Beobachten - Darstellen - Vermitteln. Der wissenschaftliche Blick in der Neuzeit // Observing - Depicting - Disseminating. The Scientific Perspective in the Modern Period

Beobachten - Darstellen - Vermitteln. Der wissenschaftliche Blick in der Neuzeit // Observing - Depicting - Disseminating. The Scientific Perspective in the Modern Period

Veranstalter
Zentrum für Wissenschaftsgeschichte, Karl-Franzens-Universität Graz
Veranstaltungsort
Ort
Graz
Land
Austria
Vom - Bis
07.05.2015 - 09.05.2015
Deadline
01.02.2015
Von
Janisch, Clemens; Gebke, Julia; Meixner, Florian; Durlacher, Thomas

Zur Feier seines 10jährigen Jubiläums lädt das interdisziplinäre Zentrum für Wissenschaftsgeschichte der Karl-Franzens-Universität Graz zu einem zweitägigen Symposium ein und will sich dem Themenfeld "Beobachten, Darstellen, Vermitteln" in seiner wissenschaftshistorischen Dimension widmen.

Der reformierte Pfarrer, Bibliothekar und Naturforscher Jean Senebier (1742-1809) beschrieb 1776 in seiner Preisschrift zur Vorgehensweise bei naturwissenschaftlichen Beobachtungen sein Ideal eines Naturforschers folgendermaßen:

"[…] für den Beobachter, der die Menschen aufklären will, ist es nicht genug, eine Erscheinung bemerkt zu haben; man muß sie auch den Sinnen derjenigen darstellen, die nicht beobachten, und durch sein Beyspiel alle in der Beobachtungskunst unterrichten, die nicht verstehen."
(Senebier, Jean: Die Kunst zu beobachten, 2 Bde., übers. v. Johann Friedrich Gmelin, Leipzig 1776, S. 251.)

Mag sich wissenschaftliches Arbeiten seit dem 18. Jahrhundert wesentlich verändert haben, lassen sich doch drei Bestandteile in diesem Zitat aufspüren, die auch unser Verständnis von Wissenschaft bis heute prägen und in den Titelschlagworten zusammengefasst sind.

Beobachten

Beobachten – als die Grundlage jedweder empirischen Wissenschaft – verweist auf eine Grundfähigkeit des Menschen, mittels derer er versucht, sich selbst und die Natur zu erkennen. Eine solche Beobachtung zu systematisieren, regelgeleitet Schlüsse daraus zu ziehen und sie theoretisch zu hinterfragen, unterscheidet die alltägliche Beobachtung von der wissenschaftlichen. Die Eigentümlichkeit des wissenschaftlichen Blicks – vor allem im Gegensatz zum alltäglich betrachtenden Blick – wird in einer besonderen Theoretisierung und Problematisierung der eigenen Beobachtungsprämissen deutlich. Der Akt des Beobachtens nahm in der Herausbildung der empirischen Wissenschaften eine zentrale Rolle ein. Dieser Okularzentrismus der westlichen Wissenschaften gründet nicht nur auf den gängigen Methoden des empirischen Beobachtens/Forschens sondern auch auf erkenntnis- und wahrnehmungstheoretischen Überlegungen, wie sie etwa von Francis Bacon oder John Locke formuliert wurden. Untrennbar hiermit verbunden sind auch Entwicklung und Verwendung wissenschaftlicher Instrumente, die die Grenzen der menschlichen Wahrnehmung zunehmend erweitert und somit neue Aspekte, Fragestellungen und Problematiken des Beobachtens eröffnet haben. Inwieweit korrelieren Theorie und Praxis in Bezug auf Wahrnehmung und Beobachtung? Welche Modi des Beobachtens lassen sich in der Wissenschaftsgeschichte nachvollziehen? Welche Probleme der Rechtfertigung empirischer Beobachtungen eröffnen sich durch die Verwendung wissenschaftlicher Instrumente? Und inwieweit verändert der „wissenschaftliche Blick“ den Blick auf die Welt?

