6. Erlanger Sommerkurs zur Reformationsgeschichte: Magie und Divination im konfessionellen Zeitalter

6. Erlanger Sommerkurs zur Reformationsgeschichte: Magie und Divination im konfessionellen Zeitalter

Veranstalter
Prof. Dr. Birgit Emich / PD Dr. Ulrike Ludwig, Lehrstuhl für Geschichte der Frühen Neuzeit an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Veranstaltungsort
Ort
Erlangen
Land
Deutschland
Vom - Bis
24.07.2016 - 27.07.2016
Deadline
31.05.2016
Website
Von
PD Dr. Ulrike Ludwig

Mit dem Thema „Magie und Divination im konfessionellen Zeitalter“ veranstaltet der Lehrstuhl für Geschichte der Frühen Neuzeit an der Universität Erlangen-Nürnberg in diesem Jahr bereits den sechsten Sommerkurs zur Reformationsgeschichte. Der Kurs wird vom 24. bis zum 27. Juli 2016 in Erlangen stattfinden und richtet sich an Postdocs, Promovierende und fortgeschrittene Studierende, die im Umfeld des Themas arbeiten oder einfach besonders an der Geschichte von Magie und Divination im konfessionellen Zeitalter interessiert sind. Unter der Leitung ausgewiesener Expertinnen und Experten wird das Kursthema gemeinsam erarbeitet und diskutiert.

Im späten 15. und dann vor allem im 16. Jahrhundert lässt sich in allen sozialen Gruppierungen der europäischen Gesellschaften ein bemerkenswerter Aufschwung von Formen der Hellseherei und Magie beobachten. Spätmittelalterliche Basis für diesen Prozess war ein intensivierte Rezeptions- und Transferphase, in deren Rahmen seit dem 13. Jahrhundert einschlägige Praktiken, Objekte und Texte vor allem aus dem arabischen Raum in das lateinische Europa gelangten. Neben Kontakten zu arabischen Gelehrten und Höfen leisteten hierbei gerade auch jüdische Gemeinden wichtige Vermittlungsarbeit.

Angestoßen von diese Rezeptionsphase folgte seit dem späten 15. Jahrhundert eine Phase der Popularisierung. In den fürstlichen und gelehrten Sammlungen wurden immer mehr Texte – etwa Anleitungen zur Herstellung von Talismanen oder magischen Rezepten, aber auch geomantische Schriften, astrologisch unterfütterte Kalender oder Anweisungen für einfache Formen der Zahlenmagie – zusammengetragen und die darin beschriebenen Techniken ausprobiert. Zugleich fanden diese Texte immer häufiger ihren Weg in die Druckerstuben und Schreibwerkstätten. Neben lateinischen kamen nun auch volkssprachige Manuskripte und Drucke in Umlauf. Zugleich schaffte die Astrologie endgültig den Sprung an die Universitäten und wurde durch astronomische Forschungen auf eine immer präzisere Datengrundlage gestellt. Mit der zunehmenden Verbreitung des Wissens über Hellseherei und Magie und entsprechend ausgebildeter „Wissensträger“ stieg schließlich auch das Angebot an „nutzerfreundlich“ aufbereiteten Formen, mit denen eine weitgehend eigenständige Anwendung divinatorischer und magischer Techniken möglich wurde.

Insgesamt lässt sich für das 16. und frühe 17. Jahrhundert also eine bemerkenswerte Blüte magischer und divinatorischer Praktiken im christlichen Europa ausmachen. Wallenstein, der sächsische Kurfürst August oder Philipp Melanchthon nutzen sie ebenso wie zahllose Frauen und Männer in den Städten und Dörfern Europas. Astrologen und Alchemisten zogen von Hof zu Hof, wandernde Hellseher boten ihre Dienste gegen einen geringen Obolus an, Instrumentenbauer produzierten Astrolabien für medizinische Diagnosen und auf dem Buch- bzw. Manuskriptmarkt wurden Los- und Orakelbücher, astrologische Kalender, einfache Anleitungen zur Geomantie und vieles mehr angeboten.

Bemerkenswert ist, dass diese Entwicklung in eine Zeit massiver konfessioneller Umbrüche und (auch) religiös grundierter Abgrenzungen fiel. Die Reformation führte zur anhaltenden Spaltung der christlichen Kirche im lateinischen Europa. Zugleich lässt sich mit dem Ende der Reconquista in Spanien und den militärischen Auseinandersetzungen mit den Osmanen im Südosten Europas eine zunehmend kategorische Abgrenzung gegenüber dem Islam und seinen kulturellen Errungenschaften beobachten. Die Ausgrenzung und Verfolgung von Juden war ebenso bedeutsam, so dass davon auszugehen ist, dass muslimische und jüdische Wissenstraditionen mehr und mehr in Misskredit gerieten. Hinzu trat eine sukzessive Ausbreitung und Intensivierung der Hexenverfolgung, mit der Magie und zum Teil auch Formen der Hellseherei unter Generalverdacht gerieten.

