Das geteilte Deutschland im Schulbuch. Die Darstellung des Kalten Krieges am Beispiel Deutschlands in den (Geschichts-) Schulbüchern von 1945 bis in die Gegenwart

Das geteilte Deutschland im Schulbuch. Die Darstellung des Kalten Krieges am Beispiel Deutschlands in den (Geschichts-) Schulbüchern von 1945 bis in die Gegenwart

Veranstalter
Université de Lorraine, Metz
Veranstaltungsort
UFR Arts, Lettres et Langues Université de Lorraine Ile du Saulcy - CS 70328 57045 Metz cedex 01
Ort
Metz
Land
France
Vom - Bis
18.06.2015 - 20.06.2015
Deadline
21.12.2014
Von
Ulrich Pfeil

Die Geschichte Europas nach 1945 wurde durch den Ost-West-Konflikt dominiert, der eine ideologische Auseinandersetzung zwischen zwei großen politischen und sozio-ökonomischen Systemen war. Dieser Antagonismus war mehr als ein Konflikt um Macht und Sicherheit, sondern immer auch ein Streit um Überzeugungen, Kulturen und Ideologien, der von beiden Seiten mit großer Intensität, bisweilen gar mit Hysterie ausgetragen wurde. Diese ideologische Rivalität wirkte auf das internationale System von außen nach innen, konzentrischen Kreisen gleich, und hatte nachhaltige Rückwirkungen auf die betroffenen Gesellschaften. Sie entwickelte sich schnell zur Inkarnation einer allumfassenden politischen, ideologischen, technologischen und wissenschaftlichen Konfrontation, deren Konsequenzen bis in das Alltagsleben zu spüren waren. Während innerhalb der Blöcke friedensfördernde Mechanismen entstanden, legte sich über die europäischen Nachkriegsgesellschaften eine aggressive Kultur des Kalten Krieges, die ihre Beschränkung einzig im Gleichgewicht des Schreckens fand.

Wenn wir also davon ausgehen, dass der Kalte Krieg alle betroffenen Gesellschaft tief beeinflusste, dass er alle gesellschaftlichen Bereiche betraf und bis heute sichtbare Spuren hinterließ, dann gilt es nach den Repräsentationen, Emotionen, mentalen Dispositionen und den Bedingungen dieser Ideologieproduktion zu fragen, denn nur so kann es uns gelingen, die sozio-kulturellen Rückwirkungen des Konflikts auf die jeweiligen Gesellschaften zu verstehen. Da der Kalte Krieg in vielerlei Hinsicht ein Krieg der Worte und Bilder war, erscheint es uns von besonderem Interesse, die unterschiedlichen kulturellen Felder zu untersuchen, die sich zu Waffen dieser Auseinandersetzung entwickelten und damit auch Orte der Ideologieproduktion waren, u.a. auch die Schule.

Heute gehört die Erinnerung an den Kalten Krieg im doppelten Sinne zur geteilten europäischen Erinnerung, sie ist einerseits gemeinsam, andererseits geteilt. Europäische Schulbücher während und nach Ende des Kalten Krieges zu analysieren ist daher ein fruchtbares Forschungsfeld, um die verschiedenen Perzeptionen des Antagonismus und den Platz zu evaluieren, den die Auseinandersetzung heute in den jeweiligen Ländern einnimmt. Schulbücher sind dabei eine besondere Quelle, denn sie reflektieren in der Regel die Verbindungen, die ein Land zu seiner eigenen Geschichte unterhält. Als „nationale Autobiographien“ (Wolfgang Jacobmeyer) spiegeln sie gesellschaftliche Identitäten und ihre Repräsentationen. Sie können als Album von Selbstbildern gelten, aber zeigen auch, welchen Eindruck Gesellschaften vom Anderen haben. Schulbücher wie auch Unterricht im Allgemeinen haben dabei den Anspruch, die Jugend eines Landes mit der Gesellschaft vertraut zu machen, in der sie leben und später vielleicht Verantwortlichkeiten übernehmen sollen.

So erscheint es uns reizvoll, die Repräsentationen des geteilten Deutschlands zwischen 1945/49 und 1990 in vergleichender Perspektive zu analysieren. Schulbücher aus der hier gewählten Periode und aus den Ländern westlich und östlich des ehemaligen Eisernen Vorhangs zu untersuchen, verspricht Rückschlusse auf die Rolle des Kalten Krieges bei der Konstruktion einer nationalen Erinnerung. So stellen sich u.a. die Fragen, in welchem Maße sich die nationale Geschichte eines Landes über den Kalten Krieg erklären lässt und welche Dokumente (Texte, Photos, Karikaturen, Schemata, Karten usw.), Ereignisse (z.B. Potsdamer Konferenz, 17. Juni 1953, Mauerbau und Mauerfall, Kuba-Krise, Prager Frühling, die NS-Vergangenheit in der memoriellen Auseinandersetzung) und unausweichliche Begriffe zu berücksichtigen sind, um dieses Thema in den verschiedenen Ländern zu diskutieren.

