Staat und Zivilgesellschaft zwischen Politisierung und Religionisierung. Interessen und Interessenvertretung im Spannungsfeld von Politik und Religion

Staat und Zivilgesellschaft zwischen Politisierung und Religionisierung. Interessen und Interessenvertretung im Spannungsfeld von Politik und Religion

Veranstalter
Gabriel Rolfes, M.A. (Technische Universität Chemnitz), Dr. Laura Achtelstetter (Universität Augsburg), Dr. Alexander Kruska (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg), AK Politik und Religion (Deutsche Vereinigung für Politikwissenschaft)
PLZ
91054
Ort
Erlangen
Land
Deutschland
Vom - Bis
07.09.2023 - 09.09.2023
Deadline
30.09.2021
Von
Gabriel Rolfes, Institut für Politikwissenschaft, Technische Universität Chemnitz

Das Verhältnis von Politik und Religion wird in der Moderne zumeist in einem Spannungsfeld zwischen politischem Universalismus und religiösem Partikularismus betrachtet. Hierbei erscheinen religiöse Akteure, Dogmen und Institutionen oftmals als dezidierte Herausforderung des liberal-demokratischen Staates.

Staat und Zivilgesellschaft zwischen Politisierung und Religionisierung. Interessen und Interessenvertretung im Spannungsfeld von Politik und Religion

In weniger konfrontativen Lesarten werden Religionsgemeinschaften als zivilgesellschaftlich relevante Machtfaktoren verhandelt, deren gesellschaftlicher Einfluss bei der Verwirklichung staatlicher Aufgaben und Interessen sowohl hinderlich als auch förderlich sein kann.

In diesem Kontext ist häufig die Annahme bzw. Beobachtung einer Politisierung des Religiösen festzustellen; religiöse Gruppen bzw. -identitäten werden zu politischen Gruppen(-identitäten). Die aus religiösen Differenzen erwachsenden Kontroversen – zunächst also manifest in religiöser Lehre und Glaubenspraxis – können sich auswachsen zu Weltanschauungskonflikten um die gute politische Ordnung, womit sie letztlich zu politiktheoretischen bzw. politischen Problemen werden. In entsprechend heterogenen Gesellschaften können sich derartige Antagonismen, gerade auch über ihre Verknüpfung mit den politischen Interessen religiöser und anderer Akteure, zum Nährboden gewaltsamer Konflikte fortentwickeln oder entsprechend entgrenzen.

Weitaus weniger prominent ist in der Forschung die Spiegelung dieses Prozesses, die „Religionisierung“ (Juergensmeyers, 2009) politischer Interessen und Konflikte, also die Fortsetzung, Umdeutung oder entsprechende Aufladung von Antagonismen in bzw. mit der Formensprache der Religion. Zwar gibt es im Rahmen der Totalitarismusforschung und Ideologiekritik Ansätze, politische Ideologien als „politische Religionen“ (Voegelin, 1939) zu beschreiben, hierbei liegt der Fokus jedoch eher auf den quasi-religiösen Strukturmerkmalen politischer Ideologien, und nicht in der Erweiterung bestehender politischer Problemlagen durch Konflikte „klassischer“ Religionen. Die gegenseitige Durchdringung der Sphären von Politik und Religion kann sich jedoch auf vielfältige Weise zeigen. Überhaupt ist zu klären, wie sich beobachtbare Phänomene einer „Religionisierung“ von Konflikten zu parallelen Prozessen der Politisierung oder der Eskalation von Konflikten verhalten. Fungiert Religion als bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln oder haben „religionisierte“ Konflikte spezifische Merkmale, die die gewohnten Bahnen politischer Konfliktbeilegung verlassen oder gar in Frage stellen?

Der Fokus auf das Agieren interreligiöser oder interkonfessioneller Interessenvertreter und Interessenvertreterinnen im politischen Raum (bzw. von ad-hoc-Bündnissen entsprechender Akteure) ist ebenfalls selten Gegenstand der wissenschaftlichen Analyse. Zwar gibt es eine etablierte Forschung zur christlichen Ökumene und zum jüdisch-christlich-islamischen Dia- bzw. Trialog, jedoch liegt der Fokus hierbei zumeist auf Projekten und Initiativen im Kontext der Extremismusprävention oder der Integration. Weitaus weniger prominent beforscht werden hingegen interkonfessionelle bzw. interreligiöse Oppositionshaltungen gegen staatliches Handeln auf religionspolitischem Gebiet oder Phänomene politischer Instrumentalisierung religiöser Differenzen.

Vor diesem Hintergrund soll die Konferenz in vergleichender und interdisziplinärer Perspektive das Verhältnis von Politik und Religion anhand von Wechselwirkungen und Interaktionen (neu) verorten. Sie zielt dabei weniger auf die Erforschung der theoretischen und praktischen Konflikte zwischen Staat und Religionsgemeinschaften (bzw. verschiedener Religionsgemeinschaften), als auf die Interaktionen und Wechselwirkungen zwischen denselben und wie sich in diesem Zuge klassische Konfliktperzeptionen ändern bzw. dieselben anders gedacht werden müssen. Eine zentrale Leitfrage der Tagung ist hierbei, ob angesichts verschiedener Theorieansätze und aktueller empirischer Beispiele eine exaktere Trennlinie zwischen religiösen und politischen Konflikten formuliert werden kann oder inwiefern diese neu gezogen werden muss.

Das Organisationsteam lädt gemeinsam mit dem Arbeitskreis „Politik und Religion“ der DVPW (Deutsche Vereinigung für Politikwissenschaft) Kolleginnen und Kollegen der Politikwissenschaft, Geschichtswissenschaft, Soziologie, Religionsphilosophie, sowie der jüdischen, christlichen und islamischen Theologie ein, Beiträge zu einem oder mehreren der folgenden Themenfelder vorzuschlagen:

I. Theorien von Nation, Staatlichkeit und Repräsentation im religiösen Kontext
II. Fallstudien und/oder Konzepte der Politisierung religiöser Interessenfelder
III. Fallstudien und/oder Konzepte der Religionisierung politischer Interessenfelder
IV. Repräsentationsansprüche religiöser Gruppen zwischen Kooperation und Konflikt
V. Partizipationsmöglichkeiten und Erfahrungsräume der Partizipation in Staat, Zivilgesellschaft und religiösen Gemeinschaften
VI. Fallbeispiele interreligiöser Allianzen im Bereich des Politischen

Die Organisatoren streben ein ausgewogenes Verhältnis von bereits etablierten, sowie sich am Anfang einer wissenschaftlichen Karriere befindlichen Kolleginnen und Kollegen an. Daher möchten wir ausdrücklich Promovierende genauso zur Bewerbung ermutigen, wie Post-Docs und Habilitierende.

Eine Publikation der Tagungsergebnisse im Print- oder Onlineformat ist geplant. Übernahme von Reise- und/oder Übernachtungskosten werden vorbehaltlich der bewilligten Finanzierung der Veranstaltung übernommen.

Bitte senden Sie bis zum 30. September 2021 ihr Abstract im Umfang von maximal 350 Wörtern in deutscher oder englischer Sprache, einen maximal einseitigen Lebenslauf, sowie eine kurze Auskunft darüber, ob Sie etwaige Kostenübernahmen benötigen, an:

Gabriel Rolfes, M.A., Technische Universität Chemnitz, gabriel.rolfes@phil.tu-chemnitz.de

Dr. Laura Achtelstetter, Universität Augsburg, laura.achtelstetter@uni-a.de

Dr. Alexander Kruska, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, alexander.kruska@fau.de