Transfers und Wahrnehmungen. Der venezianische "Commonwealth" als Drehscheibe im europäischen Weinhandel

Transfers und Wahrnehmungen. Der venezianische "Commonwealth" als Drehscheibe im europäischen Weinhandel

Veranstalter
Deutsches Studienzentrum in Venedig in Kooperation mit dem Istituto Veneto di Scienze; Lettere ed Arti; Archivio di Stato di Venezia
Veranstaltungsort
Venedig
Ort
Venedig
Land
Italy
Vom - Bis
30.10.2019 - 31.10.2019
Deadline
30.10.2019
Website
Von
Michael Matheus

Als Drehscheibe des europäischen Weinhandels wurde Venedig bisher nur ansatzweise untersucht. Seit dem 13. Jahrhundert ist der Handel mit schweren alkoholreichen Südweinen aus dem Mittelmeerraum in der Lagunenstadt sowie der Transfer durch venezianische Kaufleute immer dichter belegt und stellt für Jahrhunderte eine Konstante dar. In den Regionen nördlich von Alpen und Pyrenäen sorgen diese Weine, die hauptsächlich unter den Sammelbezeichnungen Malvasier, Romania und Rainfal firmieren, für eine wichtige Differenzierung des Weinangebotes. Sie fungieren überwiegend als Festgetränk bzw. Ehrenweine und dienen als Mittel der Repräsentation und der sozialen Distinktion.
Die Tagung nimmt ausgewählte zentrale Aspekte dieses wirtschafts- und handelsgeschichtlichen Kapitels europäischer Geschichte in den Blick. Dabei werden neben der Lagunenstadt als Umschlagsplatz auch andere exportorientierte, bisher (wie Bassano) weitgehend unbekannte Weinproduktionszentren im venezianischen Herrschaftsraum, insbesondere im Bereich der seit dem 15. Jahrhundert von Venedig kontrollierten Terra ferma, behandelt. Zugleich sind Vorträge – dem interdisziplinären Charakter des DSZV entsprechend – aus kulturgeschichtlicher Perspektive den mit den Luxusweinen verbundenen Prozessen der Wahrnehmungen gewidmet, welche das kulturelle Verhalten und Handeln von Menschen in weiten Teilen Europas nachhaltig prägten.
In Venedig tragen noch heute verschiedene Straßen bzw. Calle Bezeichnungen, welche an den einstmals bedeutenden Handel mit Südweinen erinnern („Fondamenta della Malvasia“, „Calle della Malvasia“). Michaela dal Borgo analysiert die Rahmenbedingungen dieses Handels sowie die zur Verfügung stehende Infrastruktur in der Lagunenstadt, während Gian Maria Varanini und Michael Matheus mit den Handelszentren Verona e Vicenza sowie Bassano im späten Mittelalter immer wichtiger werdende Weinumschlagplätze und deren Bedeutung für den Weinexport in den nordalpinen Raum in den Blick nehmen.

Mit Pietro Querini stellt Angela Pludo auf der Basis ihrer Dissertation einen venezianischen Händler vor, der im 15. Jahrhundert in großem Umfang Malvasier ins nördliche Europa transportierte und als einer der Initiatoren des Handels mit Stockfisch aus Norwegen in die Lagunenstadt gilt. Clive Burgess skizziert den Handel mit Südweinen in England und beleuchtet zugleich die strukturellen Voraussetzungen dies Handels in London und anderen englischen Städten. Ferner geht er der Frage nach, wie venezianische Händler auf der Insel wahrgenommen und behandelt wurden. Auf der Basis einer Vielzahl bisher nicht ausgewerteter Quellen behandelt Christian Neumann grundlegende Aspekte des venezianischen Weinhandels im Mittelmeerraum des späten Mittelalters und vor allem den Dreiecksverkehr zwischen Venedig, Kreta und Mallorca, der bis zum flandrischen Brügge und damit weit über das Mittelmeer hinausreichte. Zugleich werden neue Ergebnisse zu den bisher kaum berücksichtigten venezianisch-katalanischen Beziehungen präsentiert.