Dieses Nebeneinander konfessioneller und religiöser Ab- und Eingrenzungen, der Verfolgung von Hexen und Zauberern und der enormen Popularisierung und Verbreitung hellseherischer bzw. magischer Praktiken in allen gesellschaftlichen Gruppen steht im Mittelpunkt des Sommerkurses. Das Anliegen ist ein Dreifaches: Ganz grundsätzlich sollen zunächst verschiedene Formen und Variationen von Magie und Hellseherei und ihre Traditionen genauer in den Blick genommen werden. Zudem ist vertiefend zu diskutieren, inwieweit sich konfessionelle Besonderheiten im Umgang mit diesen Praktiken ausmachen lassen und wie mit den häufig muslimischen und jüdischen Wurzeln der verschiedenen Techniken umgegangen wurde. Schließlich soll nach der Grenze zwischen erlaubten und strafrechtlich verfolgten bzw. kirchlich verbotenen Formen der Hellseherei und Magie gefragt werden.

Die verschiedenen Themen werden jeweils unter der Leitung einschlägig forschender Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Vorträgen und Diskussionen gemeinsam erarbeitet. Das Programm besteht aus Fachvorträgen und gemeinsamen Arbeitseinheiten, zudem ist eine Exkursion in das Germanische Nationalmuseum geplant. Der Schwerpunkt liegt auf der gemeinsamen Diskussion, zu deren Vorbereitung ein Reader erstellt wird. Es besteht aber auch die Möglichkeit, dass Teilnehmerinnen und Teilnehmer eigene Projekte vorstellen. Dieser Wunsch sollte im Zuge der Anmeldung zum Sommerkurs mitgeteilt werden (wir bitten um einen Titel und eine kurze Projektbeschreibung).

Anmeldungen bitte an: ulrike.ludwig@fau.de oder postalisch an: PD Dr. Ulrike Ludwig, FAU Erlangen-Nürnberg, Lehrstuhl f. Geschichte der Frühen Neuzeit, Kochstraße 4/BK 11, D-91054 Erlangen

Anmeldeschluss ist der 31. Mai 2016.

Die Teilnahme ist kostenfrei, kostengünstige Hotelzimmer in Erlangen sind für die Teilnehmenden reserviert. Auf Antrag kann ein Teil der Reisekosten erstattet werden.

Programm

SONNTAG, 24. Juli 2016

14:00 – 14.30 h
Ulrike Ludwig (Erlangen): Einführung

Sektion 1: Mittelalterliche Impulse: arabische, jüdische und antike Traditionen im Transfer
14:30 - 16.30 h
Matthias Heiduk (Erlangen): Das geheime Wissen des Orients - Magie und Divination als neue Impulse aus dem mittelalterlichen Wissenstransfer

17:00 – 19:00 h
Petra Schmidl (Frankfurt a. M.): Divinatorische Praktiken in vormodernen arabischen Quellen

MONTAG, 25. Juli 2016

Sektion 2: Divinatorische und magische Praktiken
09:00 – 11:00 h
Isabelle Deflers (Freiburg i. Brsg.): Philipp Melanchthon, die Astrologie und die Frage nach dem ‚wahren Glauben‘

11:30 – 12:30
Fritz Dross (Erlangen): Divination oder Aberglaube? Der Nürnberger ‚portzel‘

13:30 – 14:30 h
Fritz Dross (Erlangen): 'welchen wol ist auff hohe vnd seltzame Fragen fleiß zulegen’ - wie man welchen Aussatz erkennt

15:00 – 17:30 (mit Kaffeepause)
Nikolas Funke (Birmingham): Waffen- und Schutzzauber im Militär

17:30 – 19:00
Projektpräsentationen

DIENSTAG, 26. Juli 2016

Sektion 3: Könner und Kunden divinatorischer Expertise
09:00 – 11: 00 h
Richard Lynn Kremer (Darmouth): Astrologie in der periodischen Kleinliteratur des 16. Jahrhunderts

11:30 – 15:00 h (mit Mittagspause)
Michael Korey (Dresden); Ulrike Ludwig (Erlangen): Die Auguren des August von Sachsen: Fürstliche Befragungen mit Punkten und Planeten

Ab 15:00 h: gemeinsame Exkursion in das Germanische Nationalmuseum

MITTWOCH, 27. Juli 2016

09:00 – 11:00 h
Bruno Boute (Antwerpen/ Erlangen): Die Ökumene der Magie: Inquisition, Christen und Juden im frühneuzeitlichen Italien

11.30 – 12:00 h
Birgit Emich (Erlangen): Kommentar

12:00 – 13:00 h
Abschlussstatements und Abschlussdiskussion

Kontakt

ulrike.ludwig@fau.de


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