyl und Flüchtlingsschutz.

Weitere Informationen und Anmeldung:
www.fluechtlingsforschung.net

Programm

Programm

8:30-9:00 Registrierung, Kaffee

9:00-9:30
Begrüßung Apl. Prof. Dr. Jochen Oltmer (IMIS, Universität Osnabrück)

Einleitung Dr. J. Olaf Kleist (IMIS, Universität Osnabrück)

9:30-10:30 Keynote

Prof. Dr. Guy S. Goodwin-Gill
(All Souls College, University of Oxford)
What is ‘asylum’?

10:30-11:00 Kaffee / Tee

11:00-13:00 Panel I: Asyl in Deutschland im Rückblick (Moderation: Jochen Oltmer)

Dr. Yvonne Rieker,
(Ruhr Universität Bochum / Universität Osnabrück)
Asylrecht und Asylgewährung im Europa der Zwischenkriegszeit – transnationale Rechtsfragen und politische Handlungsfelder

Dr. Patrice G. Poutrus
(Simon-Wiesenthal-Institut für Holocaust-Studien, Wien)
Von Beginn an umstritten. Asylrecht, Asylpolitik und Asylpraxis in der frühen Bundesrepublik (1949 – 1976)

Prof. Dr. Ursula Münch
(Akademie für Politische Bildung, Tutzing)
Asylpolitik unter dem Eindruck steigender Asylbewerberzahlen – Asylgewährung in den 1980er und 1990er Jahren

Dr. Reinhard Marx
(Rechtsanwalt, Frankfurt am Main)
Asylrechtsreform 1993 aus der Sicht von 2013

13:00-14:00 Mittagspause

14:00-15:30 Panel II: Die Politik des Asyls in Europa (Moderation: Guy S. Goodwin-Gill)

Dr. Nora Markard
(Universität Bremen / Columbia University, New York)
Disparate Minimum Protection Standards: The Qualification Directive

Evangelia (Lilian) Tsourdi, L.L.M.
(Université libre de Bruxelles / Université catholique de Louvain)
The Common European Asylum System under strain: the case of the Greek asylum system

Assist. Prof. Dr. Maarten Den Heijer
(University of Amsterdam)
Shifting migration control – a legal perspective

15:30-16:00 Kaffee/Tee

16:00-18:00 Panel III: Die Situation von Flüchtlingen (Moderation: J. Olaf Kleist)

Dr. Franck Düvell
(University of Oxford)
Refugees on the margins of Europe: their legal, social and economic situation and modes of entry to the EU

Dr. Nando Sigona
(University of Birmingham / University of Oxford)
Impossible refugees: the Roma at the margins of the EU asylum system

Dr. Tobias Pieper
(Opferperspektive, Berlin)
Das Flüchtlingslagersystem in Deutschland

Dr. Liza Schuster
(City University London)
The Consequences of Deportation: Death, Debt and Desolation

18:00-18:30 Snacks und Getränke

Kontakt

J. Olaf Kleist

IMIS, Universität Osnabrück

j.olaf.kleist@outlook.com

http://www.fluechtlingsforschung.net
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Veröffentlicht am
Beiträger
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Sprach(en) der Veranstaltung
Englisch, Deutsch
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