Auf der Basis ihrer laufenden Dissertation zur venezianischen Glasindustrie skizziert Lisa Woop, eine Stipendiatin des DSZV, den sich mit der Entwicklung des cristallo (ca. 1450) in ganz Europa verbreitenden Ruf der durchsichtigen und filigranen Gläser Venedigs. Ihr Vortrag widmet sich vor allem der Frage, welche Rolle diese kunstvollen Schöpfungen für den Konsum von Wein hatten, und auf welche Weise venezianische Gläser in die Ess- und Trinkkultur der Zeit eingebunden waren. Marita Liebermann untersucht das Motiv des Malvasiers in der Literatur hinsichtlich seiner gattungs- und epochenspezifischen Gestaltung und damit einhergehender kultureller Konnotationen und Semantisierungen. Der Vortrag bietet einen Überblick, der die italienische Novellistik (Boccaccio, Banedello), das politische und intellektuelle Drama (Shakespeare, Goethe) sowie den bürgerlich-dekadenten Familienroman (Thomas Mann) umfasst. Abschließend behandelt Klaus Bergdolt vor allem ikonographische Kontexte rund um den Wein in der venezianischen Malerei. Gezeigt wird, wie Themen der antiken Mythologie und des Neuen Testaments (z. B. die Hochzeit zu Kana) im Rahmen von Stilleben und Genrebildern die Maler der Lagunenstadt zu insgesamt höchst unterschiedlichen Behandlungen dieses Themas reizten.

Thematisch knüpft die Tagung an zwei interdisziplinäre Kongresse an, die 2015 und 2017 unter Beteiligung des DSZV durchgeführt wurden. In der ersten Konferenz ging es um die als Commonwealth interpretierte venezianische Staatlichkeit und neue Fragen nach den komplexen Gemeinschaftsstrukturen der Markusrepublik. Im Mittelpunkt der 2017 in Venedig abgehaltenen Tagung „Comunità e società nel Commonwealth veneziano“ stand die spezifische Dialektik zwischen Gemeinschaft und Gesellschaft im spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen venezianischen Commonwealth.

Programm

MALVASIER: TRANSFERS UND WAHRNEHMUNGEN. DER VENEZIANISCHE ‚COMMONWEALTH' ALS DREHSCHEIBE IM EUROPÄISCHEN WEINHANDEL.

Deutsches Studienzentrum in Venedig in Kooperation mit dem Istituto Veneto di Scienze, Lettere ed Arti und dem Archivio di Stato di Venezia

30. Oktober 2019, Istituto Veneto
15.00 Uhr
Grußwort Gherardo Ortalli, Presidente dell’Istituto Veneto di Scienze, Lettere ed Arti
Grußwort Marita Liebermann, Direttrice del Centro Tedesco di Studi Veneziani
Grußwort Gianni Penzo Doria, Direttore dell’Archivio di Stato di Venezia

Einführung Michael Matheus, Presidente del Centro Tedesco di Studi Veneziani

VENEDIG UND DIE TERRAFERMA ALS WEINPRODUKTIONS- UND WEINHANDELSREGION

15.30 Uhr Michaela dal Borgo, Venezia e il vino. Commercio e vendita nelle testimonianze documentarie (secoli XIII-XVIII)

16.30 Uhr Gian Maria Varanini, Produzione e commercio del vino nel Veneto centro-occidentale.

17.30 Uhr Pause

18.00 Uhr Angela Pluda, Pietro Querini: storie di popoli dentro e oltre un naufragio

Moderation und Kommentierung: Alfio Cortonesi

31. Oktober 2019, Centro Tedesco

MALVASIER IN EUROPA: TRANSFERS UND WAHRNEHMUNGEN

9.30 Uhr Michael Matheus, Il vino di Bassano a nord delle Alpi

10.30 Uhr Clive Burgess, From the Lagoon to Lombard Street: How Venetians were treated in late medieval London

11.30 Uhr Pause

12.00 Uhr Christian Neumann, Venezianischer Weinhandel im Mittelmeerraum und venezianisch-katalanische Befunde
Moderation und Kommentierung Uwe Israel

13.30 Uhr Mittagspause

15.00 Uhr Lisa Woop, Edle Weine in venezianischen Gläsern

16.00 Uhr Marita Liebermann, Von der (lasziven) Burleske bis zum bürgerlichen Dekadenroman: Der Malvasier als intertextuelles Motiv in der europäischen Literatur vom Mittelalter bis zur Moderne

17.30Uhr Pause

18.00 Uhr Klaus Bergdolt, Noah, Baccchus und rauschende Feste. Der Wein in der venezianischen Malerei

Moderation und abschießender Kommentar Romedio Schmitz-Esser

19.30 Uhr Ende der Tagung

Kontakt

Michael Matheus

DSZV Veneig

matheus@uni-mainz.de


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