Darstellen

Eine Konstante in den Entwicklungen der Wissenschaften stellen unterschiedlichste Darstellungen der sichtbaren und unsichtbaren Welt dar. Sie repräsentieren umfassende Theoriekonzepte, dienen als epistemische Stütze oder versinnbildlichen die Zusammenhänge der natürlichen Ordnung. Ohne eine Darstellung der Ergebnisse der wissenschaftlichen Tätigkeit, ist eine Verbreitung eben dieser Resultate undenkbar. Vielfältige Darstellungsformen und Präsentationstechniken der Wissenschaften – von künstlerischen Zeichnungen bis zu computergenerierter Bildtechnik – illustrieren die Wissenschaftsgenese und verweisen auf eine Dialektik von BeobachterIn und Beobachtetem. Wie gestaltet sich das Verhältnis zwischen Wahrnehmung und Darstellung im Laufe der Wissenschaftsgeschichte? Welche Funktionen hatten Darstellungen und inwieweit waren sie in der Lage diese zu erfüllen? Inwieweit beeinflussten die Möglichkeiten der Darstellungen wissenschaftliche Überlegungen?

Vermitteln

Nicht nur innerhalb der "Scientific Community" galt und gilt es, wissenschaftliche Erkenntnis weiterzugeben und verständlich zu machen, auch außerhalb des gelehrten Fachpublikums spielte Vermittlung von Wissenschaft eine zentrale Rolle. Die Weitergabe wissenschaftlichen Denkens und Handelns fand demnach sowohl innerhalb wissenschaftlicher Institutionen, etwa Universitäten, Akademien oder wissenschaftlichen Gesellschaften, als auch in weiten Bereichen des sozialen Gefüges statt. So stellt sich nicht nur die Frage nach den Arten des Vermittelns, sondern auch nach den jeweiligen Adressaten. Welche Wege des Vermittelns wurden im Laufe der Wissenschaftsgeschichte gefunden und genutzt? Inwiefern beeinflusste die aktive Vermittlung von Wissenschaft gesellschaftliche Haltungen und Meinungen? Welchen Einfluss hatten die Möglichkeiten der Vermittlung auf das zu Vermittelnde selbst?

Das Symposium richtet sich an ein wissenschaftshistorisch interessiertes Publikum aus allen Disziplinen, sodass sich dem "wissenschaftlichen Blick" über einen interdisziplinären Dialog und Austausch aus vielfältigen Perspektiven und wissenschaftstheoretischen Zugängen genähert werden kann. Fragen hinsichtlich der Themenkomplexe des Beobachtens, Darstellens und Vermittelns können dabei als Orientierungshilfe dienlich sein, wobei natürlich auch Vorschläge abseits dieser wissenschaftlichen Grundoperationen erwünscht sind, sofern sie die Genese der Wissenschaften, ihrer Arbeits- und Denkweisen thematisieren.

Den Auftakt wird der Eröffnungsvortrag des vielfach ausgezeichneten Wissenschaftlers, Romanciers, Bühnenautors und Erfinders der Anti-Baby-Pille Prof. Dr. Carl Djerassi im Rathaus der Stadt Graz unter dem Titel "Beobachten, Darstellen und Vermitteln durch das Theater" bilden.

Die MitarbeiterInnen des Zentrums für Wissenschaftsgeschichte bitten Interessierte, sich bis 01.02.2015 unter bdv@uni-graz.at für das Symposium anzumelden. Grundsätzlich ist angedacht, dass allen Teilnehmenden im Rahmen des Symposiums die Möglichkeit geboten wird, laufende oder abgeschlossene Forschungsprojekte in Form eines 15-20 minütigen Vortrags mit anschließender Diskussion zu präsentieren. Bitte senden Sie im Zuge der Anmeldung einen Vorschlag für einen Vortrag (max. 400 Wörter) und einen kurzen akademischen CV an die oben genannte Adresse.