Zudem erscheint es uns wichtig, die Darstellung von Deutschland in den Schulbüchern zu beleuchten, die nach 1990 bzw. dem Ende des Kalten Krieges erschienen sind, um die Entstehung einer neuen Erinnerung besser zu verstehen. Außerdem soll es bei unserer Veranstaltung nicht alleine um nationale Schulgeschichtsbücher, sondern auch um bi- und multinationale Ausgaben gehen (das europäische Schulgeschichtsbuch von 1992, das deutsch-französische Schulgeschichtsbuch, das neue deutsch-polnische Schulgeschichtsbuch, das Balkan-Schulgeschichtsbuch und das gemeinsame Mittelmeerschulgeschichtsbuch). In welchem Maße sind sie Initiativen, um eine neue übernationale bzw. europäische Erinnerung zu konstruieren?

Bei der Analyse zum Platz, zum Gewicht und zur Interpretation des Kalten Krieges in europäischen Schulbüchern können wir uns nicht auf den Geschichtsunterricht beschränken, denn dieser Konflikt fand seinen Niederschlag z.B. auch in Deutsch- und Geographielehrbüchern. Mitgedacht sollte auch werden, dass Schulbücher und Lehrpläne nicht zwangsläufig die Realität in den Klassenzimmern spiegeln. Sie geben mehr oder weniger detailliert einen Rahmen vor, der Rückschlüsse dafür liefert, was zu einem bestimmten Zeitpunkt behandelt werden soll. Interessant ist dabei in unserem Zusammenhang, dass in Frankreich der Begriff „Kalter Krieg“ in den Lehrplänen der Sekundarstufe erst im Jahre 1969 auftaucht. In England werden die Inhalte für alle Fächer seit 1989 von einem nationalen Programm definiert, das den Weltkriegen und ihren Folgen nur einen geringen Platz einräumt. Schulbücher, die von Ministerien anerkannt werden können/müssen (in Deutschland durch die Bundesländer), in Frankreich aber nur in der Verantwortung der Schulbuchverlage liegen, sollen die Lehrinhalte für die Schüler verständlich und zugänglich machen und dem Lehrer für den Unterricht als Unterstützung dienen. Letzterer, gewollt oder ungewollt, je nach seiner Auffassung und seiner Erfahrung, trägt dazu bei, die Geschichte zu interpretieren, was schließlich nur subjektiv sein kann. Vergessen werden sollte auch nicht, dass das Gewicht von Unterricht und Schulbüchern – je nach Fach und kulturellen, historischen und edukativen Kontext – erheblich variieren kann, so dass in dieser Veranstaltung auch Rückschlüsse aus diesen Vergleichen gezogen werden soll.

Unser Call for paper richtet sich sowohl an erfahrene als auch an junge Wissenschaftler aus dem Bereich der Geisteswissenschaften. Die Vorträge können in deutscher oder französischer Sprache gehalten werden und sollten 20 Minuten nicht überschreiten, um Platz für eine Diskussion zu lassen. Die Struktur der Veranstaltung wird von den eingegangenen Vorschlägen abhängig sein. Eine Publikation ist für das Jahr 2016 geplant. Kosten für Reise und Unterbringung werden nach Maßgabe der eingeworbenen Drittmittel erstattet.

Bitte senden Sie Ihren Themenvorschlag, eine Zusammenfassung Ihres Vortrages (2500 Zeichen) sowie einen Lebenslauf bis zum 21. Dezember 2014 an Franziska Flucke (f.flucke@web.de).
Der wissenschaftliche Beirat dieser Veranstaltung wird dann über die eingegangene Vorschläge entscheiden. Ihm gehören Corine Defrance, Franziska Flucke, Bärbel Kuhn und Ulrich Pfeil an.

Programm

Kontakt

Franziska Flucke

UFR Arts, Lettres et Langues Université de Lorraine Ile du Saulcy - CS 70328 57045 Metz cedex 01

f.flucke@web.de

http://cegil.univ-lorraine.fr/
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Land Veranstaltung
Sprach(en) der Veranstaltung
Französisch, Deutsch
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