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Observing – Depicting – Disseminating
The Scientific Perspective in the Modern Period

Celebrating its 10th anniversary, the interdisciplinary Centre for the History of Science at the University of Graz is organising a two-day conference on the topic of "Observing, Depicting and Disseminating" and its relevance for the history of science.

In 1776 the Protestant pastor, librarian and naturalist Jean Senebier (1742-1809) described his ideal of a naturalist in his essay concerning the practices of scientific observation as follows:

"For the observer who seeks to enlighten people, it is not sufficient to have noticed a phenomenon. It is necessary that he reveals it to the senses of those who are not observing and that he, by his own example, instructs all those who are unaware of it."
(Senebier, Jean: L’art d’observer, Vol. 2, Geneva 1775, S. 2. Own translation.)

Even though scientific work has changed significantly since the 18th century, three components can be found in this quote that still shape our understanding of science today and that have provided the key words for this congress.

Observing

Observing – as the foundation of any empirical science – is a fundamental human ability used to encode and understand the natural world. Systemizing scientific observations, theoretically questioning them and finally drawing rule-governed conclusions from them distinguishes scientific observations from everyday experiences. The act of observation played a key role in the emergence of empirical sciences. This ocularcentrism in western sciences is not only based on the established methods of empirical observation and research but also on concepts of epistemology and the perception theories of philosophers like Francis Bacon or John Locke. Inextricably linked to this are the invention, development and usage of scientific instruments that enhanced human perception and opened up new vistas, questions and problems within the realm of scientific observations. To what extent do theory and practice correlate in terms of perception and observation? Which ways of observing can be reconstructed in the history of science? What problems of justification arise due to the usage of scientific instruments? How much does the “scientific perspective” change the way we look at the world?

Depicting

The many different ways of depicting the visible and the invisible world have always been central to the development of the sciences. They represent comprehensive theoretical concepts, serve as epistemic tools or epitomize the coherences of a natural order. Without depicting the results of scientific work it would be impossible to spread these findings for the purpose of scientific progress. Various forms of depiction and techniques of (re-)presentation – from artistic drawings to computer-generated imaging – illustrate the scientific genesis and refer to a dialectic between observer and the observed. How did the relation between perception and depiction take shape in the course of the history of science? What were the aims of documenting and were these aims fulfilled? How much did documenting influence scientific thought?

Disseminating

Passing on and explaining scientific knowledge has always been necessary both within and outside the scientific community. The results of scientific thinking and activity have always been communicated within scientific institutions, such as universities, academies or scientific societies but also in the wider areas of social life. Therefore, questions concerning the various ways of conveying information arise, as well as questions about the target audience. What forms of conveying information were developed in the course of the history of science and which were actually used? In what way did the active conveying of scientific information influence scientific attitudes and opinions? How did the various ways of disseminating information influence the information itself?

The symposium welcomes scholars of all disciplines interested in the history of science, so that the "scientific perspective" can be approached in an interdisciplinary context from different theoretical standpoints. Questions concerning the general field of observing, depicting and disseminating can be considered as possible contributions, but other suggestions are welcome as long as they address the genesis of sciences and their methods of operating and thinking.

The conference will be opened by the renowned scientist, author and inventor of the contraceptive pill Prof. Carl Djerassi who will deliver his keynote address titled "Beobachten, Darstellen und Vermitteln durch das Theater" (Observing, Depicting, Disseminating through theatre) at the city hall of Graz.

The Centre for the History of Science Graz asks interested parties to sign up for the symposium at bdv@uni-graz.at by February 1st 2015. Participants are invited to give a 15-20 minute talk with following discussion on ongoing or completed research projects and papers. Please send your suggestion for a presentation (400 words max.) and a short academic CV along with your application to the address above.

Programm

Kontakt

Zentrum für Wissenschaftsgeschichte

Mozartgasse 14 / II, A-8010 Graz

bdv@uni-graz.at

http://bdv.hypotheses.org/
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